# taz.de -- Verzögerter Bau von neuen Gaskraftwerken: Energielobby stellt den Kohleausstieg 2030 infrage
       
       > Das Wirtschaftsministerium hat das Gesetz für neue Gaskraftwerke fertig,
       > die den Kohleausstieg absichern. Ob es in den Bundestag geht, ist unklar.
       
 (IMG) Bild: Haben hart für den Kohleausstieg gekämpft: Klimaaktivist:innen, hier im Dorf Weisweiler im Rheinischen Revier
       
       Berlin taz | Das grün geführte Bundeswirtschaftsministerium hat seine
       Hausaufgaben gemacht, aber womöglich zu spät für diese Legislaturperiode.
       Das Gesetz für den Bau neuer Gaskraftwerke steht. Es ist wichtig, weil es
       den Kohleausstieg flankieren soll. „Das BMWK hat einen Entwurf
       fertiggestellt“, sagte ein Sprecher des Bundeswirtschaftsministeriums
       (BMWK) der taz. In der verbliebenen Bundesregierung laufen nach seinen
       Angaben Beratungen dazu. Aber ob das „Kraftwerkssicherungsgesetz“ vor den
       Neuwahlen noch in den Bundestag eingebracht wird, ist unklar.
       
       Der Hintergrund: Auf Empfehlung der Kohlekommission mit Vertreter:innen
       aus vielen Bereichen von Wirtschaft und Gesellschaft hat die Große
       Koalition den Ausstieg aus der Kohleverstromung auf spätestens 2038
       festgelegt. Die Ampel-Regierung hat in ihrem Koalitionsvertrag das Ziel auf
       2030 vorgezogen. Für [1][das Rheinische Revier] ist das bereits
       eingeleitet, für das ostdeutsche Kohlegebiet nicht. Voraussetzung für den
       Kohleausstieg ist, dass genug andere Kapazitäten für die Stromproduktion
       vorhanden sind. Darüber [2][wacht die Bundesnetzagentur.]
       
       Mit [3][der sogenannten Kraftwerksstrategie] hat Bundeswirtschaftsminister
       Robert Habeck (Grüne) einen Plan für neue Gaskraftwerke vorgelegt, bei dem
       es unter anderem um das Absichern der Stromversorgung nach dem
       Kohleausstieg geht. Gaskraftwerke sind kurzfristig einsetzbar, etwa wenn
       bei einer Dunkelflaute wegen Sonnen- und Windmangels die erneuerbaren
       Energien kaum Strom liefern.
       
       Auch Gas ist klimaschädlich, deswegen soll es perspektivisch durch grünen
       Wasserstoff ersetzt werden – aus diesem Grund sollen die neuen Kraftwerke
       umrüstbar sein. Der Staat wird den Bau mit vielen Milliarden Euro fördern.
       Habecks Strategie hat bei Klimaschützer:innen und Ökonom:innen
       wegen der Fokussierung auf große Kraftwerke Kritik hervorgerufen, denn sie
       sehen billigere und klimafreundlichere Möglichkeiten für eine sichere
       Stromversorgung.
       
       Umgesetzt werden muss Habecks Plan mit dem Kraftwerkssicherungsgesetz, das
       ursprünglich noch in diesem Jahr verabschiedet werden sollte. „Dieses
       Gesetz ist wichtig für das Stromsystem und legt gleichzeitig das Fundament
       für einen funktionierenden Wasserstoffmarkt“, sagt der Sprecher des
       Bundeswirtschaftsministeriums. Vor allem wird damit die Modernisierung der
       Kraftwerke in Deutschland und die Entwicklung der Wasserstofftechnologie
       vorangetrieben.
       
       ## Appell der Energiewirtschaft
       
       Der Gesetzentwurf sieht Details für die Ausschreibungen der Kraftwerke vor,
       die bald beginnen sollen. Es ist allerdings unklar, ob Grüne und SPD den
       Entwurf in den Bundestag einbringen werden. Denn es ist unsicher, ob es
       eine Mehrheit dafür geben würde. Bevor das Gesetz nicht verabschiedet ist,
       können die Ausschreibungen für die Errichtung der Werke aber nicht
       beginnen. Das könnte zu erheblichen Verzögerungen führen.
       
       Immer wieder warnen deshalb Stimmen aus der Energiewirtschaft oder von
       Gewerkschaftsseite, dass durch die Verschiebung der Kohleausstieg gefährdet
       sei. „Ein Kohleausstieg im Jahr 2030 kann nur funktionieren, wenn bis dahin
       ausreichend Gaskraftwerke zugebaut werden“, sagt etwa Kerstin Andreae,
       Vorsitzende der Hauptgeschäftsführung des Bundesverbands der Energie- und
       Wasserwirtschaft (BDEW).
       
       Von der Ausschreibung bis zur Inbetriebnahme eines Kraftwerks vergehen
       Jahre. Aus Sicht des Energieverbandes muss mit dem Bau neuer Kraftwerke so
       bald wie möglich begonnen werden. „Wir appellieren deshalb an die Regierung
       und Fraktionen des Bundestags, sich so schnell wie möglich auf eine
       praxisnahe Ausgestaltung zu einigen, damit die notwendigen Investitionen in
       wasserstofffähige Kraftwerke erfolgen können“, sagt Andreae.
       
       In der Regierung wird das offenbar nicht so dramatisch gesehen. Der
       Kohleausstieg werde durch den Zubau neuer Kraftwerke zwar abgesichert,
       heißt es aus Regierungskreisen. Von einer Gefährdung des Kohleausstiegs
       wegen einer Verzögerung des Gesetzes gehen die Verantwortlichen aber nicht
       aus.
       
       ## Genug Kapazitäten
       
       Auch Karsten Smid, Energieexperte von Greenpeace, sieht diese Gefahr nicht.
       „Das ist Säbelrasseln der Energielobby“, sagt er. „Neue Gaskraftwerke sind
       nicht die entscheidende Größe für den Kohleausstieg.“ Die erneuerbaren
       Energien und Lösungen für das Speichern von Strom würden bis 2030 erheblich
       stärker ausgebaut als vielfach erwartet. Die Bundesregierung habe hier viel
       angestoßen. „Das muss weiter ausgebaut werden“, sagt er.
       
       Auch in Dunkelflauten ohne Sonnen- und Windenergie sei die Stromversorgung
       in Deutschland nicht von Gaskraftwerken abhängig, betont Smid. Es gebe
       genügend Reservekapazitäten. Außerdem sei der Energiemarkt europäisch
       vernetzt, sodass Strom bei Bedarf importiert werden könne.
       
       19 Nov 2024
       
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