# taz.de -- Regierung in Frankreich: Feilschen bis zum Schluss
       
       > Die Mitte-Rechts-Koalition aus Macronisten und Konservativen unter Michel
       > Barnier steht. Das Ergebnis soll „vor Sonntag“ bekannt gegeben werden.
       
 (IMG) Bild: Der designierte Premierminister Michel Barnier mit Staatspräsident Emmanuel Macron (Archivfoto 2020)
       
       Paris taz | Die Geduld der Franzosen wird noch einmal strapaziert. Am
       Donnerstag sollte es so weit sein: [1][Der designierte Premierminister
       Michel Barnier] ging am frühen Abend zu Staatspräsident Emmanuel Macron, um
       ihm seine Liste der zukünftigen Regierungsmitglieder zu unterbreiten. Doch
       anders als erwartet, wurde die Zusammensetzung nicht sofort offiziell
       bestätigt. Barnier bittet erneut um Nachsicht bei der wartenden Nation.
       
       Aufgrund von Indiskretionen zirkulieren längst die Namen mehrerer Politiker
       aus den Parteien [2][der Mitte-Rechts-Koalition], die in diesem Kabinett
       eine wichtige Rolle spielen sollen. Andere wiederum verkünden öffentlich,
       dass sie leer ausgegangen seien oder von sich aus einen angebotenen Posten
       abgelehnt hätten. So sagte LR-Sprecher Laurent Wauquiez, er habe auf das
       Wirtschafts- und Finanzministerium verzichtet.
       
       Vom linken Flügel der Macronisten dagegen wurde bereits protestiert,
       Barnier wolle offenbar auch „ultrakonservativen“ Parteikollegen, die
       namentlich gegen die Homo-Ehe demonstrierten Posten zuschanzen. Damit aber
       rutsche die Koalition zu weit nach rechts. Laut dem Sender BFMTV habe auch
       Macron aus diesem Grund ein Veto gegen die von Barnier vorgeschlagene
       Nominierung einer derart reaktionär engagierten Konservativen als
       Familienministerin eingelegt.
       
       Am Freitag hatten sich die Macronisten – Ensemble pour la République (EPR),
       Horizons (H), Les Démocrates (MoDem) – mit den Konservativen der Partei Les
       Républicains (LR), der auch Barnier angehört, auf eine Koalition und die
       jeweilige Zahl der Ministerien geeinigt. Insgesamt soll die kommende
       Regierung 38 Mitglieder (Minister, beigeordnete Minister und
       Staatssekretäre) zählen.
       
       ## Liste zurückgewiesen
       
       Von den wichtigsten Ministerien sollen sieben an EPR gehen, zwei an das
       MoDem, eins an H (der Partei des ehemaligen Premiers Edouard Philippe),
       drei an LR, eins an einen Zentristen, eins an die Gruppe „diverse Rechte“
       und eins an einen „diversen Linken“. Die Namen und die Zuteilung der
       ministeriellen „Portefeuilles“ aber blieb geheim.
       
       Dass die Zusammensetzung immer noch nicht definitiv und offiziell ist, kann
       mehrere Gründe haben. Womöglich hat Barniers Vorschlag dem Präsidenten
       nicht gefallen, er hatte in der Woche bereits zwei Mal eine vorgelegte
       Liste zurückgewiesen! Oder die zuständige Aufsichtsbehörde braucht noch
       Zeit mit ihrer Überprüfung der „reinen Weste“ der Anwärter auf einen
       Ministerposten. Nicht ganz auszuschließen ist es auch, dass Macron, in der
       Hoffnung, so eine positive Erwartung in der Bevölkerung zu schaffen, weiter
       auf Zeit spielen will.
       
       In Wirklichkeit wird die Geduldsprobe langsam peinlich und erweckt den
       Eindruck, dass die personellen Fragen und die damit verbundenen Ansprüche
       der Parteien unlösbare Probleme darstellen. In einigen genervten
       Kommentaren ist von einem „Dilettantismus“ der Staatsführung die Rede.
       
       Auch im europäischen Ausland wird mit einem gewissen Unbehagen verfolgt,
       wie sehr Macron sich abmüht, nach der Niederlage bei den vorzeitigen
       Parlamentswahlen eine Regierung aufzustellen, die eventuell mehrheitsfähig
       wäre. Es ist eine schier unmögliche Aufgabe, denn die jetzt gebildete
       Mitte-Rechts-Koalition kann sich in der Nationalversammlung bestenfalls auf
       233 von 577 Sitzen stützen.
       
       ## Ambitionen mäßigen
       
       Ein Streitpunkt schien vor allem das Gewicht von Barniers Partei LR in der
       Regierung zu sein. Die von Ex-Premier Gabriel Attal angeführten Macronisten
       wiesen darauf hin, dass LR zusammen mit den alliierten Zentristen der UDI
       nur gerade über 66 Abgeordnetensitze in der Nationalversammlung verfügt und
       deshalb ihre Ambitionen etwas mäßigen müsste. Denn sie habe ja schon den
       Posten des Regierungschefs bekommen.
       
       Unklar war am Freitagmorgen weiterhin, ob es unabhängige Persönlichkeiten
       in Barniers Kabinett haben wird und um wen es sich beim mehrfach erwähnten
       „diversen Linken“ handeln könnte. Sämtliche Parteien der linken Wahlunion
       Nouveau Front Populaire und ihre wichtigsten Exponenten hatten dagegen jede
       offizielle oder punktuelle Regierungszusammenarbeit ausgeschlossen.
       
       Trotzdem gab es Spekulationen über die mögliche Nominierung von linken
       „Has-been“-Politikern mit Regierungserfahrung wie Arnaud Montebourg oder
       Ségolène Royal. Dessen ungeachtet will die NFP die kommende Regierung
       ohnehin bei der erstbesten Gelegenheit bei einer Vertrauensabstimmung zu
       Fall bringen.
       
       Die 126 Rechtspopulisten des Rassemblement National von Marine Le Pen
       bleiben in der Nationalversammlung in der Opposition, sie wollen jedoch
       Barnier und seine Regierung vorerst unter gewissen Bedingungen gewähren
       lassen.
       
       ## Dorn im Auge
       
       Zu den von Le Pen genannten Bedingungen gehörte, dass gewisse Macronisten
       wie Ex-Justizminister Eric Dupond-Moretti oder der Konservative Xavier
       Bertrand, der ihnen als Gegner speziell ein Dorn im Auge sein soll, nicht
       in der neuen Regierung sitzen. Aufgrund dieser expliziten Kriterien des RN
       hängt die neue Regierung nach Ansicht der Linken von der Gnade der
       Rechtspopulisten ab.
       
       Insgesamt war das Feilschen um die Posten in der neuen Regierung vom Anfang
       bis zum jetzt absehbaren Endergebnis eine mühselige Angelegenheit. Der
       Präsident hat sieben Wochen gebraucht, um einen Premierminister zu
       ernennen. Letzterer hatte zwei Wochen danach immer noch keine präsentable
       Liste der Regierungsmitglieder. Schon im voraus musste Barnier ankündigen,
       das die Parlamentsdebatte über den Staatshaushalt 2025 (zum 1. Mal in der
       Nachkriegsgeschichte!) um mindestens eine Woche verschoben werden muss.
       
       20 Sep 2024
       
       ## LINKS
       
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       ## AUTOREN
       
 (DIR) Rudolf Balmer
       
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