# taz.de -- Queere Community in Thüringen: Bitte CSD statt AfD!
       
       > Queeres Leben hat in Thüringen wenig Platz. Die CSDs sind für die
       > Organisator:innen Lichtblicke und Zeichen für Vielfalt.
       
 (IMG) Bild: Auf dem CSD in Sonneberg haben ca. 650 Menschen demonstriert
       
       Sonneberg/Jena taz | „Sonneberg bleibt bunt!“, rufen Sprechchöre in der
       Südthüringer Kleinstadt in der Hitze. Vom Bahnhof, durch Wohngebiete bis in
       die Innenstadt läuft die erste Christopher-Street-Day-Parade Ende Juli. Die
       Menschen tragen Pappschilder mit Aufschriften wie „Hallo, Herr Landrat! Was
       machen Sie eigentlich beruflich?“ und „CSD statt AfD“.
       
       Wie auf jedem CSD besteht die Demonstration aus einem bunten Meer
       verschiedener Flaggen der queeren Community und viel Glitzer, und dennoch
       ist ein Unterschied zu anderen CSDs zu bemerken: Er wirkt kämpferischer,
       mit weniger Musik und dafür mehr Sprechchören als anderswo.
       
       Generell sind die CSDs in Thüringen oftmals kleiner, aber noch mehr eine
       politische Demonstration als in so einigen großen Städten im Westen.
       Queeres Leben hat im Freistaat weniger Räume und ist mehr Angriffen
       ausgesetzt.
       
       Sonneberg ist der Landkreis, in dem im Juni 2023 der bundesweit erste
       AfD-Landrat gewählt wurde. Keine zwei Wochen später gingen [1][die
       Musiker:innen Maurice Conrad und Bruneau mit ihrem Song „CSD in
       Sonneberg“] viral. Im Februar machte sich ein Team aus rund 20 Menschen aus
       Sonneberg und Umgebung daran, diesen Song in Realität zu verwandeln und
       einen CSD mit Prideflags, Glitzer und vielem mehr auf die Beine zu stellen.
       
       ## Rechtsmotivierte Gewalt steigt
       
       Gleichzeitig hat sich Sonneberg seit der Landratswahl zum neuen Hotspot für
       rechtsmotivierte Gewalt entwickelt, wie die Jahresstatistik 2023 der
       [2][Thüringer Opferberatungsstelle ezra] zeigt. Die Ursache dafür sieht
       ezra bei den Erfolgen der AfD im Landkreis.
       
       Philipp (28) lebt in Sonneberg, trat in dem Musikvideo auf und ist beim CSD
       engagiert. Gewalt erfahren habe er in der Stadt noch nicht, aber bereits
       beleidigende Textnachrichten bekommen. „Seit ich angefangen habe, meine
       Meinung offen kundzutun, bin ich den meisten Erwachsenen in Sonneberg ein
       Dorn im Auge. Auf der Straße wird mir manchmal hinterhergerufen und ich
       werde dumm angemacht.“ Deshalb hat er mit seinem E-Rollstuhl einen
       Selbstverteidigungskurs besucht.
       
       Der 20. Juli zeigte eine andere Seite der Stadt: „Es ist CSD in Sonneberg
       und die AfD empört. Überall ist Party, weil den Landrat unsere Party
       stört“, lautet der Refrain des Songs „CSD Sonneberg“. Kämpferisch und ohne
       nennenswerte Zwischenfälle zog die bunte Demonstration von 650 Menschen
       durch die Stadt.
       
       Die vom Team des CSD Sonneberg erwarteten rechten Störaktionen blieben
       aus, anders als im ostthüringischen Altenburg, wo der CSD gleichzeitig
       stattfand: „Über den ganzen Tag hinweg haben Faschos den CSD gestört und
       Teilnehmende beleidigt“, berichtet Torge Dermitzel aus dem Team.
       
       ## Sorge vor den Wahlen
       
       Der 25-Jährige hat den CSD Ende 2020 initiiert und wurde vor allem 2021
       massiv von Rechtsradikalen bedroht, bis hin zu Morddrohungen. Bundesweit
       hatten sich damals queere Organisationen solidarisiert, mittlerweile ist es
       ruhiger geworden. Das Gefühl aber bleibt mit dem Wissen, „die Faschos
       kennen mich hier alle,“ sagt Torge.
       
       Auch im einzigen queeren Zentrum Thüringens in Erfurt spielt die Wahl eine
       Rolle: „Ich blicke mit großer Sorge auf den 1. September und insbesondere
       die folgenden Haushaltsverhandlungen. Durch unsere Projektfinanzierung
       bangen wir jedes Jahr aufs Neue und sind abhängig von den
       Mehrheitsverhältnissen im Landtag“, berichtet die Koordinatorin des
       Zentrums, Luna Karsubke. „Eigentlich übersteigen die Bedarfe der Community
       und des queeren Zentrums schon lange unsere tatsächlichen Mittel.“
       
       Wie schon zur Kommunalwahl plakatiert die AfD auch jetzt wieder mit Slogans
       gegen Geschlechtervielfalt. Die CDU versucht, über einen Landtagsbeschluss
       möglichst weitreichend das Gendern zu verbieten. Das BSW, in den Umfragen
       aktuell auf Platz drei hinter AfD und CDU, wirbt mit „Rechnen statt
       Gendern“. Mehr Mittel für queere Strukturen können wohl nicht erwartet
       werden. Zusammen stehen die drei Parteien in den Umfragen von Anfang August
       bei 70 Prozent.
       
