# taz.de -- Kurdischer Journalist über Pressearbeit: „Der Türkei ein Dorn im Auge“
       
       > Der kurdische Journalist Rêbîn Bekir spricht über Angriffe auf kritische
       > Reporter:innen im Nordirak. Er selbst überlebte nur knapp einen
       > Anschlag.
       
 (IMG) Bild: Eine Störaktion in der ARD-Sendung „Caren Miosga“ Mitte September
       
       taz: Herr Bekir, am 23. August sind Sie und Ihre beiden Kolleginnen
       Gulistan Tara und Hêro Bahadîn im Nordirak zum Ziel eines Luftangriffes
       geworden. Können Sie schildern, was passiert ist? 
       
       Rêbîn Bekir: Wir waren an diesem Freitagmorgen gerade mit unserem Team von
       Chatr Multimedia Productions, einer im irakisch-kurdischen Sulaimaniyya
       beheimateten Produktionsfirma, auf dem Weg in die 80 bis 90 Kilometer
       entfernten Orte Biyara und Ahmed Awa. Die Region heißt Hawraman und hat
       neben der besonderen Kultur der lokalen Bevölkerung auch wirklich grandiose
       Ausblicke. Wir hatten geplant, einen Dokumentarfilm über die Region und vor
       allem das Leben der nomadischen Bevölkerung zu drehen. Da schlug eine
       Rakete in unser Fahrzeug ein. Unser Fahrzeug ging in Flammen auf und meine
       beiden Kolleginnen verstarben an Ort und Stelle.
       
       taz: Haben Sie damit gerechnet, dass Ihnen so ein Angriff widerfahren
       könnte? 
       
       Bekir: Nein, auf gar keinen Fall. Wir waren glücklich, haben gescherzt und
       noch kurz zuvor an einem Restaurant gehalten, um gemeinsam zu essen. Wir
       haben so etwas in keinster Art und Weise erwartet. Schließlich sind wir
       keine Militanten, sondern verdienen als Journalisten unser Geld. Natürlich
       berichten wir über [1][die Auswirkungen der türkischen Kriegsführung] auf
       die Zivilbevölkerung und mögliche Kriegsverbrechen. Das ist der Türkei ein
       Dorn im Auge.
       
       taz: Hat die Türkei sich zu Ihrem Fall geäußert? 
       
       Bekir: Tatsächlich hat das türkische Verteidigungsministerium zuerst
       abgestritten, verantwortlich zu sein, doch nach internationalem Druck haben
       sie kurzerhand öffentlich erklärt, dass es sich bei uns allen um
       PKK-Mitglieder gehandelt hätte. Die Behauptung, dass sich in unserem
       Fahrzeug „hochrangige PKK-Kommandanten“ befunden hätten, ist völlig aus der
       Luft gegriffen. Das hat auch Qubat Talabani, der stellvertretende
       Premierminister der teilautonomen Region Kurdistan im Irak (KRI),
       öffentlich bestätigt. Er hat klargestellt, dass wir lediglich Journalisten
       waren, die ihrer Arbeit nachgingen.
       
       taz: Warum gehen Sie von einem gezielten Schlag aus? 
       
       Bekir: Der Angriff auf unser Team war leider kein Einzelfall. Nicht nur,
       dass immer wieder Zivilisten bei türkischen Luftschlägen zu Schaden kommen,
       auch Journalisten und Medienschaffende geraten immer wieder ins Fadenkreuz.
       So wurde erst am 8. Juli ein Fahrzeug des jesidischen Fernsehkanals Çira TV
       im Şengal Gebirge von der türkischen Luftwaffe bombardiert. Durch den
       Angriff kam ein Kollege ums Leben. Die meisten der Angriffe finden in den
       nördlichen Provinzen Sidekan und Dohuk statt und treffen meistens Anwohner.
       
       taz: Ihrer Firma wurde eine Verbindung zur [2][PKK] vorgeworfen, da manche
       Beiträge auf Fernsehkanälen ausgestrahlt wurden, welche den Kampf der PKK
       offen unterstützen. Was sagen Sie zu den Vorwürfen? 
       
