# taz.de -- Eine neue Partei muss her: Volle Kraft nach Westen!
       
       > Jetzt treten lauter Linke aus ihren Parteien aus. Aber wo wollen sie hin?
       > Ganz einfach: Es ist Zeit für BWD – Bündnis West-Deutschland!
       
 (IMG) Bild: Keine abstrakte Kunst, sondern schwimmender Kran am Rhein-Herne-Kanal, im Einsatz an einer maroden Autobahnbrücke im Januar 2024
       
       Bilder, auf denen menschliche Körper in Form von Kugeln oder Kästen
       dargestellt sind, oder Bilder, die aus bunten Farbspritzern bestehen, lösen
       in Menschen das Gefühl aus: Das kann ich auch.
       
       Die moderne, abstrakte Malerei eines Pablo Picasso oder das Action Painting
       eines Jackson Pollock lässt diese Selbsteinschätzung auch bei solchen
       Menschen entstehen, die höchstens in den Kästen von Kreuzworträtseln
       kreativ werden oder beim Telefonieren Zettel vollkritzeln.
       
       Eine Selbstüberschätzung ist es dennoch nicht. Gerade das Unbewusste dieser
       Nebenbeizeichnungen gilt in den Spielarten des Surrealismus oder des
       Expressionismus als Ausdruck tiefer Emotionen, als authentisches Abbild des
       Individuellen.
       
       Doch anstatt sich daran zu freuen, entsteht bei vielen Betrachter*innen
       das Gefühl der Ungerechtigkeit. Wieso werden Leute für etwas bezahlt, was
       nichts Besonderes ist, was jeder kann, was aber anders als das
       Supermarktregaleeinräumen oder das Mülltonnenleeren scheinbar nutzlos ist
       und trotzdem viel besser bezahlt?
       
       ## Die große Schwester des Ressentiments
       
       Es ist ja nicht ganz falsch und so wurde die Haltung „Kunst ist kacke“
       zwischendurch auch unter Kulturschaffenden trendy („Ist das Kunst oder kann
       das weg“). Daran, dass die Kunst bestaunt, die Supermarktkassiererin aber
       höchstens bemitleidet wird, hat sich dennoch nichts geändert.
       
       Sicher aber spielt in der Distanz gegenüber der abstrakten Kunst immer auch
       die Abwehr gegen das Verspielte, Zerstückelte, Komplizierte,
       Fragmentarische eine Rolle und ist mit dem Bedürfnis nach einfachen
       Antworten und klaren Weltbildern von Gut und Böse verbunden – Dingen, die
       in der Realität leider zu den seltenen Arten gehören.
       
       Die [1][Abneigung gegen die abstrakte Kunst] ist die große Schwester des
       Ressentiments gegen die „etablierte“ Politik: Versager, Hochstapler, Lügner
       – was die da machen, kann ich besser. Inszeniert als politischer Widerstand
       ist der Austritt aus Parteien oder Vereinen derzeit die ganz große Nummer,
       in Deutschland zurzeit unter [2][jugendlichen Grünen],
       [3][Linksparteipolitiker*innen] und anderen
       [4][Vereinsmitglieder*innen].
       
       Kurzfristig können die Ausgetretenen zwar ihre Mandate als Parteilose
       absitzen oder sich auf Bäume hocken und gegen Habeck stänkern. Aber schon
       mittelfristig brauchen sie eine neue Bühne. Und da gibt es momentan nur
       zwei Alternativen: Influencer*in auf TikTok werden oder eine neue
       Partei gründen.
       
       Im Rest Europas ist die Gründung neuer Listen und Parteien, auch von
       bisherigen Nichtpolitiker*innen seit etlichen Jahren normal. In
       Deutschland beginnt dieser Trend erst und wird oft als bedrohlich
       wahrgenommen.
       
       Warum eigentlich? Man kann doch nicht einerseits Picasso oder Kandinsky für
       Mut, Pionierhaftigkeit und Uneindeutigkeit feiern und gleichzeitig wollen,
       dass sich in der politischen Parteienlandschaft nichts ändert. Es riecht
       nach Gründerzeit und die sollte man nicht den Rechten überlassen.
       
       Ich hätte da einen Vorschlag: BWD – Bündnis West-Deutschland.
       
       Ernsthaft. Der Osten hat seine Bahnhöfe, Innenstädte und Umgehungsstraßen
       schön. Aber Leverkusen, Castrop-Rauxel, Rüsselsheim? Schulen, Brücken,
       Straßen, Schienen, Internet – Westdeutschland ist auf dem Weg, ein
       Schwellenland mit bröselnder Infrastruktur zu werden. (Nein, der
       [5][Einsturz der Carolabrücke] in Dresden belegt nicht, dass es auch im
       Osten schimmelt. Schuld an der Korrosion war Experten zufolge: [6][das
       Streusalz der DDR].)
       
       Es ist eine Frage der Zeit, wann der Westen, der bisher eher
       schulterzuckend die Beschwerde des Ostens zur Kenntnis nimmt, keinen Bock
       mehr hat. Politiker*innen und Aktivist*innen, die sich zurzeit
       heimatlos fühlen: Westdeutschland ist noch zu haben. Holt es euch, bevor es
       die AfD tut.
       
       26 Oct 2024
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] /Bauhauskritik-der-AfD/!6038993
 (DIR) [2] /Nach-Parteiaustritten-der-Gruenen-Jugend/!6035867
 (DIR) [3] /Linke-in-Berlin/!6044784
 (DIR) [4] https://www.berliner-zeitung.de/kultur-vergnuegen/debatte/behzad-karim-khani-warum-er-aus-dem-pen-berlin-ausgetreten-ist-li.2264659
 (DIR) [5] /Carolabruecke-in-Dresden-als-Symbolbild/!6032912
 (DIR) [6] https://www.spiegel.de/panorama/carolabruecke-in-dresden-korrosion-ist-wesentliche-ursache-fuer-einsturz-a-ef34a932-fa01-40ef-9ee7-0405de3f5ca8
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Doris Akrap
       
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