# taz.de -- Jobberatung für Geflüchtete: Arbeit statt Warteschleife
       
       > Das Netzwerk „Alle an Bord“ will in Schleswig-Holstein Geflüchtete in
       > Unternehmen vermitteln. Viele wollen sofort arbeiten, aber die Hürden
       > sind hoch.
       
 (IMG) Bild: Bevor es losgeht, braucht es jede Menge Genehmigungen: Geflüchtete aus Albanien (l) und Eritrea arbeiten im Dorfhotel auf Sylt
       
       Rendsburg taz | Auf der Suche nach Arbeitskräften ging Leah Raedisch in
       einen Sprachkurs. Die Unternehmerin betreibt die Kantine im Schleswiger
       Oberlandesgericht und hat auch Bistro und Café im benachbarten Landesmuseum
       Schloss Gottorf gepachtet. Aber ihr fehlten Menschen, die kochen,
       servieren, die Küche organisieren. Das [1][Netzwerk „Alle an Bord!“], eine
       Initiative des Landes Schleswig-Holstein, half ihr, Geflüchtete
       einzustellen. Ihre künftigen Angestellten lernte sie direkt im Sprachkurs
       kennen.
       
       Heute arbeiten Menschen aus sieben Nationen [2][in ihrem Betrieb]. Einer
       ist der 29-jährige Mazen Al Sarifi, der aus dem Jemen stammt. Seit fünf
       Jahren ist er in Deutschland, spricht inzwischen gut Deutsch und hofft auf
       seine Einbürgerung. Ein voller Erfolg also? Nicht ganz, berichtete Raedisch
       bei einem Treffen, an dem Akteur:innen des Projekts und Tobias von der
       Heide (CDU), Staatssekretär im Kieler Arbeitsministerium, teilnahmen.
       Angesichts der bürokratischen Hürden sei es einfacher, Menschen aus dem
       Ausland anzuwerben, statt bereits hier Lebenden einen Job zu geben.
       
       Was einzelne Branchen wie die Gastronomie heute schon spüren, wird sich in
       den kommenden Jahren noch verstärken: Schleswig-Holstein gehen die
       Arbeitskräfte aus. In zehn Jahren könnten rund 300.000 Stellen nicht mehr
       besetzt werden, fast 30 Prozent des heutigen Arbeitsmarktes, sagt
       Staatssekretär von der Heide.
       
       Ein Weg, um die Lücke zu schließen, sei, das „graue Gold“ zu fördern, also
       Menschen länger im Job zu halten, ein anderer Weg sei, Fachleute im Ausland
       anzuwerben – das Land hat dafür ein „Welcome Center“ gegründet, in dem
       Unternehmen und einreisewillige Fachkräfte alle zuständigen Behörden unter
       einem Dach finden. Und dann gibt es noch die Menschen, die ohnehin im Land
       sind: Geflüchtete.
       
       ## Frust für alle Beteiligten
       
       „Die Leute kommen hier an und wollen loslegen“, sagt Pia Godemann, die beim
       Kreis Schleswig-Flensburg für die Eingliederung zuständig ist und als
       Mitglied des Netzwerks „Alle an Bord!“ Geflüchtete berät. Aber das ist oft
       nicht so leicht wie gedacht. Ein Teil der frisch Eingereisten [3][habe
       traumatische Erlebnisse im Herkunftsland oder auf der Flucht] gehabt, das
       erschwere die Integration manchmal: „Wir waren da anfangs zu euphorisch“,
       sagt Edda Hamer, die im Kieler Arbeits- und Wirtschaftsministerium für die
       Arbeitsintegration zuständig ist.
       
       Bei anderen stehen formale Hürden im Weg: „Jemand will vielleicht als
       Bäcker oder in der Kita arbeiten. Aber dafür braucht es eine Ausbildung,
       und für die braucht es einen Sprachkurs, und schon auf den wartet man gut
       eineinhalb Jahre“, beschreibt Godemann eine typische Warteschleife. Das
       bedeutet Frust für alle Beteiligten – für die Geflüchteten, die gern
       arbeiten wollen, ebenso wie für die Unternehmen, die dringend Arbeitskräfte
       brauchen.
       
       Eigentlich ist [4][der Bund für die Jobvermittlung zuständig], unter
       anderem durch die Bundesagentur für Arbeit. Aber es gibt Lücken, und „die
       wollen wir füllen“, sagt Edda Hamer. Ein Beispiel ist ein Sprachtraining,
       in dem die Teilnehmenden auch Fachvokabeln für ihren jeweiligen Beruf
       lernen. Das Ziel ist, die Kenntnisse aus den Grundkursen lebendig zu
       halten. „Eine große Aufgabe der Beratung besteht darin, die Menschen bei
       der Stange zu halten und immer wieder zu motivieren“, sagt Godemann.
       
       Hamer erinnert an die vielen Fälle, in denen die Vermittlung erfolgreich
       war. Über 25.000 Menschen, die in den vergangenen Jahren als Geflüchtete
       aus Ländern [5][außerhalb der Ukraine – für die besondere Regeln gelten] –
       arbeiten inzwischen in Schleswig-Holstein. „Das sind tolle Erfolge, die wir
       nicht vergessen sollen“, sagt Hamer. Das Programm „Alle an Bord!“ trage
       einen Teil dazu bei, betonte Staatssekretär von der Heide.
       
       ## Unerreichbare Ämter
       
       Seit 2022 haben rund 1.500 Menschen einen Kurs oder eine Beratung genutzt.
       In einem Vorgänger-Projekt, das 2017 startete, waren es weitere 2.580
       Menschen, gut die Hälfte davon Frauen. Das Beratungsnetzwerk, das in sieben
       Kreisen und der Stadt Flensburg aktiv ist, erhält für die gesamte Laufzeit
       rund 3,7 Millionen Euro, davon stammen rund 1,5 Millionen aus dem
       Europäischen Sozialfonds Plus. Im restlichen Schleswig-Holstein erhalten
       Geflüchtete ein ähnliches Beratungsangebot durch ein zweites Netzwerk, das
       vom Bund gefördert wird.
       
       Doch trotz der Hilfen bleibt es schwierig, alle Genehmigungen zu bekommen,
       damit die Arbeitskräfte loslegen dürfen, berichtet die Gastronomin Leah
       Raedisch: „In den Ämtern geht keiner ans Telefon, auf Mails antwortet
       niemand.“ Am Ende helfe nur, sich mit dem künftigen Angestellten in die
       Schlange vor dem Amt zu stellen, um das Problem direkt zu lösen. „Ich höre
       von Kollegen, dass sie gern Leute einstellen wollen, aber der Aufwand sei
       nicht leistbar.“ Sie versucht zurzeit, Arbeitskräfte direkt ins Land zu
       holen. Aber auch da hakt es: „Mein Eindruck ist, dass die deutschen
       Botschaften die Einreise unnötig erschweren.“
       
       28 Apr 2024
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] https://www.alleanbord-sh.de/
 (DIR) [2] https://www.leahs-gerichte.de/
 (DIR) [3] /Traumatherapie-fuer-Gefluechtete/!5993666
 (DIR) [4] https://www.arbeitsagentur.de/unternehmen/arbeitskraefte/gefluechtete-beschaeftigen
 (DIR) [5] /Ukrainefluechtlinge-in-Not/!5995148
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Esther Geißlinger
       
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