# taz.de -- EU-Kommission für qualmfreie Zonen: Warum Rauchen unsolidarisch ist
       
       > Die EU-Kommission fordert mehr rauchfreie Bereiche – richtig so, findet
       > unser Autor. Denn rauchen heißt vor allem, andere zu gefährden.
       
 (IMG) Bild: Zigaretten, die schwelenden Stäbe des Neoliberalismus
       
       „Wo soll man denn überhaupt noch rauchen?“, fragte eine Redakteurin
       aufgebracht, die nicht mal selbst Raucherin ist. Die Empörung war auf der
       Morgenkonferenz der taz groß, nachdem die Europäische Kommission am
       Dienstag mehr [1][rauchfreie Zonen] an öffentlichen Orten gefordert hatte.
       
       Einige schlugen vor, dass der rauchende Kollege, der sich per Zoom
       zugeschaltet hatte, einen Kommentar gegen das Vorhaben schreiben soll. Alle
       schienen sich einig zu sein: [2][Rauchen sei gleich Freiheit], eine
       gefährdete. Fast könnte man meinen, dass hier eine marginalisierte
       Minderheit noch weiter schikaniert und diskriminiert wird. Wird jemand
       bitte an die armen verfolgten Rauchenden denken?
       
       Doch der Vorstoß [3][der Kommission] ist zweifelsohne der richtige. Die
       Gründe liegen auf der Hand. „Jedes Jahr verlieren in der EU 700.000
       Menschen ihr Leben aufgrund von Tabakkonsum, darunter Zehntausende aufgrund
       von Passivrauchen“, so die scheidende Gesundheitskommissarin Stella
       Kyriakides in Straßburg.
       
       Zigaretten sind verantwortlich für jede vierte Krebserkrankung in Europa.
       Wir hätten die Pflicht, „unsere Bürger, insbesondere Kinder und
       Jugendliche, vor der Belastung durch schädlichen Rauch und Emissionen zu
       schützen“, sagte sie weiter.
       
       Die Europäische Kommission empfiehlt nun EU-Mitgliederstaaten,
       Nichtraucherzonen auf bestimmte Außenbereiche auszudehnen, an denen Kinder
       und Jugendliche besonders gefährdet sind – Schwimmbäder, Spielplätze,
       Bahnhöfe und Bushaltestellen. Auch E-Zigaretten, die gefährliche Aerosole
       produzieren können, sind davon betroffen.
       
       So sollen einerseits Menschen vor Passivrauchen geschützt werden,
       andererseits soll Tabakkonsum weiter entnormalisiert werden. Das Ziel: Bis
       2040 sollen weniger als 5 Prozent der Bevölkerung in der EU rauchen. Damit
       soll Krebs bekämpft werden und eine rauchfreie Generation entstehen. Gut
       so. Heute sind es noch 20 Prozent.
       
       ## Kranke Minderheit
       
       Raucher*innen sind tatsächlich eine Minderheit – eine gefährliche. Aber
       auch eine kranke. Dass ihre Sucht im linken Spektrum so oft verteidigt,
       verharmlost, ermöglicht wird, ist heuchlerisch. Rauchen ist zutiefst
       unsolidarisch, ja, unlinks. Auch andere zahlen dafür den Preis.
       
       Es ist eine individualistische Praxis, die das eigene Vergnügen über das
       kollektive Gemeinwohl stellt. Zigaretten sind schwelende Stäbe des
       Neoliberalismus, die von Deregulierung leben und „Big Tobacco“ noch reicher
       machen. Raucher*innen brauchen Hilfe, nicht Raucherzonen.
       
       Unter den Folgen leiden nicht nur Passivraucher*innen hierzulande.
       Neun der zehn größten Tabakanbauer sind Länder mit niedrigem und mittlerem
       Einkommen. Laut der Weltgesundheitsorganisation (WHO) werden weltweit 3,2
       Millionen Hektar fruchtbarer Flächen für Tabakanbau verwendet – was die
       Ernährungssicherheit in manchen Ländern gefährdet. Besonders in Kenia,
       Malawi und Sambia wird immer mehr Tabak angebaut. Das führt zu Abholzung,
       Wasserverschmutzung und Bodenverschlechterung.
       
       Die Ernte auf Tabakfeldern ist zudem gesundheitsschädlich: Jeden Tag können
       Arbeiter*innen so viel Nikotin wie in 50 Zigaretten aufnehmen,
       berichtet die WHO. Jede*r vierte von ihnen leidet an der sogenannten Green
       Tobacco Sickness – einer Nikotinvergiftung, die zu Übelkeit, Schwindel und
       Schwankung des Blutdrucks und der Herzfrequenz führen kann.
       
       Das Schicksal der Tabakarbeiter*innen scheint aber die rauchenden
       Linken nicht sonderlich zu stören. In alternativen Räumen gehört eine Kippe
       nach wie vor oft „einfach dazu“ – in Punkbars, Technokellern, Hausprojekten
       oder autonomen Zentren. Ist das ein vermeintlich rebellischer Akt, ein
       Symbol der Anarchie vielleicht? „Rauch kaputt, was euch kaputt macht.“
       Jedenfalls ein egoistischer.
       
       Inklusiv sind solche Räume nicht mehr – weder für Jugendliche und
       Schwangere noch für Menschen mit Gesundheitsbeschwerden. Die befreite
       Gesellschaft kann nur eine rauchfreie sein.
       
       18 Sep 2024
       
       ## LINKS
       
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       ## AUTOREN
       
 (DIR) Nicholas Potter
       
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