# taz.de -- Frankreichs neue Regierung steht: Konservative auf Schlüsselposten
       
       > Nach zähen Verhandlungen hat Premierminister Michel Barnier sein
       > Ministerkabinett gebildet. Es besteht aus Macronisten und Konservativen.
       
 (IMG) Bild: Französischer Premierminister in Krisenzeiten: Michel Barnier muss für Stabilität sorgen
       
       Paris taz | Am Samstagabend trat der Generalsekretär der Präsidentschaft,
       Alexis Kohler, in den Hof des Elysée-Palasts, um die Namen der 39 neuen
       Regierungsmitglieder zu verlesen. So will es das Protokoll und die
       Tradition der französischen Republik. Die meisten der so zu Ministern,
       delegierten Ministern oder Staatssekretären ernannten Personen sind der
       Öffentlichkeit weitgehend unbekannt. Nur Kulturministerin Rachida Dati und
       Verteidigungsminister Sébastien Lecornu haben ihr bisheriges ministerielles
       „Portefeuille“ behalten oder wurden wie Ex- Industrieministerin Agnès
       Pannier-Runacher, die jetzt für die Umwelt-, Klima- und Energiepolitik
       verantwortlich ist, mit einem anderen Job in der Regierung beauftragt.
       
       Echte Überraschungen [1][in Barniers „Casting“] sucht man vergebens: Die
       Hauptsache dürfte ohnehin sein, dass Frankreich endlich wieder eine
       Regierung hat. Zur Erinnerung: Präsident Emmanuel Macron hatte sieben
       Wochen gebraucht, um einen Premierminister zu finden. Michel Barnier
       benötigte dann weitere zwei Wochen, um das Kabinett zusammenzustellen.
       
       Sein Kabinett repräsentiert eine Mitte-Rechts-Koalition von Macronisten mit
       der konservativen Partei Les Républicains (LR) und den Zentristen (UDI),
       die bisher in der Opposition waren, aber mehrfach Regierungsvorlagen wie
       die Rentenreform oder Reformen der Immigrationsgesetze unterstützt hatten.
       LR ist auch Barniers Partei, und sie hatte Ansprüche auf Schlüsselposten
       geltend gemacht. Der frühere Senator Bruno Retailleau, der zum rechten
       Parteiflügel gezählt wird, ist neuer Innenminister, seine Parteikollegin
       Annie Genevard Landwirtschaftsministerin.
       
       Andere wie Kulturministerin Dati, Verteidigungsminister Lecornu oder die
       für Dezentralisierung und die Gebietsverwaltung zuständige Catherine
       Vautrin sind erst vor kurzem aus den LR ausgetreten, um sich Macron
       anzuschließen. Barnier hat für LR und UDI zudem weitere Posten reserviert.
       Beide zusammen haben in der Nationalversammlung nur 66 von 577
       Abgeordnetensitzen, während die drei Flügel der Macronisten – Ensemble pour
       la République, Horizons und MoDem – über 166 Mandate verfügen. Die
       Konservativen sind somit im Ministerkabinett etwas mehr vertreten. Das war
       wohl der Preis für die Bildung dieser Koalition mit Teilen der rechten
       Opposition.
       
       ## Politisch rückt Frankreich nach rechts
       
       Aus den drei macronistischen Parteien rücken jüngere Leute nach: So zum
       Beispiel der erst 33-jährige Wirtschaftsminister Antoine Armand oder
       Außenminister Jean-Noël Barrot (41). Nach den Wahlen, die keine klare
       Mehrheit in der Nationalversammlung hervorgebracht hatte, hatte Macron
       erklärt, er habe verstanden, dass die Wähler einen „Wechsel“ wünschten.
       Ausgewechselt hat er nun aber nur Personal. Politisch rutscht seine
       Regierung mit dem [2][starken Gewicht der Konservativen nochmals deutlich
       nach rechts.]
       
       Als starker Block in der Nationalversammlung, erhob die linke Wahlunion des
       Nouveau Front Populaire (NFP) aus Sozialisten, Grünen, Kommunisten und La
       France insoumise den Anspruch, Frankreich zu regieren. Traditionell hätte
       der Staatschef jeweils einem Vertreter der stärksten Fraktion oder Allianz
       den Auftrag zur Regierungsbildung erteilt. Aber auch die NFP hätte mit 193
       Stimmen in der Nationalversammlung alleine keine Mehrheit. Die von der
       vereinten Linken vorgeschlagene Kandidatin Lucie Castets wurde als
       potenzielle Premierministerin kategorisch abgelehnt. Seither protestiert
       die NFP, man habe ihr den Wahlsieg gestohlen.
       
