# taz.de -- Drohende Kürzungen bei Sprachunterricht: Unternehmen fordern Geld für Integrationskurse
       
       > Weil es vorerst keinen Haushalt gibt, könnten Sprach- und
       > Orientierungskurse für Geflüchtete bald stillstehen. Über 500 Firmen
       > warnen nun vor den Folgen.
       
 (IMG) Bild: Sprache ist der Schlüssel für das Ankommen auf dem Arbeitsmarkt: Jobmesse für Geflüchtete im Ankunftszentrum Berlin-Tegel
       
       Berlin taz | Rund 500 Unternehmen – vom international bekannten Möbelhaus
       bis zur schwäbischen Mittelstandsbrauerei – rufen die deutsche Politik auf,
       Integrationskurse für Geflüchtete und andere Zugewanderte weiter zu
       finanzieren. Die Mittel dafür könnten nächstes Jahr um die Hälfte gekürzt
       werden, [1][weil es kein Haushaltsgesetz gibt], bis eine neue
       Bundesregierung im Amt ist. Das wäre mit „mit Blick auf die Wettbewerbs-
       und Zukunftsfähigkeit Deutschlands ein fatales Signal“, so die Unternehmen
       in ihrem Appell.
       
       Der offene Brief an die Mitglieder der Bundesregierung sowie des
       Haushaltsausschusses liegt der taz vor. Darin heißt es weiter, die Kurse
       seien wichtig, um Migrant*innen für den Arbeitsmarkt fit zu machen. Die
       Integrationskurse richten sich sowohl an Geflüchtete als auch an andere
       Zuwander*innen. Neben Orientierungswissen über die deutsche Gesellschaft
       werden dabei vor allem Sprachkenntnisse vermittelt.
       
       Nach dem Ende der Ampelkoalition greift nun die vorläufige
       Haushaltsführung, die den finanziellen Status quo sichert. Basis dafür
       könnte ein Entwurf für den Haushalt 2025 werden, den die Ampel vorgelegt,
       aber nicht mehr beschlossen hatte. Darin war für die Integrationskurse und
       Berufssprachkurse nur noch 500 Millionen Euro vorgesehen, statt wie bisher
       1,1 Milliarden. Im parlamentarischen Verfahren hätte sich die Summe noch
       einmal ändern können. Dazu kam es nun wegen des Endes der Koalition aber
       nicht.
       
       Durch die Kürzungen drohe ein kompletter Stillstand der Kurse, [2][warnen
       Trägerorganisationen wie etwa die Volkshochschulen.] Diese Gefahr sehen
       auch die Unternehmen. In ihrem Appell heißt es, um den Wohlstand in „einer
       wirtschaftlich herausfordernden Zeit zu sichern, benötigen wir
       qualifizierte und integrierte Fach- und Arbeitskräfte“. Das sei auch
       wichtig, um der zunehmenden Alterung der deutschen Gesellschaft zu
       begegnen. „Jeder Mensch, der arbeiten möchte, wird gebraucht.“ Es sei auch
       für den gesellschaftlichen Zusammenhalt dringend nötig, dass Zugewanderte
       schnell Deutsch lernen. Das sei der „Schlüssel für gesellschaftliche
       Teilhabe, Akzeptanz und Zugang zum Arbeitsmarkt.“
       
       Zu den Unternehmen, die unterzeichnet haben, gehört auch das Umweltlabor
       BVU Bioverfahrenstechnik und Umweltanalytik aus dem bayerischen Markt
       Rettenbach, das auf die Analyse von Boden, Abfall und Recyclingmaterialien
       spezialisiert ist. Sigrid Schindele leitet hier den Bereich Personal und
       Finanzen, das Unternehmen gehört ihr zusammen mit ihrem Mann und zwei ihrer
       Kinder. Neue Stellen zu besetzen, sei schwierig, sagt sie im Gespräch mit
       der taz: „Im Unterallgäu haben wir mit 2,3 Prozent die drittniedrigste
       Arbeitslosenquote in Deutschland.“
       
       ## Konkurrenz um rare Plätze in den Kursen
       
       Es gebe „nicht nur einen Fachkräfte-, sondern einen ganz generellen
       Arbeitskräftemangel“. BVU versuche deshalb, sowohl gezielt Fachkräfte aus
       dem Ausland anzuwerben, als auch Geflüchtete zu rekrutieren, die in dem
       Kreis untergebracht sind. Schindele schätzt, dass „gut die Hälfte“ ihrer
       rund 70 Mitarbeitenden nicht in Deutschland geboren ist.
       
