# taz.de -- Grünanlagengesetz und Görlitzer Park: „Ein Zaun bringt gar nichts“
       
       > Der Senat hat eine Novelle des Grünanlagengesetzes vorgelegt. Der
       > BUND-Baumschutzexperte Christian Hönig hält wenig von dem Entwurf.
       
 (IMG) Bild: „Die Grünanlagen sind übernutzt“, sagt Christian Hönig; im Görli kann man es sehen, am Dienstag schaut sich hier der Senat um
       
       taz: Herr Hönig, die vom Senat vorgelegte Novelle des Grünanlagengesetzes
       richtet sich unter anderem gegen die Vermüllung der Parks und
       Beschädigungen von Bäumen, Büschen & Co. Das müsste Sie als Baumschützer
       doch freuen. Trotzdem kritisiert der BUND das Vorhaben. Warum? 
       
       Christian Hönig: [1][Die Novelle löst die Probleme der Berliner Grünanlagen
       einfach nicht.] Da hat man jetzt irgendwelche Änderungen reingeschrieben,
       aber eines überhaupt nicht in den Blick genommen: den Naturschutz. Der
       eigentliche Punkt ist doch folgender: Die Grünanlagen sind übernutzt und in
       einem schlechten Zustand. Nicht nur die Erholungsfunktion leidet stark.
       Auch die ökologische Wertigkeit der Grünanlagen lässt häufig zu wünschen
       übrig. Das heißt nicht, dass sie gar keine ökologische Wirkung haben, aber
       sie könnten bedeutend mehr zur Klimawandelanpassung und zur Biodiversität
       beitragen.
       
       Ist das nicht etwas viel verlangt für einen Park? 
       
       Selbstverständlich kann nicht jede Grünanlage gleichermaßen Erholungsort
       für Sport und Freizeit, Biotop für Tiere und Pflanzen, effektives
       Entstehungsgebiet für Kaltluft und Regenversickerungsfläche sein, bei der
       idealerweise auch noch historisch wertvolle Gartengestaltungen erlebbar
       sind. Aber de facto haben wir schlichtweg zu wenig Grünflächen, damit all
       diese Funktionen flächendeckend der ganzen Stadt zugutekommen könnten. Wir
       leben in einer wachsenden Stadt, und je mehr Menschen nach Berlin ziehen,
       desto weniger Grünfläche gibt es rein rechnerisch pro Person. Gerade die
       innere Stadt ist komplett unterversorgt mit wohnungsnah fußläufig zu
       erreichendem Grün. Das gilt übrigens auch für das Tempelhofer Feld. So groß
       es auch ist, gibt es umliegend Quartiere, die statistisch unterversorgt
       ist. Das belegt auch der Senat herausgegebene Umweltatlas.
       
       Also: mehr Grünflächen schaffen. Aber größere Anstrengungen kann ich in der
       Hinsicht in Berlin nicht wirklich erkennen. 
       
       Wichtig ist daher ja auch erst einmal, [2][dass die bestehenden grünen
       Freiflächen nicht weiter zugebaut werden.] Dazu sollten durch Entsiegelung
       neue Räume geschaffen werden, die bestehenden Grünflächen aufgewertet und
       die Pflegemaßnahmen verbessert werden. Generell sollte das Konzept der
       sogenannten doppelten Innenentwicklung konsequent zu Ende gedacht und
       angewendet werden.
       
       Das meint genau was? 
       
       Doppelte Innenentwicklung bedeutet: Gleichzeitigkeit von baulicher und
       grüner Entwicklung. Eigentlich ist man sogar schon weiter und sieht für den
       Städtebau ein Leitbild einer dreifachen Innenentwicklung vor, bei der
       Siedlungs-, Verkehrs- und Grünflächen gleichberechtigt entwickelt werden
       sollen. Momentan sehen wir jedoch, dass sehr einseitig gebaut wird – und
       zwar gern dort, wo es noch grüne Freiräume gibt.
       
       Also alles ein Problem verfehlter Stadtplanung? 
       
       Auch. Wichtig wäre, dass man in der Stadtplanung wegkommt von dem
       vergleichsweise ungesteuerten Bauen nach Paragraf 34 des Baugesetzbuches,
       der Nachverdichtungen erleichtert, besser bekannt als
       „Lückenschluss-Paragraf“. Es muss wieder mehr mit Bebauungsplänen
       gearbeitet werden. Da stehen natürlich die Bezirksämter vor großen
       Herausforderungen, weil hier die Leute fehlen, die diese ganzen Pläne auch
       aufstellen können. Und wo wir dabei sind: Auch in den Grünflächen- oder
       Gartenämtern fehlen Mitarbeiter*innen, die die bestehenden Grünflächen
       pflegen.
       
       Im schwarz-roten Koalitionsvertrag wurde vollmundig versprochen, man werde
       die Zahl der unbesetzten Stellen stark reduzieren. Erwarten Sie mit Blick
       auf die Grünflächen- oder Gartenämter hier Besserung? 
       
       Nun ja. Man möchte zwar neue Gärtner*innen einstellen, aber Berlin tut
       sich extrem schwer, das nötige Personal für die jetzt neu geschaffenen
       Stellen zu bekommen. Lange hat man beim Personal gestrichen und jetzt
       möchte man die gern wiederhaben, aber – Überraschung – man findet gerade
       keine. Der Fachkräftemangel macht sich halt auch hier bemerkbar.
       
       Kommen wir zurück zum Grünanlagengesetz. Der Entwurf des Senats hebt ja zu
       wesentlichen Teilen darauf ab, Einschränkungen für die Nutzer*innen von
       Grünanlagen zu erleichtern. Stichwort: Görlitzer Park. Wie steht der BUND
       zu den Plänen, den Park in Kreuzberg zu umzäunen und nachts zu schließen? 
       
       Die dort bestehenden Konflikte und Problemstellungen wird man mit einem
       Zaun nicht lösen können. Alle Menschen, die sich mit Kriminalprävention
       beschäftigen, können bestätigen, dass durch die bloße Gestaltung des
       öffentlichen Raumes Kriminelle nicht davon abgehalten werden, Straftaten zu
       begehen. Durch solche Maßnahmen kann vielleicht das subjektive
       Sicherheitsgefühl angehoben werden. Die Kriminalität verlagert sich dann
       aber an andere Orte. Wenn man da jetzt einen Zaun um den Görli macht, dann
       passieren dort nachts vermutlich weniger Straftaten.
       
       Letztlich reden wir hier von sozialen Konflikten. 
       
       Richtig. [3][Das hat viel mit Armut zu tun, mit Suchtproblemen und
       aggressiver Männlichkeit.] Mit einem Zaun kommt man an die Ursachen dieser
       Probleme nicht ran. Man muss nur ein paar Meter weiter Richtung Kottbusser
       Tor gehen. Die kleine Grünanlage an der Skalitzer Straße ist seit der
       Sanierung auch nachts abgeschlossen. Trotzdem findet man morgens dort
       Spritzenbesteck in den Beeten. Der Wrangelkiez wird kein bisschen sicherer
       oder sauberer, bloß weil ich einen Zaun um den Görli ziehe. Das glaubt auch
       der Regierende Bürgermeister Kai Wegner nicht. Aber wir sind eine
       Naturschutzvereinigung. Wie die sozialen Probleme dort gelöst werden, ist
       nicht unsere Expertise. Da gibt es genug andere Menschen, die das besser
       beurteilen können. Wir sagen nur: Ein Zaun allein wird weder die Natur noch
       irgendeinen Park retten.
       
       23 Jan 2024
       
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