# taz.de -- Trump-Film „The Apprentice“: Den letzten Rest Anstand ablegen
       
       > Der Film „The Apprentice“ von Ali Abbasi zeigt Donald Trumps Aufstieg in
       > den 70er Jahren, wunderbar gespielt. Die Gegenwart schwingt darin stets
       > mit.
       
 (IMG) Bild: Donald Trump (Sebastian Stan) in „The Apprentice“
       
       Wenn ein Film auf einem Festival vorgestellt wird und die Macher
       unmittelbar im Anschluss an die Premiere eine Unterlassungsaufforderung
       erhalten, ist das schon mal ein Erfolg. Dass dieser Film dessen ungeachtet
       jetzt in den Kinos anläuft, bestätigt den Erfolg weiter. Für den
       [1][Regisseur Ali Abbasi und seinen im Mai bei den Filmfestspielen von
       Cannes im Wettbewerb gezeigten Beitrag „The Apprentice“] konnte es kaum
       bessere Vorabreklame geben.
       
       Die Gegenseite in dieser Angelegenheit war der ehemalige US-Präsident und
       aktuelle Präsidentschaftskandidat Donald Trump, von dessen Anwälten Abbasi
       kontaktiert worden war. Denn „The Apprentice“ ist ein Film über den
       Aufstieg Trumps in den siebziger und achtziger Jahren und über seinen
       Mentor, den Anwalt Roy Cohn, dessen Hilfe der New Yorker Immobilienmakler
       Trump damals großzügig in Anspruch nahm.
       
       Der Film zeigt seine Hauptfigur realistisch und damit nicht besonders
       vorteilhaft. Man kann das als Intervention im Wahlkampf verstehen, selbst
       wenn der Film keinen nennenswerten Einfluss auf das Abstimmungsergebnis im
       November haben dürfte. Wahlkampfhilfe sieht jedenfalls anders aus.
       
       ## Viel Dreck zeigen
       
       Ali Abbasi reagierte seinerseits mit der Einladung an Trump, ihm den Film
       vorzuführen, in der Erwartung, er könnte ihm gefallen. Was bei den
       überwiegend negativen Aspekten, die „The Apprentice“ präsentiert,
       unwahrscheinlich ist. Andererseits inszeniert Abbasi seinen Film so
       unterhaltend, dass sehr kritische Zuschauer sogar versucht sein könnten, an
       dieser Herangehensweise etwas Apologetisches zu finden. Für den Film als
       Ganzes wäre es dennoch abwegig, zu einem solchen Fazit zu gelangen.
       
       Der im Iran geborene Regisseur Ali Abbasi hat sich bisher vorwiegend
       fantastischen Stoffen und Genrefilmen gewidmet. In [2][„Border“ (2018)]
       wählte er zwei Fabelwesen, um von Ausgrenzung in Schweden zu erzählen.
       [3][Sein Thriller „Holy Spider“, der 2022 ebenfalls in Cannes im Wettbewerb
       lief], handelte von einem fanatischen Frauenmörder in der iranischen Stadt
       Maschhad. Dazu inspiriert hatte ihn eine reale Mordserie, die drastischen
       Mittel, deren er sich bediente, rechtfertigte Abbasi damit, er wolle den
       „Dreck“ zeigen.
       
       Von da ist es bloß ein kleiner Schritt zu seinem jüngsten Film, denn auch
       „The Apprentice“ zeigt viel Dreck, wenngleich mit weniger expliziter
       Gewaltdarstellung. Es reicht, dass er Trump auf seinem Weg begleitet, wie
       er wird, was er ist. Zu Beginn sieht man den jungen Donald Trump Mitte der
       siebziger Jahre mit einer jungen Frau in der New Yorker Institution „Le
       Club“ sitzen, er spricht von den renommierten Stammgästen, ereifert sich
       über die Spitzen der Gesellschaft, die sich dort treffen.
       
       ## Ein windiger Rechtsanwalt als Helfer
       
       Mit einem dieser Gäste macht Trump bald Bekanntschaft. Es ist der Anwalt
       Roy Cohn, der ihn zu sich an den Tisch bittet. Sebastian Stan spielt Trump,
       wie er smart, zugleich aber etwas schüchtern auf seinen neuen
       Gesprächspartner zugeht. Das Mineralwasser, das er statt eines „echten“
       Drinks in der Hand hält, redet ihm Cohn sofort unmissverständlich aus. Er
       müsse sich an seine Trinkgewohnheiten anpassen, wenn er mit ihm zu tun
       haben wolle.
       
       Jeremy Strong spielt diesen gelinde gesagt windigen Advokaten mit einer
       Mischung aus Arroganz, stoischer Gleichgültigkeit und dieser typisch
       US-amerikanischen Hands-down-Mentalität: Was Cohn sagt, steht für ihn so
       selbstverständlich fest, dass eine andere Möglichkeit grundsätzlich
       ausgeschlossen ist. Die anderen müssen es halt einfach zur Kenntnis nehmen.
       