       Eigentlich wünschte sich Präsident Macron nach den von ihm angeordneten
       vorzeitigen Parlamentswahlen eine „breite nationale Einheit“ – unter
       Ausschluss der Extreme. Seine Vorstellung: Eine Koalition seiner eigenen
       Parteien mit den Konservativen, aber auch mit einem Teil der Linken, den
       Sozialisten und womöglich den Grünen. Es blieb bei der Wunschkonstellation.
       Die einzige Person, die Barnier in linken Kreisen anwerben konnte, ist der
       neue Justizminister Didier Migaud, der ehemalige Vorsitzende des Obersten
       Rechnungshofs und Leiter der Aufsichtsbehörde für Transparenz in der
       Politik. Er war zudem Abgeordneter der Parti Socialiste, hatte sich aber
       2010 von der Parteipolitik verabschiedet.
       
       ## Nur geringe Erfolgsaussichten
       
       Die Erfolgsaussichten der jetzigen Regierung, die sich auf eine schwache
       relative „Mehrheit“ von etwa 230 Stimmen stützen kann, sind eher gering.
       Bei jedem wichtigen Votum und vor allem bei einer Vertrauensabstimmung ist
       sie von der Enthaltung der Rechtspopulisten der extremen Rechten abhängig.
       Das Rassemblement National (RN) unter Marine Le Pen hatte angekündigt,
       Barnier unter Bedingungen eine Chance geben zu wollen. Ein entscheidender
       Termin ist seine Regierungserklärung am 1. Oktober.
       
       [3][RN-Parteichef Jordan Bardella] kündigte aber bereits an, dieser
       Regierung „keine Zukunft“ zu geben. Wortgleich äußerte sich der linke
       Populist Jean-Luc Mélenchon von La France insoumise. Auch die Sozialisten
       haben angekündigt, sie würden bei einer Abstimmung über einen
       Misstrauensantrag gegen die Regierung votieren. „Diese reaktionäre
       Regierung ist eine Beleidigung für die Demokratie“, kritisierte PS-Chef
       Olivier Faure. Die Vorsitzende der Grünen, Marine Tondelier, zeigte sich
       empört über die neue Umweltministerin. Ihre Partei verweist darauf, dass
       nach den Wahlen die Linken und nicht die konservativen Rechten, Anspruch
       hätten das Land zu regieren. Noch vor der Bekanntgabe der
       Regierungszusammensetzung hatten in rund 50 Städten tausende Menschen gegen
       Macron und Barnier demonstriert.
       
       22 Sep 2024
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] /Regierung-in-Frankreich/!6037886
 (DIR) [2] /Frankreichs-neuer-Premierminister/!6032279
 (DIR) [3] /Politisches-Patt-in-Paris/!6028065
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Rudolf Balmer
       
       ## TAGS
       
 (DIR) Michel Barnier
 (DIR) Schwerpunkt Emmanuel Macron
 (DIR) Schwerpunkt Frankreich
 (DIR) Marine Le Pen
 (DIR) Michel Barnier
 (DIR) Michel Barnier
 (DIR) Michel Barnier
 (DIR) Michel Barnier
 (DIR) Michel Barnier
 (DIR) Michel Barnier
 (DIR) Schwerpunkt Frankreich
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
 (DIR) Frankreichs Premier legt los: Gelungener erster Aufschlag
       
       Regierungschefs in Frankreich sehen oft ziemlich schnell alt aus. Dem neuen
       Premierminister Michel Barnier gelingt sein Debüt besser als erwartet.
       
 (DIR) Nationalversammlung in Frankreich: Barnier hält Antrittsrede
       
       Frankreichs Regierungschef verordnet dem Land einen Sparkurs. Er ist mit
       einer „extrem schlechten“ Finanzlage konfrontiert, die kaum Spielraum
       lässt.
       
 (DIR) Regierung in Frankreich: Feilschen bis zum Schluss
       
       Die Mitte-Rechts-Koalition aus Macronisten und Konservativen unter Michel
       Barnier steht. Das Ergebnis soll „vor Sonntag“ bekannt gegeben werden.
       
 (DIR) Demos in Frankreich: Auf die Straße gegen Michel Barnier
       
       Mehr als 100.000 Menschen protestieren gegen die Ernennung des neuen
       Regierungschefs. Der Konservative möchte in sein Kabinett auch Linke
       einbinden.
       
 (DIR) Frankreichs neuer Premierminister: Proteste gegen Michel Barnier
       
       Der Konservative soll in der Nationalversammlung eine Mehrheit finden. Auf
       den Straßen französischer Städte finden am Samstag Demos gegen seine
       Ernennung statt.
       
 (DIR) Frankreichs neuer Premierminister: Alles, was rechts ist
       
       Mit dem konservativen Michel Barnier brüskiert Macron Frankreichs Linke.
       Nicht überraschend, wenn die mit Le Pen votieren, um ihn zu Fall zu
       bringen.
       
 (DIR) Barnier wird Frankreichs Regierungschef: Aushilfspremier von Le Pens Gnaden
       
       Frankreich hat mit Michel Barnier einen Premier – endlich, könnte man
       sagen. Wenn er nicht von Le Pen abhängig wäre.