# taz.de -- Performerin über „Stutenbiss“: „Davon profitiert nur das System“
       
       > Feminismus und Eifersucht: Anna-Lena Hitzfelds „Stutenbiss“ setzt sich in
       > Lübeck mit dem sexistischen Stereotyp rivalisierender Frauen auseinander.
       
 (IMG) Bild: Spielt Maria Stuart und Elisabeth an einem Abend: Anna-Lena Hitzfeld
       
       taz: Frau Hitzfeld, wann beißt die Stute zu? Und was hat die ganze Herde
       damit zu tun? 
       
       Anna-Lena Hitzfeld: Wir beißen zu, wenn wir unsicher sind. Den Gedanken „Es
       kann nur eine geben“ haben Kapitalismus und Patriarchat in uns genährt. Wer
       hat was davon, dass wir uns gegenseitig beißen? Ich nicht, auch wenn ich
       dich blutig gebissen habe – davon profitiert nur das System. Eine Rolle
       spielt auch das Verboten-Sein dieser Empfindung, denn der Raum
       gesellschaftlich nicht geächteter Weiblichkeit ist immer noch klein. [1][In
       „Stutenbiss“] geht es nicht nur um das sexistische Stereotyp
       rivalisierender Frauen, die „Stutenbissigkeit“ – was nur schwer übersetzbar
       ist, denn das ist ein sehr deutscher Begriff. Sondern es geht auch um die
       feindseligen Projektionen in unseren Erzählungen. Die praktizierte
       Alternative in der Performance ist die Schwestern- und Geschwisterschaft.
       
       Warum haben Sie [2][Schillers Maria Stuart und Elisabeth] gewählt, um ein
       Spannungsverhältnis zwischen zwei konkurrierenden Rivalinnen darzustellen? 
       
       Weil es ein bedeutungsschwangerer Stoff ist, der mit einer feministischen
       Brille Neues offenlegt. Die historischen Frauen gibt es und sie sind
       komplexer als Schillers romantisierte Erzählung, die in erster Linie
       Kunstfiguren erschaffen hat – natürlich grandios geschrieben. Es ist aber
       bemerkenswert, dass es um diesen Riesenkonflikt zwischen zwei Frauen geht,
       die sich nur in einer Schlüsselszene begegnen. Es wird viel über sie
       gesprochen, mit ihnen über die jeweils andere, überwiegend von Männern. Wer
       nährt das jeweilige Bild der Konkurrentin? Aus meiner Perspektive als
       Schauspielerin sind das natürlich Figuren, die alle irgendwann mal spielen
       wollen. Die Rolle der Maria Stuart bevorzugt, da sie stereotypisch als
       „aufregender“ wahrgenommen wird.
       
       Sie haben sich den Traum erfüllt, beide zu spielen? 
       
       Ja, ich gehe in beide Rollen – auch in Elisabeth, die vermeintlich
       „vertrocknete“, „bissige“ Frau. Oft zitiere ich aber nur an, denn neben dem
       Schauspielteil gibt es auch noch einen performativen Part, eine
       Alltagsanalyse. Ich habe hierfür Interviews mit unterschiedlichsten Frauen
       geführt und mir unsere Popkultur angeschaut, um das Thema
       „Stutenbissigkeit“ zu beleuchten. Dazu lade ich mir auch zu jeder
       Vorstellung eine Überraschungsgästin für ein vertiefendes Gespräch mit dem
       Publikum ein.
       
       Inwiefern hat der „männliche Blick“ Ihre Wahrnehmung von literarischen
       Klassikern in der Vergangenheit vereinnahmt? 
       
       Ich war ein typisches Theaterkind und habe früher den Hochkulturkanon hoch
       und runter gelesen. Seitdem ich mit dem Stuttgarter Feministischen
       Frauen*gesundheitszentrum meinen Blick dahingehend geschärft und mich
       Maria Stuart noch mal mit einer neuen, feministischen Brille gewidmet habe,
       lese ich nicht nur ein spannendes Drama. Sondern ich werde mir vor allem
       der Geschichtserzählung und Erzählperspektive bewusst, die [3][von einem
       männlichen Blick geprägt] ist.
       
       Egal wie reflektiert, internalisierter Sexismus kann in uns hochkochen. Wie
       lebt man mit diesen Widerspruch – Feministin und eifersüchtig auf eine
       erfolgreiche Frau? 
       
       Indem wir lernen, Widersprüche auszuhalten. Das ist ein schwieriger,
       schmerzhafter Prozess. In „Stutenbiss“ will ich praktizieren, sich mit
       diesen Widersprüchen auseinanderzusetzen, aber auch mit dem Bild der
       vermeintlich „besseren“ Frau in Kontakt zu treten. Erst in der
       Auseinandersetzung miteinander wird klar, dass wir alle Verunsicherung
       verspüren. Es geht darum, eine gesunde Akzeptanz damit zu finden und sich
       zu fragen: „Was steckt dahinter?“
       
       6 Mar 2024
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] https://www.theaterluebeck.de/produktionen/stutenbiss_2023-24.html
 (DIR) [2] /Schillers-Maria-Stuart-in-Berlin/!5722423
 (DIR) [3] /Wie-KI-Sexismus-produziert/!5976975
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Neele Fromm
       
       ## TAGS
       
 (DIR) Feminismus
 (DIR) Theater
 (DIR) Lübeck
 (DIR) Performance
 (DIR) Bühne
 (DIR) Performance
 (DIR) Klassische Musik
 (DIR) Theater
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
 (DIR) „Malina“ und „hildensaga“ in Berlin: Gefangen in Erwartungsmustern
       
       Frauen werden zum Verschwinden gebracht. Davon erzählen zwei
       Theater-Inszenierungen, „Malina“ und „hildensaga. ein königinnendrama“.
       
 (DIR) Performance von Henrike Iglesias: Tanzend Richtung Mars fliegen
       
       Das Performance-Kollektiv Henrike Iglesias erobert mit „Space Dudes“ den
       Weltraum. In den Sophiensälen ging es auf queer-feministische Mission.
       
 (DIR) Psychologin über weibliche Wut und Musik: „Wut sucht sich einen Ausweg“
       
       Josefa und Vera Schmidt haben einen Konzertabend zum Thema weibliche Wut
       konzipiert. Die Basis dafür bilden Psychologie und persönliche Erfahrungen.
       
 (DIR) Explizites Liebes-Theater in Hannover: Selbstbeschimpfung on point
       
       Spektakulärer Text über kriselnden Feminismus: Julia Wissert inszeniert
       Sivan Ben Yishais „Liebe / Eine argumentative Übung“ am Schauspiel
       Hannover.