       Bekir: Wir produzieren vor allem Dokumentarfilme. Über Kultur,
       traditionelle kurdische Bräuche, aber auch Fragen der Wirtschaft. Als
       Produktionsfirma verkaufen wir an verschiedene Kunden und unter diesen
       befinden sich auch die beiden Kanäle Sterk TV und Aryen TV, welche Sie
       wahrscheinlich meinen. Aber dass wir unsere Produkte an einen Kanal
       verkaufen, heißt nicht, dass wir alle Inhalte auf dem Kanal unterstützen
       oder gar dem Kanal angehören. Jeder kann bei uns Arbeiten in Auftrag geben.
       
       taz: Wie ist die aktuelle Situation an der nördlichen Grenze des Irak? 
       
       Bekir: Die Situation ist schrecklich. Die türkische Armee dringt in die
       kurdischen Dörfer ein und errichtet Kontrollposten. Manche Dörfer werden
       vollständig geräumt und die Bewohner werden daran gehindert, ihre Feld- und
       Weideflächen zu betreten. [3][Unter dem Deckmantel der
       Terrorismusbekämpfung] rückt die Türkei dabei in Gebiete vor, in welchen es
       überhaupt keine Guerillakämpfer und PKK-Stellungen gibt. Es geht ihnen
       nicht um die PKK. Was hier stattfindet, ist eine Besatzungsoperation. Gibt
       es PKK-Stellungen etwa in Libyen, in Somalia, in den besetzen Gebieten
       Nord- und Ostsyriens? Und doch ist die türkische Armee vor Ort. Der
       türkischen Führung um Präsident Erdoğan geht es in erster Linie darum,
       ihren neo-osmanischen Traum zu verwirklichen.
       
       taz: [4][Reporter ohne Grenzen] warnte in einem Bericht kürzlich vor der
       steigenden Gewalt gegen Medienschaffende in der Autonomen Region Kurdistan.
       Wie steht es im Allgemeinen um die Pressefreiheit in der KRI? 
       
       Bekir: Die Sicherheitskräfte der Demokratischen Partei Kurdistans (KDP),
       die Asayish, gehen sehr harsch mit Journalisten um. Viele Kollegen sind
       deshalb mittlerweile nach Sulaimaniyya ausgewandert, wo die rivalisierende
       Patriotische Union Kurdistans regiert. Die in Erbil regierende KDP dagegen
       unterhält sehr enge ökonomische Beziehungen mit der Türkei und hilft der
       türkischen Armee bei ihrem Vorgehen gegen die PKK. Berichterstattung oder
       gar öffentliche Kritik haben sie nicht gerne. So wurde kürzlich der Kollege
       Suleiman Ahmed zu drei Jahren Haft wegen angeblicher Spionage verurteilt.
       Suleiman Ahmed hat viele Berichte über die Korruption und den
       Machtmissbrauch der Regierung veröffentlicht. Er wurde verhaftet und war
       monatelang spurlos verschwunden. Für Monate hatte er keinen Zugang zu
       anwaltlichem Beistand, während sie das Gerichtsverfahren für ihn
       vorbereiteten.
       
       taz: Haben solche Fälle System? 
       
       Bekir: Erst vor wenigen Tagen hat das Metro Center für den Schutz von
       Journalisten einen Bericht über das Verschwinden von Imad Bajalan
       veröffentlicht. Seit einem Monat gibt es keine Informationen über seinen
       Verbleib. Er verschwand, nachdem er einen kritischen Bericht veröffentlicht
       hat. Die Familie sagt, er sei von Sicherheitskräften entführt worden, doch
       die Polizei streitet ab, ihn überhaupt zu kennen. Das ist hier gängige
       Praxis. Wenn Sie Ihre Stimme gegen die Regierung erheben oder auch die
       Besatzungspolitik der Türkei offen kritisieren, können Sie sich darauf
       einstellen, früher oder später mit einer konstruierten Anklage konfrontiert
       zu sein. Sie wollen nicht, dass die Öffentlichkeit etwas davon erfährt.
       Aber als Journalisten ist es unsere Berufspflicht, Licht ins Dunkel zu
       bringen.
       
       2 Oct 2024
       
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       ## AUTOREN
       
 (DIR) Tim Krüger
       
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