# taz.de -- Bewegungstermine in Berlin: Selbstzerstörerische Dummheit
       
       > Dass der Klassenkampf von oben auf blindlings fortgeführt wird, ist dumm,
       > aber erwartbar. Wer Wandel will, kann sich auf den Staat nicht verlassen.
       
 (IMG) Bild: Handelt im Sinne der Dummheit, aber dran Schuld ist das System: Christian Lindner
       
       Fast ist die Nachricht untergegangen, im alltäglichen Wirbel der
       Hiobsbotschaften: Finanzminister Christian Linder und ifo-Chef Clemens
       Fuest wollen den Sozialstaat zerlegen. Will der erstere alle
       Sozialleistungen für drei Jahre einfrieren, verkündete der letztere, man
       müsse sich in Kriegszeiten schon [1][zwischen Butter und Kanonen
       entscheiden]. Wobei natürlich klar ist, dass Menschen wie Fuest und Lindner
       immer Butter auf ihre Brote geschmiert bekommen werden.
       
       Man kann jetzt sagen: Neoliberale hassen den Sozialstaat, was für ein alter
       Hut. Aber der Wahnsinn ist doch bemerkenswert, wie diese Menschen die Axt
       ausgerechnet am Sozialstaat anlegen, während der gesellschaftliche
       Zusammenhalt auseinanderfällt. Seit Jahren brechen dem bürgerlichen Staat
       die Leute weg; sie verfallen in [2][Verschwörungstheorien], gehen nicht
       mehr wählen oder werden gleich [3][Faschisten]. In dieser Situation Bomben
       statt Butter zu fordern, ist eine Arroganz, wie man sie sonst nur aus
       vorrevolutionären Zeiten kennt.
       
       Verweilen wir einen Moment bei dieser Dummheit. Versuchen wir, sie zu
       verstehen. Sie nicht als Einzelfall zu behandeln. Schnell drängen sich
       weitere Beispiele auf. Die Versuche fast aller Parteien, die Nazis
       ausgerechnet beim Thema [4][rassistische Migrationspolitik] zu übertrumpfen
       etwa, oder der [5][irrwitzige Verfolgswahn], mit dem der Staat linken
       Antifaschist:innen begegnet. Man denke auch an Christian Lindner, wie
       er vor wütenden Bäuer:innen versucht, den Hass gegen die Politik [6][auf
       Sozialhilfeempfangende umzulenken]. Vage erinnert man sich auch noch an das
       [7][Klimageld] und an die bodenlose Dreistigkeit, wie dem Klimaschutz der
       letzte Rest Legitimität entzogen wurde.
       
       Überall wirkt es, als arbeitete die Politik aktiv daran, dem Faschismus den
       Weg zu bereiten. Das ist pure Dummheit – aber sie hat doch System. Der
       gemeinsame Nenner dieser Politik ist die Fortführung des Klassenkampfs von
       oben, auf Gedeih und Verreck. Es ist dieses systemisch bedingte
       Scheuklappendenken, das Umverteilung schlicht undenkbar macht. Welche
       Mittel bleiben dann aber noch? Willkommen in der Welt von Friedrich Merz:
       Nur der Kulturkampf gegen Arme und Migrantisierte und der Ausbau des
       Repressionsapparats. Beides droht den Faschismus institutionell
       vorzubereiten.
       
       ## Widerstand von linksunten
       
       Wie sollen sich in dieser Situation die Winde verhalten, die von linksunten
       wehen, wie es [8][ein gewisser Subcomandante] vielleicht formuliert hätte?
       Die sich nicht auf autoritäre Versuchungen einlassen wollen, die über keine
       einfachen Antworten verfügen? Sie können sich nicht auf den bürgerlichen
       Staat verlassen, wie es viele Linke insgeheim noch tun – und sie dürfen
       auch nicht in die Dogmatik zurückfallen, in die Logik autoritärer
       Kaderstrukturen und den Glauben an die mystifizierte Revolution.
       
       Stattdessen gilt es, vielfältige Potenziale des Widerstandes aufzubauen und
       Bündnisse mit allen aufrichtigen Menschen zu schließen, mit denen
       punktuelle Zusammenarbeit möglich ist. Das bedeutet Organisierung im
       Kleinen und im Großen, mit den Aufrichtigen in den Parteien, in den
       Gewerkschaften, Kiezen, Betrieben und Schulen, mit Nachbar:innen und
       Kolleg:innen. Welche Potenziale und Entwicklungspfade sich daraus ergeben,
       ist schlicht nicht absehbar, weil die Geschichte eben nicht nach dem von
       der Theorie vorgegebenen Schema F verläuft.
       
