# taz.de -- Buch über italienische Essensmythen: Pasta mit heiligem Ernst
       
       > Um italienisches Essen wird viel Gewese gemacht. Der Historiker Alberto
       > Grandi räumt in einem Buch mit den größten Mythen auf.
       
 (IMG) Bild: Spaghetti-Performance mit Alfonso Sessa
       
       Neulich hatte ich Probleme, im Supermarkt Spaghetti zu finden, die nicht
       mit Bronzeformen hergestellt wurden. Das war vor einigen Jahren noch
       umgekehrt. Damals lernte ich, dass die guten Pastafabrikanten in Italien
       ihren Teig allesamt durch Formen aus Bronze pressen (anstelle von
       teflonbeschichteten). Das ist teurer, aber dafür ist die Nudeloberfläche
       angeraut, was wiederum die Soßenaufnahmefähigkeit verbessert. Und [1][darum
       geht es schließlich].
       
       Die Bronzekunde verbreitete sich offenbar schnell. Kein Wunder: Wenn es um
       italienische Küche geht, ist es sehr wichtig, alles genau so wie die
       Italiener zu machen. Nudeln müssen al dente sein, klar. Sie sollten
       außerdem schon vorm Servieren mit der Sauce verrührt werden. In die Sauce
       sollte immer etwas Nudelwasser, denn seine Stärke bindet. Apropos
       Nudelwasser: Hier gehört Olivenöl so wenig hinein wie beim Verzehr ein
       Löffel auf den Tisch oder Parmesan auf Spaghetti Frutti di Mare.
       
       So sehr es sich bei alldem um sinnvolle Tipps handeln mag, sind es doch
       gleichzeitig auch Distinktionssignale. Schaut her, sagen sie, ich weiß
       wirklich, wie man in Italien kocht – am besten ergänzt durch eine
       Reiseanekdote, wo man es vor Ort gelernt hat. Und, bitte: Es [2][heißt
       „Ragù alla Bolognese“ und man isst es mit Tagliatelle], nicht mit
       Spaghetti.
       
       ## Dummer deutscher Gaumen
       
       Der heilige Ernst der Italiener im Umgang mit ihrem Essen und ihre empörten
       Reaktionen (Ananas auf Pizza?!?) sind längst eine eigene
       Internethumor-Kategorie. Etwas entspannter sieht die Sache Alberto Grandi,
       ein Historiker aus Parma. Seine These: Der Mythos der italienischen Küche
       ist erst in den 1970ern entstanden und wurde seitdem systematisch groß
       gemacht. Und auch viele Gerichte sind noch gar nicht so alt, bei ihrer
       Popularisierung spielten die italienischen Amerika-Auswanderer vor 100
       Jahren eine wichtige Rolle. Gern verwendet Grandi den [3][von Eric Hobsbawm
       geprägten Begriff der „erfundenen Tradition“].
       
       Dieser Tage erscheinen Grandis Thesen in Deutschland in Buchform („Mythos
       Nationalgericht“, Harper & Collins). So war beispielsweise Parmesan vor dem
       Zweiten Weltkrieg noch deutlich weicher als heute. Die Carbonara wurde in
       den USA erfunden und auch die Tomatensauce war lange in Italien wenig
       bekannt. Besonders genüsslich nimmt Grandi sich den Zinnober vor, den die
       Italiener mit ihren Gütesiegeln für regionale Zutaten betreiben, DOP, IGP,
       PAT und wie sie alle heißen.
       
       Im Supermarkt habe ich schließlich die letzten glatten Nudeln gekauft, weil
       mein dummer deutscher Gaumen ab und zu Spaghetti mit Butter und Parmesan
       mag und sie dafür besser geeignet findet. Das mit den Bronzeformen ist
       bestimmt eh nur ein Marketingtrick.
       
       26 May 2024
       
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 (DIR) Michael Brake
       
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