       Auch in Jena engagieren sich Queers gegen rechts. Was Wahlergebnisse
       angeht, ist die Stadt so etwas wie das politische Gegenteil von Sonneberg.
       In den vergangenen Jahren sind viele ehrenamtliche queere Strukturen
       entstanden, regelmäßig finden Stammtische, Partys und andere
       Veranstaltungen statt.
       
       Auch die Teilnehmer:innen des CSD spüren, dass die Stadt heraussticht:
       „Unser CSD ist jedes Jahr vergleichsweise groß. Wir mussten bis auf
       kleinere Vorfälle noch keine rechten Störaktionen oder Demonstrationen
       erleben, unser Team wird nicht bedroht“, berichtet die 36-jährige Petra
       Teufel aus dem CSD-Team, das seit 2019 die Demonstrationen mit
       Begleitprogramm organisiert. An die Demo am 24. August in Jena hat sie
       große Erwartungen: „Wir hoffen auf die größte Demo für Vielfalt, die
       Thüringen je gesehen hat.“ Am 31. August folgt dann eine Demo in Gotha, am
       7. September in Erfurt und am 14. September in Eisenach.
       
       Theresa Ertel (28), ist zwar von Geburt Schwäbin, aber mit der ersten
       Gelegenheit mit 17 in den Osten gezogen. Mittlerweile lebt sie seit sechs
       Jahren in Jena und engagiert sich dort in der queeren Community und gegen
       Rechtsextremismus.
       
       23 Aug 2024
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] https://www.youtube.com/watch?v=k_t7Pjl5gp0
 (DIR) [2] https://ezra.de/kontakt-beratungsstelle/
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Theresa Ertel
       
       ## TAGS
       
 (DIR) Jugend vor den Ostwahlen
 (DIR) taz Panter Stiftung
 (DIR) Jugend
 (DIR) Thüringen
 (DIR) Christopher Street Day (CSD)
 (DIR) Queer
 (DIR) Wahlen in Ostdeutschland 2024
 (DIR) Pride Parade
 (DIR) Schwerpunkt Gender und Sexualitäten
 (DIR) Thüringen
 (DIR) Jugend vor den Ostwahlen
 (DIR) Jugend vor den Ostwahlen
 (DIR) Jugend vor den Ostwahlen
 (DIR) Wahlen in Ostdeutschland 2024
 (DIR) Jugend vor den Ostwahlen
 (DIR) Jugend vor den Ostwahlen
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
 (DIR) Queeres Berlin: „Die Welt ist vielfältig“
       
       Normalerweise ist der Sommer die Zeit für die Pride-Paraden. Nun findet in
       Berliner der erste Winter-CSD statt. Marcel Voges weiß, warum.
       
 (DIR) Vielfalt in Brandenburg: Queers zeigen Haltung
       
       Am 82. Jahrestag wurde im ehemaligen KZ Sachsenhausen der ermordeten
       homosexuellen Häftlinge gedacht. Am selben Tag fand der 2. CSD in
       Oranienburg statt.
       
 (DIR) Queer in Thüringen: „Gleich kommt ein Spruch“
       
       In Thüringen sind in den letzten Jahren unter Rot-rot-grün viele queere
       Initiativen entstanden. Viel wäre noch zu tun. Was kommt nach der Wahl?
       
 (DIR) Thüringer NachwuchsautorInnen in der taz: Bratwurstland ist abgebrannt!
       
       In einer Sonderbeilage schreiben junge Autor:innen nicht über, sondern
       aus Thüringen. Ihre Texte werden in diesem Schwerpunkt gesammelt.
       
 (DIR) Junge Menschen und die DDR: Um Einheit steht’s 3/4 zwölf
       
       Unser Autorin ist 2005 geboren, 16 Jahre nach dem Mauerfall und dem Ende
       der DDR. Warum sie trotzdem Ossi ist.
       
 (DIR) Jugend verlässt Thüringen: „Gehen war nie eine Option“
       
       Thüringen wird älter, weil die Jugend nicht bleiben will. Die 24-jährige
       Geraer Alina Walosczyk hat ihren Heimatort bewusst nie verlassen. Ein
       Porträt.
       
 (DIR) Erfolg vor Gericht: AfD muss taz zu Wahlparty lassen
       
       Die AfD wollte der taz und anderen Medien den Zugang zu ihrer Wahlparty in
       Thüringen verweigern. Dagegen klagten diese vor dem Landgericht Erfurt.
       
 (DIR) Unterwegs in Thüringen: Wärme tanken in Königsee
       
       Auf dem Land in Thüringen werden Tankstellen zum sozialen Treffpunkt. Cafés
       gibt es oft nur in Städten. Busse fahren einmal am Tag. Ein Ortsbesuch.
       
 (DIR) Wortkunde eines Flusses in Thüringen: [ˈʊnstruːt]
       
       Der Fluss Unstrut entspringt bei Dingelstädt im Nordwesten Thüringens. Eine
       Erkundung seines Namens und seiner Etymologie.