       Ein erster Termin, um aufkeimende Widerstandspotenziale von unten zu
       unterstützen, ist der [9][Klimastreik von Fridays for Future] am kommenden
       Freitag (1. 3.). Denn dieser wird zusammen mit den bei Verdi organisierten
       Beschäftigten im Nahverkehr geführt, die an dem Tag auch ihre Arbeit
       niederlegen. Dieser Schulterschluss zwischen Gewerkschaft und Klimabewegung
       lässt immerhin erahnen, was möglich wäre, wenn sich Linke nicht als
       Privatpersonen, sondern als Beschäftigte organisieren würden. Los geht der
       Klimastreik um 10 Uhr morgens im Invalidenpark.
       
       Sich der herrschenden Logik zu widersetzen, beginnt aber schon im eigenen
       Kopf. Ein Beispiel ist der Satz, dass die Migration den Sozialstaat
       belastet. Tagtäglich sagen Menschen wie Friedrich Merz oder Sarah
       Wagenknecht etwas derartiges – doch wahrer wird er dadurch nicht. Eine
       [10][Veranstaltung] der Gruppe Kritik im Handgemenge, die bei den
       [11][Gruppen gegen Kapital und Nation] organisiert ist, will erklären,
       warum das Funktionieren des Sozialstaats von ganz anderen Dingen als
       Migration abhängig ist. (Mittwoch, 28. 2., Filmrisz, Rigaer Straße 103, 19
       Uhr)
       
       ## Widerstand im Kiez
       
       Letztlich kommt es aber darauf an, das eigene Verstehen in eine
       solidarische Praxis zu verwandeln. Das wiederum bedeutet: Schulter an
       Schulter mit den Betroffenen der rassistischen Migrationspolitik zu
       kämpfen. Die [12][kurdische Studierendengruppe Xwendekarên Berlin] ruft zu
       einer Demonstration gegen die Normalisierung von Rassismus, gegen die Logik
       von Bezahlkarten und Abschiebungen auf. Los geht es am Mittwoch (28. 2.) um
       18 Uhr am U-Bahnhof Mehringdamm.
       
       Eine Voraussetzung dafür, Veränderung zu bewirken, ist auch, sich in seiner
       Nachbar:innenschaft zu organisieren. Widerständige Viertel aufzubauen
       ist das Ziel der [13][Kiezversammlung Lichtenberg], die sich am Sonntag
       bereits zum sechsten Mal trifft. Bei der kommenden Versammlung geht es um
       die Erhaltung von sozialen Räumen wie dem [14][Jugendclub Linse] – und
       darum, wie der AfD und den rechten Umtrieben im Viertel etwas
       entgegengesetzt werden kann. Es gibt Kaffee und Kuchen – Eigenes darf
       mitgebracht werden – und eine Kinderbetreuung. (3. 3., Türrschmidtstraße 1,
       15 Uhr)
       
       Die [15][Bürger:inneninitiative A100] ruft dazu auf, sich dem
       Weiterbau der A100 entgegen zu stellen. Denn eine menschen- und
       klimagerechte Stadt kann auf weitere sechsspurige Betonschluchten
       verzichten, die Clubkultur plattwalzen und wertvolle Stadtflächen
       vernichten würde. Geplant ist [16][eine Fahrraddemo] am Samstag (2. 3.),
       die um 11:30 Uhr am Invalidenpark vor dem Bundesverkehrsministerium startet
       und von da bis zur Elsenbrücke an der Ecke Elsenstraße und Puschkinallee
       gehen soll.
       
       Unterstützung brauchen auch die Genoss:innen aus Polen, denen die
       dortige frauenfeindliche Politik die Mittel zur Selbstbestimmung nimmt. Das
       feministische Kollektiv Dzień Po ermöglicht Menschen Zugang zu
       Notfallverhütungsmitteln, um diese dennoch zu gewährleisten. Am
       [17][kommenden Scharni38 Haustresen] wird die Gruppe ihre Arbeit
       vorstellen. Es wird darum gebeten, vorher zur Apotheke zu gehen und eine
       Ulipristalacetat-basierte Pille danach (z.B. „EllaOne“) mitzubringen. Beim
       Treffen kann das Geld hierfür zurückerstattet werden. (Freitag, 1. 3., ZGK,
       Scharnweberstraße 38, 20 Uhr).
       
       27 Feb 2024
       
       ## LINKS
       
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 (DIR) [11] https://gegen-kapital-und-nation.org/
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 (DIR) [13] https://stressfaktor.squat.net/node/303735
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