# taz.de -- Autonomer Bürokratieabbau in Unternehmen: Wut, Verwirrung, Unverständnis
       
       > Der bürokratische Aufwand für Unternehmen steigt. Die fangen wegen hoher
       > Belastung an, Vorschriften einfach nicht mehr umzusetzen, zeigt eine
       > Studie.
       
 (IMG) Bild: Überbordende Bürokratie kann zu Wut, Verwirrung und Ohnmachtsgefühlen führen
       
       Berlin taz | Bei diesem Thema scheinen sich alle Parteien erst einmal
       einig, von den Grünen bis zur FDP: Das „Bürokratiemonster“ muss gezähmt
       werden, sonst droht der „Bürokratie-Burnout“. Unter den vielen
       Berichtspflichten, den Papierbergen und den Verwaltungsaufgaben leiden
       Bürger*innen, Unternehmen und Mitarbeitende in Behörden gleichermaßen.
       
       Aber verstehen darunter immer noch alle das Gleiche, wenn es darum geht,
       Bürokratie abzubauen? Immerhin gehen die meisten Gesetze mit
       Bürokratieaufwand einher – manchmal mit mehr, manchmal mit weniger. Aber
       meistens haben Gesetze einen Grund.
       
       Der Nationale Normenkontrollrat (NKR) überprüft für die Bundesregierung
       alle Gesetze und Verordnungen auf ihren „Erfüllungsaufwand“ und auf die
       Menge der Dokumentations- und Informationspflichten, die durch ein Gesetz
       hinzukommen.
       
       Im Jahresbericht des Rats ergibt sich ein deutliches Bild: Der
       Erfüllungsaufwand steigt besonders für Unternehmen. Die großen
       Bürokratiebrocken sind dabei [1][das Gebäude-Energie-Gesetz] und der
       [2][Mindestlohn], die die Unternehmen Geld kosten. Steigende Lohnkosten,
       notwendige Sanierungen an Gebäuden: All das müssen Unternehmen umsetzen und
       all das fällt als „Erfüllungsaufwand“ unter Bürokratie. Diese Bürokratie
       kostet sie insgesamt 65 Milliarden Euro pro Jahr.
       
       ## Immer mehr Informationspflichten
       
       Laut Statistischem Bundesamt kommen dazu immer mehr Informationspflichten:
       Um rund 16 Prozent seien diese seit 2022 gestiegen. Von
       Informationspflichten spricht das Amt, wenn aufgrund bundesrechtlicher
       Regelungen Daten oder sonstige Informationen beschafft, übermittelt oder
       verfügbar gehalten werden müssen. Dabei geht es beispielsweise um
       Meldepflichten, Anträge oder Anzeigen. Laut dem Mittelstandsbeauftragten
       der SPD, Esra Limbacher, sind das „in vielen Fällen insbesondere
       Dokumentations- und Berichtspflichten, die an der Realität kleinerer
       Betriebe vorbeigehen.“ Auch die werden mehr, allerdings sind sie kaum
       bezifferbar.
       
       Um dem Dickicht der Regulierungen Herr zu werden, müssten bestehende
       Regelungen wie die Bürokratiebremse ausgebaut werden, sagt Lutz Goebel,
       Vorsitzender des Normenkontrollrates: Nach der darin enthaltenen „One in,
       one out“-Regel muss für jede dazukommende Norm eine andere abgeschafft
       werden. Diese solle man auf EU-Gesetze ausdehnen.
       
       ## Autonomer Bürokratieabbau
       
       Wenn Unternehmen über die Bürokratie klagen, meinen sie aber noch mehr:
       „Die überwiegende Mehrheit der Unternehmen fasst den Bürokratie-Begriff
       weiter als die Politik“, sagt Annette Hicks vom Institut für
       Mittelstandsforschung (IfM) der taz. Ein Großteil der Unternehmen zähle
       auch „halböffentliche Vorgaben von Selbstverwaltungsorganisationen der
       Wirtschaft, Normungsinstituten oder Berufsgenossenschaften sowie Vorgaben
       von Kunden bzw. Lieferanten dazu“.
       
       Das löse Ohnmachtsgefühle aus, Wut, Verwirrung, Unverständnis. Laut einer
       Studie des IfM wiegen diese noch schwerer als der Zeit- und Kostenaufwand.
       „Dies führt dazu, dass gut jede Vierte bzw. jeder Vierte bei unserer
       Befragung angab, inzwischen einzelne Vorschriften bewusst nicht mehr
       umzusetzen“, beschreibt Icks den „autonomen Bürokratieabbau“.
       
       Auch die FDP betreibt autonomen Bürokratieabbau im Namen der Unternehmen,
       etwa bei der geplanten [3][EU-Lieferketten-Richtlinie]. Europäische
       Unternehmen ab 500 Beschäftigten sollten zur Sorge um Arbeitsbedingungen in
       ihren Zulieferfabriken verpflichtet werden. Nachdem in Verhandlungen alles
       geklärt zu sein schien, blockierte die FDP das Gesetz und rechtfertigte
       ihre Verhinderungspolitik mit „zu viel Bürokratie“. Vom Amt genervte
       Bürger*innen entlastet das allerdings nicht.
       
       14 Mar 2024
       
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