# taz.de -- Politik gegen Zigaretten und Vapes: Verbotsdebatte, bitte hier lang!
       
       > Die Diskussion über ein Rauchverbot ist wahrscheinlich fast so alt wie
       > Zigaretten selbst. Es braucht neue, mutige Verbotsdebatten: für E-Mails
       > etwa.
       
 (IMG) Bild: Fluch oder Segen: die „letzte“ Zigarette
       
       Ankündigungen, etwas verbieten zu wollen, sind ein beliebtes Drohmittel.
       Seit Jahrzehnten kündige ich meinem Kühlschrank und meinem Feuerzeugarsenal
       an, sie zu strikten Verbotszonen erklären zu wollen.
       
       Weder werde es künftig erlaubt sein, die Tür zu den kühlen Regalen zu
       öffnen und etwas anderes als Magerquark rauszuholen, noch da etwas
       reinzustellen, was auch nur in die Nähe von Schmelzkäseecken kommt.
       
       Meine Hausverwaltung stellte mir zur Unterstützung sogar einen neuen
       Gasherd bereit, der sich von selbst entzündet, sodass es für den Besitz von
       Feuerzeugen, die doch nur dazu verführen, eine Zigarette anzuzünden, keinen
       triftigen Grund mehr gibt.
       
       Nun hat die EU-Gesundheitskommissarin Stella Kyriakides diese Woche eine
       andere, jahrzehntelange Verbotsdebatte aus der Mottenkiste gekramt und den
       EU-Mitgliedsländern empfohlen, Zigaretten samt [1][elektronischen
       Varianten] zu verbieten – und zwar auch draußen.
       
       ## Angeblicher Kampf um die Volksgesundheit
       
       Der SPD- Gesundheitspolitiker Dirk Heidenblut begrüßte das und ließ wissen:
       „Niemand sollte unfreiwillig dem gesundheitsschädlichen Rauch von
       Zigaretten, E-Zigaretten und anderen Dampfprodukten ausgesetzt sein.
       Deshalb ist es sinnvoll, ein generelles Rauch- und Dampfverbot überall dort
       auszusprechen, wo sich Kinder, Jugendliche und auch erwachsene Nichtraucher
       und Nichtraucherinnen aufhalten müssen.“
       
       Die [2][Anklage an das Passivrauchen] ist so alt, man wird eines Tages
       wahrscheinlich auch Notizen von Adorno dazu finden. Für
       Politiker*innen ist sie die billigste Variante, um zu demonstrieren,
       dass man sich mutig, entschlossen und ohne faule Kompromisse in den Kampf
       um die Volksgesundheit wirft. Sie existiert auf europäischer Ebene übrigens
       schon seit mindestens über 20 Jahren.
       
       Dieser neuerliche „Vorstoß“ der EU ist auch nur wieder ein weiteres
       Beispiel für den in den letzten Jahren enorm im Trend liegenden Stil namens
       Symbolpolitik. Mittlerweile sind schon Menschen aus ihren Mietwohnungen
       geworfen worden, weil sie in ihnen geraucht haben und gerichtlich
       festgestellt wurde, dass sobald Rauchen objektiv als „wesentliche
       Beeinträchtigung Dritter“ zu werten ist, Nachbarn den Qualm nicht mehr
       tolerieren müssen.
       
       War die EU-Gesundheitskommissarin in den vergangenen Jahren schon mal auf
       einem Kinderspielplatz? Weiß sie, dass der Angriff der Eltern auf dort
       Rauchende ungefähr so kompromisslos ist wie der israelische auf die Hamas?
       
       ## Debatte von vorgestern
       
       Die Rauchverbotsankündigungsdebatte ist echt von vorgestern. Wenn schon
       Verbot, dann endlich mal mit Mut und Esprit zu was Neuem. Es liegt doch
       noch so viel Zeug rum, über das man eine Verbotsdebatte lostreten könnte.
       Zum Beispiel das Verbot der Anklage: „Du hast deine Mails nicht gelesen.“
       
       Es ist zu begrüßen, wenn Mails zu Litfaßsäulen werden. Man geht so lange an
       ihnen vorbei, bis man sich eines Tages fragt, wann eigentlich das [3][Lady
       Gaga] Konzert ist, zu dem man doch vielleicht gehen wollte. Dann guckt man
       auf die Litfaßsäule mit dem Konzertplakat, um zu erfahren, dass es grade
       gestern stattgefunden hat.
       
