# taz.de -- Anklage wegen Vergewaltigung: Prozess ohne Zeugin
       
       > Das mutmaßliche Opfer einer Gruppenvergewaltigung im Görlitzer Park
       > erscheint nicht vor Gericht. Ohne ihre Aussage könnte der Prozess
       > platzen.
       
 (IMG) Bild: Richter und Anwälte im Görli-Prozess. Verhandelt wird in einem der größten Säle am Kriminalgericht Moabit
       
       Nun hängt alles an der Zeugin. Denn noch immer ist unklar, was genau in der
       Nacht zum 21. Juni im vergangenen Jahr im Görlitzer Park passiert ist. War
       es eine Gruppenvergewaltigung, wie die Zeugin in derselben Nacht noch
       gesagt hatte? Oder einvernehmlicher Sex, wie die Angeklagten behaupten?
       
       Derzeit sitzen drei Männer seit mehreren Monaten in Haft. [1][Besonders
       schwere Vergewaltigung, gefährliche Körperverletzung und besonders schwerer
       Raub] wirft die Staatsanwaltschaft ihnen vor. Die mutmaßliche Tat hatte
       eine Debatte über Sicherheit im Görli ausgelöst, [2][nun soll ein Zaun
       kommen]. Doch der Prozess, der die Geschehnisse aufklären soll, steht
       aktuell auf der Kippe.
       
       Denn die Zeugin, die eigentlich am Montag hätte aussagen sollen, war nicht
       vor Gericht erschienen. Sie hat die georgische Staatsbürgerschaft und lebt
       inzwischen wieder dort. Alles sei vorbereitet gewesen für ihre Reise nach
       Berlin, erklärt der Vorsitzende Richter Thilo Bartl. Anfang Februar habe
       sie dann aber gesagt, dass sie nicht kommen werde. Sie sei von der
       Situation überfordert, mit dem Verfahren, ihrem Mann und ihrer Familie. Und
       sehe sich gesundheitlich nicht in der Lage, auszusagen. Sie sei aber
       bereit, sich über die deutsche Botschaft in Georgien vernehmen zu lassen.
       
       Das kann allerdings dauern: Denn dafür müsste Deutschland bei Georgien um
       Rechtshilfe ersuchen. Mit einer Antwort sei der Erfahrung nach erst sechs
       Monate später zu rechnen, so Richter Bartl. „Georgien ist in der Hinsicht
       weit weg und bürokratisch äußerst gründlich“, sagt er. Denkbar sei auch,
       dass Georgien das Gesuch ablehne.
       
       ## Vorladung per Post
       
       Dabei geht es im Prinzip nur darum, einen Brief zuzustellen. Denn um sie in
       der deutschen Botschaft zu vernehmen, müsste Deutschland die Zeugin
       offiziell – also per Post – vorladen. So eine Ladung fällt aber unter die
       Hoheitsrechte eines jeden Landes. Aus diesem Grund müssten das die
       georgischen Behörden in die Wege leiten.
       
       Richter Bartl machte am Montag klar, dass er so ein Vorgehen im laufenden
       Verfahren für zu langwierig hält. Das habe die Zeugin „zu spät initiiert“.
       Aus seiner Sicht gäbe es zwei Szenarien: Entweder könnte das Gericht das
       Verfahren aussetzen und in der Zeit das Rechtshilfegesuch an Georgien
       stellen. Oder die Zeugin könne erklären, dass sie sich nicht vernehmen
       lassen werde. Dann könnte das Gericht ihre bisherigen Aussagen verwenden
       und im Gericht verlesen. In dem Fall wäre der Prozess möglicherweise
       ziemlich schnell vorbei.
       
       Vorbei heißt allerdings nicht aufgeklärt. Zu Prozessbeginn war ein neuer
       Beweis aufgetaucht: Ein Video, wohl gefilmt von einem der Angeklagten, das
       die Zeugin in der Tatnacht im Görlitzer Park zeigen soll. Und zwar bei
       einvernehmlichen sexuellen Handlungen mit einem der weiteren
       Tatverdächtigen und im Beisein ihres Mannes. Doch weder die Zeugin noch ihr
       Mann hatten bei der Polizei darüber berichtet. Aus Sicht der Verteidiger
       entlastet dieses Video mindestens einen der Tatverdächtigen. Der hatte
       nämlich wiederum erklärt, dass das Ehepaar ihn angesprochen und zu Sex mit
       der Frau aufgefordert hatte.
       
       Das [3][Video ist nur wenige Sekunden lang]. Die Ermittler stufen es als
       echt ein, doch was davor oder in den rund zehn Minuten danach bis zum
       Eintreffen der Polizei passiert ist, zeigt es nicht. „Ich bin davon
       überzeugt, dass etwas passiert ist“, sagt Roland Weber. Er ist
       ehrenamtlicher Opferbeauftragter des Senats und Anwalt der Zeugin. Dafür
       [4][würden die Aussagen der Zeugin sprechen, die Verletzungen, die bei ihr
       dokumentiert wurden], und auch die Anwohner, die Hilfeschreie aus dem Park
       gehört und die Polizei gerufen hatten. „Die Frage ist: Was ist nach dem
       Video passiert, wer ist wie involviert?“, sagt Weber.
       
       ## Verteidiger fordern Haftprüfung
       
       „Ohne Zeugenaussage kann das Gericht das nicht aufklären.“ Und wenn die
       Kammer das nicht könne, sei nach seiner rechtlichen Auffassung ein
       Freispruch „zwingend“. Weber bekräftigte, dass er die Zeugin noch am Montag
       über ihre Optionen informieren wolle und sie erneut bitten werde, nach
       Berlin zu kommen. „Ich hätte sie gern durch dieses Verfahren begleitet und
       ich hätte ihr eine Menge Hilfe zukommen lassen können“, sagt er.
       
       Am Donnerstag soll der Prozess fortgesetzt werden. Die Verteidiger
       kündigten an, dann eine Haftprüfung zu beantragen. Die Strafkammer müsse
       darüber zügig entscheiden, drängen sie.Damit könnten ihre Mandanten
       demnächst freikommen. Der Richter machte deutlich, dass auch ihm eine
       baldige Haftprüfung wichtig sei.
       
       12 Feb 2024
       
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       ## AUTOREN
       
 (DIR) Uta Schleiermacher
       
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