# taz.de -- Nach Anschlag in Ankara: Türkische Luftangriffe im Nordirak und in Syrien
       
       > Die Regierung macht die kurdische PKK für den Terroranschlag auf den
       > Rüstungskonzern Tusas verantwortlich. Sie reagiert mit Bombenangriffen
       > auf mutmaßliche PKK-Stellungen in den Nachbarländern.
       
 (IMG) Bild: Türkische Polizisten am Mittwoch vor dem Rüstungskonzern Tusas, der das Ziel des Terroranschlags war
       
       Istanbul taz | Die türkische Regierung hat nicht lange gezögert. Noch in
       der Nacht auf Donnerstag starteten in Diyarbakır acht F-16-Kampfbomber, um
       mutmaßliche Ziele der kurdischen PKK in Nordirak und in Nordsyrien zu
       bombardieren. Nach Angaben des türkischen Verteidigungsministeriums wurden
       etliche Ziele getroffen und 59 „Extremisten neutralisiert“.
       
       Vertreter der syrisch-kurdischen Selbstverteidigung berichten indes von
       zwölf getöteten Zivilisten und etlichen Verletzten. Die Angriffe aus der
       Luft sind eine erste Reaktion auf das [1][Attentat auf den größten
       staatlichen Rüstungskonzern Tusas] in der Nähe Ankaras am
       Mittwochnachmittag.
       
       Dabei wurden sieben Menschen inklusive der beiden Attentäter getötet und 22
       verletzt, drei darunter schwer. Nachdem es über Stunden hieß die
       Hintergründe des Attentats seien noch unklar, deutete Innenminister Ali
       Yerlikaya am Mittwochabend bei einer improvisierten Pressekonferenz am Ort
       das Anschlages an, dass die PKK wahrscheinlich für das Attentat
       verantwortlich sei. Angeblich, so hieß es bei einem Fernsehsender, sei
       einer der getöteten Angreifer, ein junger Mann als PKK- Anhänger aus dem
       Südosten des Landes identifiziert worden.
       
       Das Attentat fand in einem politischen Umfeld statt, das Anlass zu etlichen
       Spekulationen gibt. Das Ziel Tusas ist der wichtigste staatliche
       Rüstungskonzern der Türkei. In dem am Stadtrand von Ankara gelegenen
       Betrieb werden Kampfhubschrauber, Kampfflugzeuge und Drohnen hergestellt.
       
       ## Anschlag erfolgte parallel zum Treffen Erdogan-Putin
       
       Während das erste in der Türkei gebaute Kampfflugzeug „Kaan“ noch in der
       Erprobungsphase ist, weshalb die Türkei ja zur Zeit noch 40 Eurofighter
       kaufen will, sind die Drohnen bereits seit längerem ein Verkaufsschlager
       und werden von der türkischen Armee selbst offenbar sehr erfolgreich im
       Kampf gegen die PKK eingesetzt.
       
       Das Attentat erfolgte [2][während Präsident Recep Tayyip Erdogan in
       Russland weilte], um dort an dem [3][umstrittenen Gipfel der Brics- Staaten
       unter Leitung des russischen Präsidenten Wladimir Putin] teilzunehmen. Just
       zum Zeitpunkt des Attentats konferierte Erdogan mit Putin über bilaterale
       Themen.
       
       Sollte das Attentat ein politischer Fingerzeig, womöglich ausgeführt durch
       den israelischen Geheimdienst Mossad sein, wurde von einigen Mitgliedern
       der regierenden AKP spekuliert? Schon bald verdichtete sich aber der
       Verdacht auf die PKK.
       
       Erst vor einem Jahr hatte es einen ähnlichen Kamikaze-Anschlag auf das
       Innenministerium in Ankara gegeben, zu dem sich später die PKK bekannte.
       Auch damals waren zwei Attentäter mit dem Auto möglichst nahe an den
       Eingang des Ministeriums herangefahren und hatten dann das Feuer eröffnet.
       
