# taz.de -- Klimakrise bedroht Meere: Zu viel Co2 macht Ozeane sauer
       
       > Klimaschützer*innen warnen vor der fortschreitenden Versauerung der
       > Ozeane. Der pH-Wert der Meere beeinflusst die Artenvielfalt.
       
 (IMG) Bild: Schnecken, Muscheln oder Korallen brauchen Kalk im Wasser. Der wird durch die Versauerung gebunden
       
       Nicht nur verkleidete Hexen und Geister werden diese Woche wieder mit
       „Saurem“ drohen, wenn sie nichts „Süßes“ bekommen: Während Regierungen und
       Wissenschaftler*innen auf der 16. Artenschutzkonferenz im
       kolumbianischen Cali zusammenkommen, warnen Meeresforscher*innen vor
       einer „besonders vernachlässigten“ Bedrohung für die marine Biodiversität:
       der Versauerung der Meere.
       
       Denn die [1][menschengemachten CO₂-Emissionen] sind nicht nur schädlich
       fürs Klima: Gut ein Viertel landet nicht in der Atmosphäre, sondern wird
       von den Meeren aufgenommen. Damit sind die Ozeane wahre Klimaschützer. Doch
       das CO₂ reagiere mit dem Meerwasser zu Kohlensäure, „was den Säuregehalt
       des Ozeans kontinuierlich erhöht“, erklärt Sabine Mathesius,
       Erdsystemforscherin vom Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung (PIK).
       
       Mathesius ist Co-Autorin des kürzlich erschienenen [2][„planetaren
       Gesundheitschecks“] des PIK, nach welchem die Ozeanversauerung die siebte
       von neun planetaren Grenzen sei, die wohl bald überschritten werde. Der
       pH-Wert des Meerwassers ist laut dem Meeresforschungsinstitut Geomar seit
       der vorindustriellen Zeit von 8,2 auf 8,1 gesunken. Das klingt wenig – aber
       die pH-Skala ist logarithmisch, der Säuregehalt hat um etwa 30 Prozent
       zugenommen.
       
       Betroffen seien vor allem Organismen wie Schnecken, Muscheln oder Korallen,
       „da sie für den Aufbau ihrer Kalkschalen oder Kalkskelette Karbonat-Ionen
       benötigen, die durch die Versauerung gebunden werden und somit weniger
       verfügbar sind“, so die Erdsystemforscherin. Bei vulnerablen Spezies seien
       jetzt schon Schäden oder Beeinträchtigungen zu beobachten, „sodass nun
       untersucht wird, ob die planetare Grenze möglicherweise schon überschritten
       wurde“, fügt sie hinzu. Insbesondere in Kombination mit anderen vom
       Menschen verursachten Veränderungen wie der Erwärmung, Überfischung und
       Verschmutzung kann die Ozeanversauerung zu einem Verlust von Biodiversität
       führen.
       
       ## Mehr Forschung nötig
       
       „Trotz der großen Bedrohung für die marinen Ökosysteme haben nur 13 von 195
       Ländern nationale Aktionspläne gegen die Versauerung der Meere entwickelt“,
       kritisiert Steve Widdicombe, Meeresbiologe und wissenschaftlicher Direktor
       der britischen Meeresforschungsorganisation Plymouth Marine Laboratories,
       in einer Stellungnahme. Zwar wurde 2022 auf der 15. Artenschutzkonferenz in
       Montreal ein Abkommen mit 23 Zielen beschlossen, wovon eines die
       Minimierung der Effekte der Ozeanversauerung auf die marine Artenvielfalt
       umfasst – dennoch würde zu wenig getan, findet er.
       
       Ein Grund dafür sei, so Widdicombe, dass es noch keine ausreichenden
       wissenschaftlichen Belege über den kausalen Zusammenhang zwischen
       Ozeanversauerung und dem Verlust der Artenvielfalt gebe. Daher fordert er
       gemeinsam mit anderen Meeresexpert*innen, dass die Forschung zu dem Thema
       stärker gefördert wird.
       