       „Niemand sollte unfreiwillig der gesundheitsschädlichen Anklage ‚Du hast
       deine Mails nicht gelesen‘ ausgesetzt sein.“ Deshalb ist es sinnvoll, ein
       generelles Anklageverbot an ungelesene Mails überall dort auszusprechen, wo
       sich Kinder, Jugendliche und auch erwachsene Nichtmaillesende aufhalten
       müssen.“
       
       Rauchen macht Krebs, impotent und fördert Amputation. Und die Mails? Machen
       [4][Burn-out], bestehen zu 90 Prozent aus Werbung und [5][Betrug] und
       sabotieren wissenschaftlich erwiesen die Zusammenarbeit. Die Rolle
       digitaler Kommunikationsmittel für den Aufstieg der Rechten ist bekannt.
       Sie schaden der Volksgesundheit mehr als jede Zigarette. Verbotsdebatte,
       bitte hier lang.
       
       5 Oct 2024
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] /E-Zigaretten-Fachmann-der-Behoerde-BfR/!5762483
 (DIR) [2] /EU-Kommission-fuer-qualmfreie-Zonen/!6034319
 (DIR) [3] /Neues-Album-Harlequin-von-Lady-Gaga/!6040296
 (DIR) [4] /Satire-Ratgeber-fuer-Gestresste/!6038735
 (DIR) [5] /Betrug-ueber-Spam-E-Mails/!5733803
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Doris Akrap
       
       ## TAGS
       
 (DIR) Kolumne Geraschel
 (DIR) Rauchverbot
 (DIR) Gesundheit
 (DIR) Verbot
 (DIR) Zigaretten
 (DIR) Tabak
 (DIR) Social-Auswahl
 (DIR) Kolumne Stadtgespräch
 (DIR) Rauchverbot
 (DIR) Zigaretten
 (DIR) Rauchen
 (DIR) Kolumne Geraschel
 (DIR) Rechtsruck
 (DIR) Rauchen
 (DIR) Tabak
 (DIR) Neuseeland
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
 (DIR) Rauchverbot an Frankreichs Stränden: Wo die Zigarette zur Lebensart gehört
       
       Frankreich hat vorige Woche die Zonen, in denen Rauchen verboten ist,
       deutlich ausgeweitet. Vor allem an Stränden sorgt das für Ärger.
       
 (DIR) Rauchverbot an Frankreichs Stränden: „Tabak muss weg, wo Kinder sind“
       
       ​Ab Sonntag gilt im Nachbarland ein Rauchverbot an vielen öffentlichen
       Orten. Tabaklobby und Raucher missbilligen das, viele Touristen dürfte es
       freuen.
       
 (DIR) Tabakkonsum: Die letzte Zigarette lieber heute als morgen rauchen
       
       Eine Studie aus Großbritannien untersucht den Einfluss vom Rauchen auf die
       Lebenserwartung. Und verbreitet Endzeitstimmung in der Zigarettenpause.
       
 (DIR) Rauchverbot in der Europäischen Union: Die EU qualmt weiter
       
       Das Europaparlament hat gegen neue Rauchverbote in den Mitgliedstaaten
       gestimmt. Die Abgeordneten lehnten damit eine Forderung der Kommission ab.
       
 (DIR) Eine neue Partei muss her: Volle Kraft nach Westen!
       
       Jetzt treten lauter Linke aus ihren Parteien aus. Aber wo wollen sie hin?
       Ganz einfach: Es ist Zeit für BWD – Bündnis West-Deutschland!
       
 (DIR) Rechter Zeitgeist: Rezeptur für Momentum dringend gesucht
       
       Die Gesellschaft driftet nach rechts. Unsere Kolumnistin macht sich dennoch
       Hoffnungen, dass der Trend umkehrbar ist.
       
 (DIR) EU-Kommission für qualmfreie Zonen: Warum Rauchen unsolidarisch ist
       
       Die EU-Kommission fordert mehr rauchfreie Bereiche – richtig so, findet
       unser Autor. Denn rauchen heißt vor allem, andere zu gefährden.
       
 (DIR) Tabakkonsum einschränken: Finger weg von meiner Kippe
       
       Der Drogenbeauftragte der Regierung will stärker gegen das Rauchen
       vorgehen. Und wo bleibt das Recht auf unvernünftige Entscheidungen?
       
 (DIR) Verkauf von Tabak in Neuseeland: Kiwiland bald kippenfrei
       
       Mit einem neuen Gesetz will das Land bis 2025 Tabak verbannen. Wer heute
       unter 14 Jahre alt ist, soll niemals legal Zigaretten kaufen können.