# taz.de -- Gedenken an Mauerfall und Pogromnacht: Steine, die Geschichten erzählen
       
       > Eva von Schirach fragt für ihr Projekt „Mir fällt ein Stein vom Herzen“
       > danach, was Menschen mit den Steinen machen, die ihnen im Leben begegnet
       > sind.
       
 (IMG) Bild: Blick in die Pfingstkirche in Friedrichshain: Teil der Ausstellung „Mir fällt ein Stein vom Herzen“ von Eva von Schirach
       
       Berlin taz | Das Deutsche kennt viele Sprichwörter mit Steinen. Da ist
       etwas in Stein gemeißelt. Mensch schläft wie ein Stein, soll nicht den
       ersten Stein werfen – aber gerne den Stein ins Rollen bringen. Unsereins
       lässt keinen Stein auf den anderen oder dreht jeden Stein um. Es ist zum
       Steinerweichen.
       
       Na ja, und aus Steinen lassen sich prima Brücken bauen, aber auch Mauern –
       diese wiederum lassen sich flugs ein- und abreißen. Und Steine kann man
       schmeißen, leider, auf Menschen oder in Scheiben von Synagogen …
       „Steinfall“ heißt denn auch ein zweiteiliges Kunstprojekt zum 9. November,
       dem Tag, an dem sich die Novemberpogrome zum 86. Mal jähren und an dem vor
       nun 35 Jahren die Mauer fiel.
       
       Seit einiger Zeit läuft [1][die Ausstellung „Mir fällt ein Stein vom
       Herzen“] (noch so ein Sprichwort) in der Evangelischen Pfingstkirche in
       Friedrichshain. Die liegt am eher ruhigen Petersburger Platz neben einer
       Schule; ein Leuchtdiodenband lockt ins Innere der Kirche. Dort sind die
       Kirchbänke, die sonst in Reihe stehen, für die Dauer der Ausstellung
       auseinandergeschoben und schräg gestellt, um Platz für das Kunstprojekt zu
       schaffen.
       
       [2][Eva von Schirach] hat dafür mit 40 verschiedenen Menschen darüber
       gesprochen, was sie mit den Steinen machen, die ihnen im Leben begegnet
       sind. Das ist natürlich vor allem im übertragenen Sinn gemeint. Die
       Berichte, die mal knapp, mal etwas länger ausfallen, wurden von ein und dem
       selben männlichen Sprecher professionell eingesprochen, an verschiedenen
       Stationen lässt sich diesen lauschen. „Ich wollte nicht die Originalstimmen
       verwenden“, sagt Eva von Schirach der taz, „ich wollte das Ganze anonym und
       abstrakter halten.“
       
       ## Statements zum mit nach Hause nehmen
       
       Die Künstlerin hat auch Fotos gemacht, die mal die O-Ton-Geber:innen
       zeigen, natürlich verfremdet, oder nur Gegenstände – meist Steine, die in
       Händen gehalten werden. Es braucht etwas Zeit, um sich einzuhören und
       einzusehen; die Kirche bietet einen passenden Rahmen dazu. Die Statements
       rühren an. Und sie lassen sich mit nach Hause nehmen: Es gibt Karten mit
       den Fotos und den oft sehr tiefsinnigen Antworten auf die Frage der
       Künstlerin.
       
       Auf einer steht: „Nein, dieser Stein, der einem vom Herzen fällt, der hat
       keine Gestalt, sondern das ist ein Gefühl. Und es ist eher ein Druck und
       ein Schmerz. Etwas, was dann aufhört: eine Erleichterung. Das Gefühl,
       erleichtert zu sein, ist ein sehr schönes Gefühl. (…) Wäre ja schlimm, wenn
       der Stein immer auf dem Herzen bleiben würde.“
       
       Die Ausstellung soll weiter wachsen. Das Projekt ist nicht abgeschlossen.
       Wer mitmachen will, spricht die Künstlerin einfach an, die immer vor Ort
       ist, wenn die Ausstellung geöffnet ist. Und am Mittwoch war Eva von
       Schirach bei den Stadtteilmüttern in Moabit für Interviews und Fotos. „Was
       für ein Glück“, sagt von Schirach, das ist genau unser Thema, hätten ihr
       die Stadteilmütter gesagt und gerne mitgemacht. Und am liebsten würde sie
       ihr Kunstprojekt auf andere Bundesländer ausweiten – nach Brandenburg oder
       Thüringen zum Beispiel. Doch bräuchte es eine Förderung der Künstlerin.
       
       ## Am 9.11 wird „Stones“ aufgeführt
       
       Diese kunstbasierte Art der Erinnerung findet am 9. November ihren
       Abschluss, wenn „Stones“ in der Samariterkirche, ebenfalls in
       Friedrichshain gelegen, aufgeführt wird. Dabei handelt es sich um einen
       Klassiker der Neuen Musik: Christian Wolff, 1934 auf der Flucht vor den
       Nationalsozialisten in Nizza geboren, musste er mit seiner Familie 1940 in
       die USA emigrieren. Wolffs offene Partitur von 1968 endet mit dem Hinweis:
       „Do not break anything.“
       
       Nach der Aufführung von „Stones“ macht sich Pfarrerin Jasmin El-Manhy mit
       den Gästen der Aufführung auf einen Gedenkweg. Die Stolpersteine im
       Gemeindegebiet sind das Ziel. Konfirmand:innen werden über die
       Biografien ermordeter jüdischer Bürger:innen informieren.
       
       Ausstellung noch bis 8. November, Do.–Sa. 15–18 Uhr, Finissage am 8.
       November, 19–21 Uhr, Ev. Pfingstkirche, Petersburger Platz 5,
       Friedrichshain. „Stones“ – Aufführung und Gedenkweg am 9. November, 18 Uhr,
       Samariterkirche, Samariter Straße, Friedrichshain
       
       30 Oct 2024
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] https://www.mauerfall35.berlin/event/mir-faellt-ein-stein-vom-herzen/
 (DIR) [2] https://itsayorki.de/
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Andreas Hergeth
       
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