       Auch Sabine Mathesius erhofft sich von der [3][Artenschutzkonferenz], dass
       konkretere Maßnahmen durchgesetzt werden. Das Pariser Klimaabkommen und die
       damit einhergehende Verminderung der Treibhausgase sei zwar auch im
       Hinblick auf die Ozeanversauerung hilfreich, zusätzlich bedürfe es jedoch
       auch Regulierungen der Landwirtschaft, da Überdüngung in Küstenregionen
       ebenfalls den CO₂-Gehalt im Wasser erhöhe. „Für beide Ursachen der
       Ozeanversauerung, CO₂-Emissionen und Überdüngung, kennen wir bereits
       Lösungen – eine schnelle Umsetzung dieser Lösungen könnte viele zukünftige
       Ökosystemschäden verhindern“, so Mathesius.
       
       28 Oct 2024
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] /Hiobsbotschaft-fuers-Klima/!6040258
 (DIR) [2] https://www.pik-potsdam.de/de/aktuelles/nachrichten/erster-planetarer-gesundheitscheck-erde-ueberschreitet-sichere-grenzen
 (DIR) [3] /UN-Artenschutzkonferenz-in-Kolumbien/!6038989
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Tabea Kirchner
       
       ## TAGS
       
 (DIR) Meere
 (DIR) Versauerung
 (DIR) Artenvielfalt
 (DIR) Schwerpunkt Klimawandel
 (DIR) Mittelmeer-Dossier
 (DIR) Schwerpunkt Klimawandel
 (DIR) Fischerei
 (DIR) Schwerpunkt Klimawandel
 (DIR) Biodiversität
 (DIR) Naturschutz
 (DIR) Artensterben
 (DIR) Nordsee
 (DIR) Schwerpunkt Klimawandel
 (DIR) Schwerpunkt Artenschutz
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
 (DIR) Klimafolgenforschung: Sieben von neun Öko-Limits gesprengt
       
       Die Menschheit reißt immer mehr planetare Grenzen, warnen Forscher*innen.
       Soziale Faktoren wie Ungleichheit verschärfen das Risiko.
       
 (DIR) Nachhaltige Fischerei fördern: Freifahrtschein für große Fang-Flotten
       
       Brot für die Welt kritisiert das Abkommen der Welthandelsorganisation zur
       Reduzierung schädlicher Fischereisubventionen.
       
 (DIR) Weniger Fische in der Ostsee: „Todeszonen“ ohne Sauerstoff
       
       Dem Dorsch wird's durch den Klimawandel zu stickig. Ein Studie des Kieler
       Geomar ergründet, wie der Sauerstoffmangel gelindert werden kann.
       
 (DIR) UN-Konferenz zur Biodiversität in Cali: Zu viel Gipfeltheater in Berlin
       
       Cali war der passende Ort, über die Rettung der Natur zu verhandeln – und
       doch zu weit weg. Die Ampel müsste begreifen, was das mit uns zu tun hat.
       
 (DIR) Weltnaturkonferenz in Cali: Aus der Umsetzungs- wird eine Arbeitskonferenz
       
       Bundesumweltministerin Lemke erwartet von der UN-Konferenz in Kolumbien
       keine großen Beschlüsse. Der WWF fordert mehr Kompromissbereitschaft.
       
 (DIR) Artensterben: Igel ist bedrohte Art
       
       Die Weltnaturschutzunion stuft die Tierart erstmals als „potenziell
       gefährdet“ ein. Und es gibt noch einen anderen Neuzugang auf der
       Negativliste.
       
 (DIR) Forschungsmission für Nord- und Ostsee: „Der Druck steigt“
       
       Die Mission „SustainMare“ der Deutschen Allianz Meeresforschung befasst
       sich mit der Zukunft von Nord- und Ostsee. Die sieht düster aus.
       
 (DIR) Erderhitzung in der Karibik: Ein Klima des Wandels
       
       Kann man mit lokalen Initiativen der globalen Klimakrise begegnen? Zu
       Besuch bei Bienenprojekten und Korallenkindergärten in Tobago und St.
       Lucia.
       
 (DIR) Meereskonferenzen in der Kritik: Schwere Zeiten für Korallen
       
       Den Ozeanen und ihren Bewohnern geht es schlecht. Aktuelle Konferenzen
       schaffen zwar Aufmerksamkeit – doch etwas fehlt.