# taz.de -- Dokumentartheater über Signa: Die Blase musste platzen
       
       > Der „Aufstieg und Fall des Herrn René Benko“ füllt das Wiener
       > Volkstheater bis auf den letzten Platz. Der Abend wird zum
       > Scherbengericht.
       
 (IMG) Bild: Calle Fuhr ist Autor, Regisseur und Darsteller in „Aufstieg und Fall des Herrn René Benko“
       
       Viel mitgeschrieben wurde an diesem Abend im ausverkauften Wiener
       Volkstheater, weniger von Notizblockkritiker:innen, die, statt
       hinzuschauen, gerade einen Einfall notieren, eher von juristischem
       Personal. Mit „Aufstieg und Fall des Herrn René Benko“ von Calle Fuhr wagt
       sich das Theater, der von jeher „andere Ort“, diesmal ziemlich nah heran an
       die realen Stätten des Grauens. Das erfordert große Sorgfalt auch über das
       ästhetische Verfahren hinaus. Die Schurken der Dramenliteratur können, im
       Gegensatz zu lebenden Personen, keine Zivilklagen mehr einbringen.
       
       Was ursprünglich als dokumentarisches Fringe-Format für die
       Nebenspielstätte konzipiert war, füllt nun das Haupthaus bis in den letzten
       Rang. Die Causa prima der Republik, deren verlustreiche Dominoeffekte weit
       über sie hinausgehen, weckt einen Bedarf an Orientierungswissen.
       
       Bei allen Abgesängen aufs Theater als Institution bürgerlicher
       Öffentlichkeit mag es zunächst verwundern, dass es gerade hier gesucht
       wird. Wäre nicht ein informativer Podcast oder multimedial aufbereites
       Storytelling hinter der Bezahlschranke eines Qualitätsmediums das bessere
       Format? Zumindest die Vorstellung davon, zusammenzutreten und
       gemeinschaftlich zu handeln, macht aus Usern erst Citoyens und Theater
       überraschenderweise auch dort, wo die spielästhetische Umformung seiner
       Gestände in den Hintergrund tritt. Der Abend wird zum Scherbengericht,
       nicht über Personen, sondern die Verhältnisse, die sie hervorbringen.
       
       Calle Fuhr, eigentlich Autor und Dramaturg am Haus, trägt erst einmal vor,
       was er über [1][René Benko], die schwer nachvollziehbaren Geschäfte der in
       ihrer Struktur schwer nachvollziehbaren Immobilienholding Signa und die
       größte österreichische Pleite seit Bestehen der Zweiten Republik aus der
       Zusammenarbeit des Volkstheaters mit der [2][Wiener Rechercheplattform
       Dossier] weiß und auch sagen kann.
       
       Er zeichnet den Weg nach vom Strukturvertriebskeiler in der Tiroler Provinz
       bis hin zu einstelligen Platzziffern diverser Vermögensrankings und wieder
       zurück, folgt der Spur des Geldes, benennt die Entourage, die Mitwirkenden,
       Investoren, die jetzt eine Armada von Gläubigern stellen, aber jahrelang
       gut verdient haben, die Kontaktleute zu Banken, Parteien und Regierungen.
       Es geht um ein Systemversagen, das die oligarchische Verknüpfung von
       Wirtschaft und Politik erst ermöglicht hat. Die Blase musste platzen, weil
       sie, als gäbe es kein Morgen, auf Expansion angelegt war.
       
       ## Wie sieht Kapitalzirkulation auf der Bühne aus?
       
       Der milliardenschweren Pleitekomplex passt in eine One-Man-Show, Fuhr
       spielt die Varietäten des Genres durch, vom TED-Talk über die Vorlesung zur
       Stand-up-Comedy. Sendung-mit-der-Maus-artige Videosequenzen erläutern
       bildhaft abstraktere ökonomische Vorgänge.
       
       Als Bösewichte noch blutige Dolche verbargen, konnte Theater von der
       Verantwortung des Einzelnen handeln. Aber wie sieht Kapitalzirkulation auf
       der Bühne aus? Wie geht man damit um, dass die heutigen Akteure zwar reich
       werden, und falls nicht, lieber zugrunde gehen wollen? Dass das eigentliche
       Subjekt ihres Handelns ein abstrakter Verwertungszwang ist?
       
       Es kann dieses Missverhältnis nur offen austragen. Pure Clownerie erläutert
       das Verfahren der spekulativen Aufwertung von Immobilien. Nach Art der
       „Feuerzangenbowle“ schlüpft Fuhr in die Rolle seines früheren kauzigen
       Mathelehrers aus dem Rheinland. Der Unernst ist Methode gegen den Ernst der
       Lage.
       
       Die Helden der Geschichte sind die Journalist:innen der
       Rechercheplattformen, die das alles ausgegraben haben. Warum es sie
       überhaupt braucht? Ihnen gegenüber steht das vollständige Versagen einer
       medialen Öffentlichkeit, die im Wettbewerb um Aufmerksamkeit lange genug
       das Narrativ des überlebensgroßen Selfmademans genährt hat, das dem des
       populistischen Führers nicht unähnlich ist. Wenn diese Lichtgestalten an
       der Sonne verbrennen, wird es gemeinhin sehr teuer.
       
       19 Mar 2024
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] /Was-Rene-Benkos-Insolvenz-bedeutet/!5997034
 (DIR) [2] https://www.dossier.at/
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Uwe Mattheiß
       
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