# taz.de -- Netflix-Serie „Arcane“: Wütende Frauen und unendlich viele Plots
       
       > Die zweite Staffel der animierten Netflix-Serie „Arcane“ glänzt mit
       > Vielfalt an Charakteren und großartigem Soundtrack. Die Fülle zwingt aber
       > zur Eile.
       
 (IMG) Bild: Die Protagonistin Vi aus „Arcane“
       
       Explosionen schockieren die Menschen in der fiktiven Stadt Piltover. Sie
       flüchten, Kinder weinen, Militärs setzen sich überfordert auf Treppen und
       erstarren. Das passiert, wenn im Steampunk-Szenario die Unterstadt Zhaun in
       den Krieg zieht. Wenn die Protagonistin Jinx und ihre Gefolgschaft
       entscheiden: Sie wollen den ganzen Haufen Mist, der sie seit Generationen
       unterjocht, brennen sehen. Zhaun will seine Unabhängigkeit. „Arcane“ ist
       eine Geschichte über [1][Klassenkampf], über gewaltsamen und gewaltfreien
       Widerstand, aber es ist noch viel mehr. „Arcane“ ist im besten Sinne: voll.
       
       Das war es auch schon in der ersten Staffel, die 2021 erschien und diverse
       Preise abräumte, unter anderem ganze neun Annie Awards, die höchste
       Auszeichnung in der Animationsbranche. Der Erfolg sowohl bei
       Expert*innen als auch bei Zuschauer*innen liegt nicht nur an der
       überragenden, an [2][Steampunk] angelehnten Optik, die klar das Game-Studio
       Riot Games als Produzentin erkennen lässt. Auch nicht nur daran, dass die
       Serie eine Auskopplung aus dem Universum des Games „League of Legends“ ist
       und damit eben viele Gamer*innen anzieht. Der Erfolg liegt vor allem an
       der Handlung.
       
       Die Waisen Vi und Jinx werden von einem Barbesitzer und Community-Anführer
       in der Unterstadt Zhaun aufgezogen. Die große Schwester begibt sich mit
       einer Bande anderer benachteiligter Jugendlicher auf eher harmlose
       Raubzüge, die kleine Jinx kommt mit – und vermasselt es.
       
       Sie stiehlt in der Oberstadt eine wichtige, umstrittene neue Energiequelle
       und löst dabei versehentlich eine Explosion aus. Und schon marschieren
       wieder Militärs in die Unterstadt ein. Es folgen: großartig animierte
       Gewalt, Machtspiele und Radikalisierungen. Für Jinx, das tollpatschige
       Explosionsgenie, steht am Ende der Verlust des Ziehvaters und der Absturz
       in den Wahnsinn. Für Vi, die mit Gewalt kompensiert, zu welcher emotionalen
       Arbeit sie in Familie und Gesellschaft verdammt ist, auch den Verlust der
       kleinen Schwester an ihre psychische Krankheit. Grob gesagt.
       
       ## Ein Schaubild über alle Handlungsstränge wäre hilfreich
       
       Denn die Zahl der ausgearbeiteten, tragenden Charaktere und
       Handlungsstränge ist so hoch, dass ein Schaubild fast nötig, sicherlich
       aber sinnvoll wäre. In zwei Folgen passiert hier so viel wie in einer
       ganzen Staffel [3][„Game of Thrones“]. Und genauso geht es dann auch in der
       zweiten Staffel weiter.
       
       In der Oberstadt herrscht der Terror von Jinx, die – wenn sie nicht gerade
       umgeben von Leichen Ratssitzungen halluziniert – Dinge sprengt. Die
       Regierung der Oberstadt wird zu großen Teilen ermordet und neue Mächte
       streben in dieses Vakuum. Auch Vi ist auf die schiefe Bahn geraten: Sie
       arbeitet nämlich jetzt in der Schutztruppe der Oberstadt, angeführt von
       ihrer Partnerin.
       
       Die möchte aus Rache in die Unterstadt eindringen. Parallel dazu entsteht
       in der Oberstadt eine neue Lebensform. Und oh: Irgendwo in den Tiefen der
       Unterstadt, in deren Belüftungssystem tödliche Gase auf ihre Freilassung
       lauern, wird an einem Monster gearbeitet.
       
       Diese Fülle ist eine außergewöhnliche Kraft. Aber sie zwingt die Serie zur
       Eile, raubt ihr und dem Publikum Zeit mit den Charakteren. Dafür gibt es
       einen großartigen Soundtrack, der nicht nur auf Rap zurückfällt, sondern
       auch mit großartig dreckigem, um sich schlagendem, weiblichem Metal
       überzeugt. Der unterstreicht noch mal mehr, wer hier die Handlung, die
       Entwicklung der Welt vorantreibt: wütende Frauen.
       
       20 Nov 2024
       
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