       Auch am Mittwochnachmittag waren die beiden Attentäter, ein Mann und eine
       Frau, mit einem Auto vor dem Personaleingang von Tusas vorgefahren. Um
       vortäuschen zu können, ein Angestellter würde mit dem Taxi zur Arbeit
       gebracht, hatten die Attentäter einen Taxifahrer ermordet und waren dann
       mit dem Taxi vorgefahren.
       
       ## Nicht nur die Art des Anschlages lenkt Verdacht auf die PKK
       
       Sie konnten die Eingangsdrehkreuze wohl überwinden, schossen wild um sich,
       töteten vier Menschen und wurden dann selbst erschossen. Der tote
       Taxifahrer wurde später im Kofferraum gefunden.
       
       Doch nicht nur die Art des Anschlags deutete, wie Yerlikaya sagte, auf die
       PKK hin, es gibt offenbar einen politischen Zusammenhang der noch
       überwiegend im Dunkeln liegt.
       
       Am Dienstagnachmittag dieser Woche hatte der Vorsitzende der ultrarechten
       MHP, Devlet Bahceli bei einem spektakulären Auftritt im Parlament gesagt,
       man könne den seit 25 Jahren inhaftierten historischen Führer der PKK,
       Abdullah Öcalan, freilassen, wenn der im Parlament vor der kurdischen DEM
       Fraktion das Ende des Terrors und die Auflösung der PKK verkünden würde.
       Die Führung der DEM signalisierte Interesse.
       
       Mit dem überraschenden Angebot Bahcelis war allerdings die Erwartung
       verbunden, dass die DEM als Gegenleistung einer von Präsident Erdogan
       gewünschten neuen Verfassung ihre Zustimmung geben würde.
       
       ## Berichte über Geheimverhandlungen mit der PKK
       
       Zunächst schien es unsinnig, dass die PKK nur einen Tag nach der Offerte
       Bahcelis mit einem Attentat auf den größten türkischen Rüstungskonzern
       antworten würde. Es sei denn, das Angebot war gar keine Überraschung.
       
       Am späten Mittwochabend behauptete der Journalist Altan Sancar im TV-Kanal
       Sözcü-TV, er wisse, dass es seit Monaten [4][geheime Verhandlungen mit dem
       inhaftierten Öcalan] sowie der aktuellen PKK–Führung in Nordirak gäbe.
       Diese Aussage wird gestützt durch eine Mitteilung des Neffen Öcalans, der
       seinen Onkel vor zwei Tagen auf der Gefängnisinsel İmralı besuchen durfte.
       Öcalan habe ihm gesagt, „wenn die Bedingungen stimmen, habe er die Macht,
       den Prozess von der Gewalt weg auf den rechtlichen und politischen Boden zu
       bringen“.
       
       Die aktuelle PKK-Führung sieht das aber wohl anders. Am Mittwochabend wurde
       auf einer PKK-nahen Website die Forderung nach der Niederlegung der Waffen
       zurückgewiesen. Alle Erfolge der Kurden seien nur durch den Einsatz von
       Waffen erzielt worden, man werde sie daher nicht niederlegen.
       
       Dem widerspricht nun der ebenfalls inhaftierte prominente Kurdenführer
       Selahattin Demirtaş heftig. In sozialen Medien verbreitete er folgende
       Stellungnahme: „Diejenigen, die versuchen, das Streben nach einer Lösung
       unserer Probleme durch Dialog zu stoppen, sollten wissen, dass wir Öcalan
       mit aller Kraft unterstützen werden, wenn er die Initiative ergreift und
       den Weg für eine politische Lösung ebnen will. Wir werden niemals zulassen,
       dass die Stimmen derer, die Frieden wollen, dieses Mal unterdrückt werden,
       egal von wem.“
       
       24 Oct 2024
       
       ## LINKS
       
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       ## AUTOREN
       
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