       Die Geflüchteten könnten zwar dank Übersetzern auch eingelernt werden,
       solange sie noch kein Deutsch sprechen, sagt Schindele. Das sei aber sehr
       aufwändig und dauere lange. Plätze in den Integrationskursen, die Abhilfe
       schaffen sollen, seien schon jetzt so knapp, dass Schindele zusammen mit
       anderen engagierten Bürgern und Bürgerinnen selbst Deutschkurse anbiete.
       „Wir wollen den Menschen, die bei uns Schutz suchen, zumindest die Basis
       geben, sich zu verständigen und ihren Alltag zu bewältigen.“ Unterricht bei
       qualifizierten Lehrkräften könne dies aber nicht ersetzen.
       
       Schindele sagt deshalb: „Es braucht mehr Mittel, um diese Kurse auszuweiten
       und auch berufsspezifische Sprachförderung anzubieten.“ Nur so könne die
       Integration in den Arbeitsmarkt verbessert werden. Außerdem sei durch die
       knappen Plätze eine „unschöne Konkurrenz zwischen ukrainischen Geflüchteten
       und anderen Schutzsuchenden“ entstanden. „Mit der zusätzlichen Aufnahme
       ukrainischer Geflüchteter hätten dringend auch die Sprachlernangebote
       aufgestockt werden müssen.“
       
       ## Mehr Wege auf den Arbeitsmarkt
       
       Von ähnlichen Problemen wie BVU – allerdings in einer anderen Größenordnung
       – steht auch der deutsche Ableger des Möbelgiganten Ikea. Enita Ramaj, die
       dort in der Geschäftsführung sitzt, sagt der taz: „Als führendes
       Einzelhandelsunternehmen sind wir auf Einwanderung angewiesen, um den
       Herausforderungen des demografischen Wandels erfolgreich zu begegnen.“ Die
       Integrationskurse spielten dabei eine wichtige Rolle, es gehe um einen
       „guten und erfolgreichen Start ins Arbeitsleben“.
       
       Ramaj fordert neben der fortgesetzten Finanzierung der Integrationskurse
       auch weitere Lockerungen bei den Regeln für Geflüchtete. So spricht sie
       sich etwa für das Ende aller Arbeitsverbote aus, denen Geflüchtete
       überwiegend in den ersten Monaten ihres Aufenthalts in Deutschland
       unterliegen. Auch das von der Ampelkoalition beschlossene
       Chancenaufenthaltsrecht, das geduldeten Geflüchteten den Weg zu einer
       Aufenthaltserlaubnis ebnet, solle ausgeweitet werden, so Ramaj.
       
       Verschiedene Statistiken zeigen, dass es in Deutschland einen gravierenden
       Mangel insbesondere an Fachkräften gibt. Das Institut der deutschen
       Wirtschaft ermittelte zuletzt eine Lücke von über 500.000 Stellen, die
       regelmäßig nicht besetzt werden können. Das 2023 von der Ampelkoalition
       beschlossene Fachkräfteeinwanderungsgesetz zeigt inzwischen zwar erste
       Effekte, das Problem lösen kann es allein aber wohl nicht.
       
       Zwar lockerte die Ampel die Arbeitsverbote für Asylbewerber*innen
       leicht, gleichzeitig verschärfte sie aber die Regeln für Geflüchtete an
       anderen Stellen deutlich. Zuletzt drehte sich die öffentliche Debatte immer
       wieder um die vergleichsweise hohe Arbeitslosenquote [3][unter geflüchteten
       Ukrainer*innen] in Deutschland.
       
       20 Nov 2024
       
       ## LINKS
       
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       ## AUTOREN
       
 (DIR) Frederik Eikmanns
       
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