       Roy Cohn, der zu Beginn seiner Karriere unter anderem als Chefberater des
       Republikaners Joseph McCarthy gedient hatte, macht Trump gleich zu Beginn
       ihrer Geschäftsbeziehung mit seinen drei Grundregeln vertraut: „Erstens:
       Angreifen, angreifen, angreifen. Zweitens: Alles verneinen, nie etwas
       zugeben. Drittens: Niemals eine Niederlage eingestehen.“
       
       ## Konsequente Skrupellosigkeit
       
       Sebastian Stan lässt seinen Trump der konsequenten Skrupellosigkeit Cohns
       zunächst mit ungläubigem Staunen und gelegentlichen Zweifeln begegnen.
       Sobald er jedoch merkt, dass man mit diesem Ansatz die eigenen Ziele höchst
       effektiv verfolgen kann, eignet er sich die Vorgehensweise mehr und mehr
       an.
       
       Den Leiter der Finanzbehörde erpressen, wenn das familiäre
       Immobilienunternehmen kurz vor der Insolvenz steht? Warum nicht? Ein
       Bauvorhaben realisieren, indem man sich von der Stadt gleich eine komplette
       Steuerbefreiung gewähren lässt? Selbstverständlich, wo es einen doch so
       viel weniger kostet!
       
       Ganz allmählich vollzieht sich der Wandel vom noch unvollständigen Trump
       zum Trump, wie man ihn heute kennt. Diese Veränderung unterstreicht Abbasi
       mit einem schrittweisen Wechsel der Optik. Hat der Film anfangs noch eine
       gemütlich braunstichige 16-mm-Grobkörnigkeit, weicht diese nach und nach
       blasskalten Digitalbildern.
       
       ## Stillstehen ist nicht vorgesehen
       
       Sein Protagonist scheut irgendwann auch nicht mehr davor zurück, seine
       engsten Verbündeten fallenzulassen. Auf diesem Weg wird selbst Cohn
       schließlich zu Trump sarkastisch sagen: „Wie schön, dass du deinen letzten
       Rest Anstand verloren hast.“ Da hat dieser Trump schon seine Frau Ivana
       (Maria Bakalowa) vergewaltigt und seinen alkoholsüchtigen Bruder Fred
       (Charlie Carrick) seinem Schicksal überlassen.
       
       Inszeniert ist alles mit einer Kamera, die ruhelos durch Räume irrt,
       unvermittelt von einer Figur zur anderen schwenkt oder ruckartig an
       einzelne von ihnen heranzoomt, meistens die Hauptfigur. Stillstehen ist bei
       diesem Trump nicht vorgesehen.
       
       Die Filmmusik wiederum dient Abbasi wahlweise als Zeitkolorit, wenn er die
       Bilder New Yorks aus den Siebzigern mit Funk-Grooves unterlegt, oder aber
       er nutzt sie zur Verfremdung: Bei einer Party im Haus von Roy Cohn läuft
       als Soundtrack der monoton pulsierende Song „Ghost Rider“ des New Yorker
       No-Wave-Duos Suicide, während die Gäste tanzen und koksen. Dass diese Musik
       wirklich bei einer der exklusiven Feiern Cohns lief, mag man bezweifeln,
       als Kommentar passt die Textzeile „America, America is killing its youth“
       gleichwohl.
       
       ## Größenwahnsinnige Projekte Trumps
       
       Abbasi genügt die Konzentration auf die siebziger und achtziger Jahre, um
       den „ganzen“ Trump abzubilden. Das orange Gesicht mit breitem Lächeln
       arbeitet Sebastian Stan bei seinem Trump nach und nach heraus, und dessen
       unternehmerisches Profil, in dem größenwahnsinnige Projekte mit
       Zahlungsrückständen bei den Gläubigern Hand in Hand gehen, wird ebenso
       kenntlich wie seine späteren politischen Strategien. Angefangen mit Cohns
       dritter Grundregel: Niemals eine Niederlage eingestehen.
       
       Der Titel „The Apprentice“ ist besonders treffend ausgesucht, da er
       einerseits auf den „Lehrling“ Trump verweist, andererseits original von
       Trump geklaut ist, hatte der doch von 2004 bis 2017 eine
       Fernseh-Realityshow gleichen Namens. Wie Trump seinerseits beherzt bei
       anderen klaut, um die Sache dann als etwas Eigenes zu verkaufen. In einer
       Szene aus den frühen Achtzigern betrachtet er beiläufig einen Flyer des
       Präsidentschaftskandidaten Ronald Reagan. Der Slogan darauf: „Let’s make
       America great again“.
       
       11 Oct 2024
       
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