# taz.de -- Schlankere Verwaltung: Weniger Bürokratie kommt von allein
       
       > Seit die FDP regiert, sind die Ausgaben für Bürokratie entgegen allen
       > Zielen immer weiter gestiegen. Das ist aber auch nicht weiter schlimm.
       
 (IMG) Bild: Aktenordner stehen vor dem Bundeskanzleramt im Rahmen einer Protestaktion des Zentralverband des Deutschen Handwerks in Berlin
       
       Diesen Konflikt kann Lisa Paus nur verlieren: Die grüne Familienministerin
       hat jüngst geschätzt, dass etwa 5.000 zusätzliche Stellen nötig seien, um
       die geplante Kindergrundsicherung zu verwalten. Die FDP konterte sofort,
       die Liberalen wollten den [1][Sozialstaat „fitter, nicht fetter machen“].
       
       Fakten zählen in diesem Streit nicht, denn „Bürokratie“ hat in Deutschland
       einen ganz schlechten Ruf. Politik und WählerInnen sind sich einig, dass
       sie „verschlankt“ werden muss. Das Schlagwort „Bürokratieabbau“ fand sich
       daher in allen Wahlprogrammen, auch bei den Grünen.
       
       Entsprechend stolz war die Ampel, als sie kürzlich ein
       „Bürokratieabbaugesetz“ beschlossen hat, durch das die Wirtschaft 944
       Millionen Euro im Jahr sparen soll. Wichtigster Punkt: Deutsche Gäste in
       deutschen Hotels müssen ihre [2][Adresse nicht mehr hinterlassen].
       Tatsächlich war es lästig, ständig diese Formulare auszufüllen. Genauso
       hatten sich die WählerInnen den Bürokratieabbau schon immer vorgestellt.
       
       Wer „Bürokratieabbau“ verspricht, hat einen politischen Konflikt schon
       gewonnen. Das nutzt vor allem die FDP kräftig aus. Sie tut in jeder Rede
       so, als ob es eine völlig neue Idee sei, die Behörden zu verschlanken. Doch
       tatsächlich währt der politische Kampf gegen die Bürokratisierung schon
       seit Jahrzehnten.
       
       ## Deutschland geht nicht an seiner Bürokratie zugrunde
       
       So wurde 2006 der Nationale Normenkontrollrat gegründet, der die Regierung
       beim Bürokratieabbau beraten soll. Zehn ehrenamtliche ExpertInnen verfassen
       jährlich einen Bericht, inwieweit die Kosten gestiegen sind, die der
       Wirtschaft durch die staatliche Verwaltung entstehen. Ergebnis: 2021/22
       nahmen die Belastungen um 125 Millionen Euro zu, 2022/23 waren es 164
       Millionen Euro zusätzlich.
       
       Diese Zahlen sind durchaus amüsant, weil die FDP bekanntlich seit 2021
       mitregiert – und bisher nur Kosten produziert hat. Auch bleibt abzuwarten,
       wie viel das neue „[3][Bürokratieabbaugesetz]“ tatsächlich bringt.
       
       Insgesamt muss die deutsche Wirtschaft etwa 65 Milliarden Euro ausgeben, um
       die Auflagen der staatlichen Verwaltung zu erfüllen. Das klingt viel,
       entspricht aber nur 1,58 Prozent der deutschen Wirtschaftsleistung.
       Deutschland geht nicht an seiner Bürokratie zugrunde. Zudem sind viele
       Anforderungen sinnvoll, ob es nun um Krankenkassenbeiträge oder
       Umweltschutz geht.
       
       Auch ist oft gar nicht klar, wie berechtigt Beschwerden von Unternehmen
       sind. Werden sie tatsächlich von der Verwaltung ausgebremst? Der
       Normenkontrollrat ist daher begeistert von einem Projekt, das der grüne
       Wirtschaftsminister Robert Habeck angestoßen hat: In seinem Haus gibt es
       jetzt „Praxischecks“, die an konkreten Fällen nachverfolgen sollen, ob die
       Bürokratie Investitionen verhindert.
       
       ## Die Bürokraten fehlen
       
       Auch ist es nicht fair, nur auf die staatlichen Verwaltungen zu starren. In
       privaten Firmen ist auch nicht jede Stelle nötig. Der US-amerikanische
       Anthropologe David Graeber hat vor einigen Jahren eine Umfrage
       durchgeführt, die in Großbritannien und in den Niederlanden ergab, dass 37
       bis 40 Prozent der Angestellten ihre eigene Tätigkeit als „Bullshit Job“
       empfanden. Das Gehalt war gut, aber die Aufgabe sinnlos.
       
       Allerdings dürften sich diese Debatten demnächst sowieso erledigen. Der
       Bürokratieabbau wird kommen – weil die Bürokraten fehlen. Der
       Fachkräftemangel hat längst auch die Verwaltungen erreicht. Vielleicht
       dauert es nicht lange, bis alle nostalgisch zurückblicken: Wisst ihr noch,
       wie schön es war, als der Staat viele MitarbeiterInnen hatte?
       
       27 Apr 2024
       
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