# taz.de -- Debatte um Exmatrikulation: Empörung als Gesetzgeberin
       
       > Nach der mutmaßlich antisemitischen Attacke auf einen Studenten will
       > Berlin sein Hochschulgesetz ändern. Zielführender wäre Präventionsarbeit.
       
 (IMG) Bild: Die Freie Universität Berlin könnte auch ohne erzwungene Exmatrikulationen mehr gegen Antisemitismus tun
       
       Die Wissenschaftssenatorin hat nachgegeben: Ina Czyborra (SPD), will nun
       doch eine Gesetzesänderung vorbereiten, damit die Unis „Gewalttäter und
       Straftäter“ künftig exmatrikulieren können. Die Berliner Unis sollen dieses
       Recht „wieder“ anwenden können, [1][heißt es in den meisten Texten] dazu.
       Der Berliner Senat will damit seinen Tatendrang gegen Antisemitismus unter
       Beweis stellen.
       
       Es lohnt sich, in diesem Zusammenhang genauer auf die vergangenen
       Gesetzeslagen zu blicken. Den Paragrafen, der den Unis in Berlin eine
       Exmatrikulation erlaubte, [2][hatte der rot-rot-grüne Senat mit der Novelle
       des Berliner Hochschulgesetzes 2021] abgeschafft. Doch in diesem Paragraf
       war es um ordnungsrechtliche Fragen gegangen, um Störungen des Unibetriebs,
       nicht um Gewalttaten außerhalb des Uni-Geländes. Der Paragraf 28, auf den
       sich das Hochschulgesetz bei Exmatrikulationen als Ordnungsmaßnahme bezog,
       [3][war bereits 1999 aus dem bundesweiten Hochschulrahmengesetz gestrichen]
       worden. Dort war geregelt worden, [4][dass von der Uni ausgeschlossen
       werden kann, wer den Unibetrieb mit Gewalt] stört.
       
       Die [5][Debatte um das Recht auf Exmatrikulation] war nun aber nach einer
       gewalttätigen Attacke auf einen jüdischen Studenten neu entbrannt. Der
       mutmaßliche Angreifer soll in Berlin-Mitte Anfang Februar einen jüdischen
       Mitstudenten attackiert und ihm mehrere Knochenbrüche im Gesicht zugefügt
       haben. Doch weder das Hochschulrahmengesetz noch das Berliner
       Hoschschulgesetz hätten dies in ihren älteren Fassungen erfasst: Die Uni
       hätte den Täter also wohl auch nach der Gesetzeslage von vor 2021 nicht
       einfach exmatrikulieren können.
       
       In anderen Bundesländern ist die Lage anders: So wäre es etwa [6][nach
       einer Recherche des Branchenblatts LTO] durchaus möglich, Student*innen
       auch wegen ihrer Handlungen außerhalb der Uni zu exmatrikulieren. In
       Niedersachsen ist dies demnach ebenfalls möglich, allerdings nur, wenn der
       Täter bereits rechtskräftig verurteilt ist.
       
       ## Große Empörung
       
       Wenn die Empörung groß ist, sind die Forderungen nach Konsequenzen meist
       nicht weit. Gesetzesverschärfungen zu fordern, suggeriert erstmal
       Handlungsfähigkeit. Doch gerade wenn Gesetze aufgrund von konkreten
       Vorfällen geändert werden sollen, ist Vorsicht geboten. Denn der Anspruch
       an die geltende Gesetzeslage sollte sein, dass sie unabhängig von
       spezifischen Vorfällen das Zusammenleben regelt. Gefährliche oder schwere
       Körperverletzung fällt unter das Strafrecht und wird auch dort verhandelt.
       Im aktuellen Fall ermittelt außerdem der Staatsschutz wegen einer möglichen
       antisemitisch motivierten Tat.
       
       Auch das ist der richtige Weg: Dort, wo antisemitische Einstellungen in
       Gewalt münden, muss die Strafverfolgung das berücksichtigen. Hier wäre auch
       der Hebel, wo die Gesellschaft von den Behörden genaues Hinschauen fordern
       sollte. Denn [7][gegen ein verfestigtes antisemitisches Weltbild sind
       Repressionen nötig], um mögliche Betroffene zu schützen. Die Unis können
       bereits jetzt über Hausverbote ihren Anteil leisten. Sie sollten auch
       entschiedener als bisher das Gespräch mit Student*innen suchen, die sich
       bedroht fühlen.
       
       Hilflos und planlos wirkt dagegen der Ruf nach einer Gesetzesänderung in
       diesem Fall. Denn auf die mutmaßlich antisemitische Gewaltattacke vom
       Februar ließe sich auch eine noch so schnell im März geänderte Gesetzeslage
       ja gerade nicht anwenden. Sinnvoller wäre eine ernsthafte
       Auseinandersetzung mit antisemitischen Einstellungen in der Gesellschaft.
       Doch das bräuchte konstante Bemühungen. Und erzeugt weit weniger
       Aufmerksamkeit als der nun befriedigte Durst nach Aktionismus.
       
       24 Feb 2024
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] /Antisemitismus-an-Berliner-Hochschulen/!5990510
 (DIR) [2] /Antisemitismus-an-der-FU-Berlin/!5987400
 (DIR) [3] https://www.bgbl.de/xaver/bgbl/start.xav?startbk=Bundesanzeiger_BGBl&jumpTo=bgbl199s0018.pdf#__bgbl__//*%5B@attr_id='bgbl199s0018.pdf'%5D__1708692057660
 (DIR) [4] https://www.bgbl.de/xaver/bgbl/start.xav?startbk=Bundesanzeiger_BGBl&jumpTo=bgbl176s0185.pdf#__bgbl__//*%5B@attr_id='bgbl176s0185.pdf'%5D__1708691741413
 (DIR) [5] https://www.fu-berlin.de/presse/informationen/fup/faq/nahost/protestaktionen-dezember-2023/pruefen-sie-exmatrikulation.html
 (DIR) [6] https://www.lto.de/recht/hintergruende/h/shapira-fu-berlin-antisemitismus-universitaet-uni-angriff-exmatrikulation-hausverbot/
 (DIR) [7] /Antisemitismus-an-der-FU-Berlin/!5987400
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Uta Schleiermacher
       
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