# taz.de -- Studie zu Mikroplastik aus Autoreifen: Stadtluft ist voller Plastikteilchen
       
       > Mikroplastik aus Reifenabrieb belastet die Luft an Hamburgs Hauptstraßen.
       > Das Ergebnis einer neuen Studie ist auf andere Großstädte übertragbar.
       
 (IMG) Bild: Sind für eine Menge des Mikroplastiks in der Luft und in unseren Lungen verantwortlich: Autoreifen aus Gummi
       
       Hamburg taz | Bis zu 121.000 winzige Plastikteilchen atmet ein Erwachsener
       durchschnittlich pro Jahr ein – das entspricht etwa einer Kreditkarte pro
       Woche. Wer in Hamburg an einer viel befahrenen Straße wohnt oder spazieren
       geht, hat wahrscheinlich noch viel mehr davon in der Lunge. Denn dort ist
       die Stadtluft vor allem [1][durch Mikroplastik] aus Reifen- und Bremsabrieb
       noch belasteter.
       
       Das zeigt [2][eine neue Studie] des Centrums für Erdsystemforschung und
       Nachhaltigkeit (CEN) der Universität Hamburg und des Helmholtz-Zentrums
       Hereon. Daraus geht hervor, dass dieser Abrieb [3][durchschnittlich zwölf
       Prozent des Feinstaubs] an Hamburgs Hauptstraßen ausmacht und damit die
       größte Quelle für Mikroplastik in der Stadt ist.
       
       Mailin Samland, Erstautorin der Studie und Doktorandin der Metereologie am
       CEN, betont die Bedeutung für die Gesundheit von Stadtbewohner:innen.
       Besonders an stark frequentierten Straßen wie der Max-Brauer-Allee oder der
       Stresemannstraße in Hamburg-Altona wurden hohe Konzentrationen gemessen.
       Die Belastung in Nebenstraßen fällt deutlich geringer aus.
       
       ## Umfassendes Bild vom gesamten Stadtgebiet
       
       Um ein umfassendes Bild der Feinstaubverteilung im gesamten Stadtgebiet zu
       erhalten, nutzte das Forschungsteam ein digitales Luftqualitätsmodell. Das
       berücksichtigt lokale Emissionen, Einträge aus dem Umland sowie Wetterdaten
       und den Mix verschiedener Fahrzeugtypen. „So können wir für das gesamte
       Stadtgebiet sagen, wo sich der Feinstaub und damit das Mikroplastik in der
       Luft konzentriert“, sagt Ronny Badeke vom Helmholtz-Zentrum Hereon.
       
       Die Ergebnisse lassen sich laut Badeke auch auf andere Großstädte
       übertragen, wo ähnliche Konzentrationen von Plastikpartikeln in der Luft zu
       erwarten sind.
       
       Die Studie gewinnt angesichts der [4][kürzlich beschlossenen strengeren
       EU-Feinstaubgrenzwerte] an Relevanz. Samland warnt jedoch: „Für eine
       gesunde Luft werden wohl selbst diese strengeren Werte nicht ausreichen.“
       Allein das Mikroplastik erreiche bereits ein Fünftel des neuen Grenzwerts,
       zusätzlich zu Verkehrsabgasen und anderen Quellen.
       
       ## Belastung in Hamburg im Vergleich hoch
       
       Die Forschungsergebnisse unterstreichen die Notwendigkeit, die Diskussion
       über Luftverschmutzung durch Auspuffemissionen hinaus auszuweiten.
       Mikroplastik und Feinstaub stellen bekannte Gesundheitsrisiken dar, der
       Reifenabrieb wurde bisher oft vernachlässigt.
       
       Wie es besser werden kann, zeigt die Studie auch: Vorausschauendes Fahren
       kann den Abrieb reduzieren, während abruptes Bremsen und Beschleunigen
       besonders viel Mikroplastik freisetzt. Durch Verkehrsberuhigung oder die
       Förderung eines gleichmäßigeren Verkehrsflusses könnte also schon viel
       erreicht werden.
       
       Im Vergleich zu anderen Städten ist die Mikroplastikbelastung in Hamburg
       relativ hoch. Eine Studie aus dem Jahr 2019 ergab, dass dort täglich
       durchschnittlich 275 Mikroplastikpartikel pro Quadratmeter aus der Luft
       niederfielen. In London waren es 771 (2020) und in Paris 110 (2016).
       Allerdings sind diese Werte nur bedingt vergleichbar, weil es bisher
       [5][keine Standardmethode für die Identifizierung von Mikroplastik] gibt.
       
       ## Gefährlich sind die kleinsten Teilchen
       
       Eine entscheidende Rolle bei der Bewertung der Gesundheitsrisiken spielt
       die Größe der einzelnen Plastikpartikel. Die überwiegende Mehrheit der in
       der Luft gefundenen Partikel ist zwischen 10 und 50 Mikrometer groß.
       Besonders besorgniserregend sind die kleinsten Partikel, das sogenannte
       Nanoplastik, das potenziell in Zellen eindringen, die Blut-Hirn-Schranke
       überwinden und sich in Organen wie den Hoden, der Leber und dem Gehirn
       ablagern kann.
       
       Erste Untersuchungen an der menschlichen Lunge deuten darauf hin, dass
       [6][Mikroplastik in unseren Atemwegen zirkuliert], auch wenn die
       gesundheitlichen Auswirkungen noch unbekannt sind.
       
       Um die Mikroplastikbelastung zu bekämpfen, braucht es einen umfassenden
       Ansatz. Neben Maßnahmen im Verkehrssektor spielt auch die
       Abwasserbehandlung eine wichtige Rolle. Das [7][städtische
       Wasserunternehmen Hamburg Wasser] gibt an, dass moderne Kläranlagen mit
       drei Reinigungsstufen bis zu 99 Prozent des Mikroplastiks zurückhalten
       können. Dennoch können kleinste Partikel über den Ablauf der Kläranlage in
       die Elbe gelangen.
       
       Die Ergebnisse der Hamburger Studie machen deutlich, dass die Bekämpfung
       von Luftverschmutzung in Städten ein komplexes Unterfangen ist, das weit
       über die Regulierung von Abgasen hinausgeht. Um Mikroplastik in der
       Stadtluft tatsächlich langfristig zu reduzieren, braucht es eine
       Kombination von Maßnahmen in verschiedenen Bereichen wie Verkehr,
       Industrie, Abwasserbehandlung und Konsumverhalten.
       
       28 Nov 2024
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] /Zahl-des-Tages/!6032519
 (DIR) [2] https://www.sciencedirect.com/science/article/pii/S2590162124000716
 (DIR) [3] https://www.sciencedirect.com/science/article/pii/S2590162124000716
 (DIR) [4] https://www.oekotest.de/gesundheit-medikamente/Luftverschmutzung-Neue-Grenzwerte-fuer-Schadstoffe-in-der-EU-_14947_1.html
 (DIR) [5] /Mikroplastik-an-deutschen-Straenden/!6038931
 (DIR) [6] https://www.stern.de/panorama/wissen/studie--forscher-erstmals-mikroplastik-in-lungen-lebender-menschen-gefunden-31762358.html
 (DIR) [7] https://www.hamburgwasser.de/umwelt/wasserschutz/mikroplastik
       
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