# taz.de -- Warnstreik im ÖPNV: Fridays for Verkehrswende
       
       > Beschäftigte der Verkehrsbetriebe kämpfen zusammen mit Fridays for Future
       > für gute Arbeitsbedingungen und Verkehrswende. Am Freitag wird gestreikt.
       
 (IMG) Bild: Wer auf den öffentlichen Nahverkehr angewiesen ist muss stark sein: Nach dem Bahnstreik ist vor dem Streik der BVG
       
       Berlin taz | Dass der Arbeitskampf bei den Berliner Verkehrsbetrieben weit
       mehr ist als nur eine weitere ritualisierte Tarifrunde, wurde bei der
       Pressekonferenz am Montagnachmittag im Verdi-Gewerkschaftshaus mehr als
       deutlich. „Wir brauchen nicht nur [1][bessere Arbeitsbedingungen], sondern
       bessere Rahmenbedingungen“, sagt Christine Behle, stellvertretende
       Vorsitzende der Dienstleistungsgewerkschaft, „Es geht auch um die Frage:
       Wollen wir eine Verkehrswende in diesem Land?“.
       
       Die Beschäftigten von insgesamt 132 kommunalen Verkehrsbetriebe verhandeln
       deutschlandweit neue Tarifverträge, darunter auch die BVG und die 14
       Brandenburger Verkehrsunternehmen. Unterstützt werden sie von den
       Klimaaktivist:innen von Fridays for Future, die mit der Kampagne „Wir
       fahren Zusammen“ ein Investitionspaket für die Verkehrswende fordern.
       
       Da die Verhandlungen bislang keine Ergebnisse gebracht haben, kündigt Verdi
       einen Warnstreik für Freitag an. Bei der BVG soll von Betriebsbeginn bis 10
       Uhr gestreikt werden, in Brandenburg den ganzen Tag.
       
       Die Ankündigung zum Warnstreik am Freitag folgte der ersten
       Verhandlungsrunde letzten Mittwoch zwischen BVG und Verdi. Aus Sicht der
       Gewerkschaft war das Ergebnis ernüchternd. Laut Verhandlungsführer Jeremy
       Arndt habe es von der Arbeitgeberseite kaum konkrete Aussagen zu den
       Forderungen gegeben – „obwohl sie die Forderungen schon seit Dezember
       kennt, hat die BVG kein ernsthaftes Angebot gemacht. Deswegen müssen wir
       zum Arbeitskampf aufrufen.“
       
       ## Bundesweiter Warnstreik am Freitag
       
       In Brandenburg sei die Situation noch schlimmer, so Arndt. Dort bestehen
       die Arbeitgeber auch nach der zweiten Verhandlungsrunde immer noch auf
       einer Verschlechterung der Arbeitsbedingungen wie eine Einstellung der
       Lohnfortzahlungen im Krankheitsfall und Ausweitung der Arbeitszeit auf 10
       Stunden pro Tag. „Man muss sich die Frage stellen, ob die Arbeitgeberseite
       überhaupt ernsthaft verhandeln will“, sagt Arndt.
       
       Wegen der besseren Ausgangslage werde daher in Berlin nur bis 10 Uhr
       morgens gestreikt, der normale Verkehrsbetrieb werde kurz danach wieder
       anlaufen.
       
       Verdi fordert eine Reihe von Maßnahmen, um die Arbeitsbedingungen der
       Fahrer:innen zu verbessern. Darunter sind eine Erhöhung der Ruhezeiten
       zwischen den Schichten von 11 auf 12 Stunden, 33 Tage Urlaub im Jahr für
       alle Mitarbeitenden sowie längere Pausen- und Wendezeiten. Gerade die
       Wendezeit von derzeit 4 Minuten sei derzeit ein großer Stressfaktor. Die
       Zeit reiche oft nicht einmal für einen Toilettengang, Verspätungen könnten
       kaum abgepuffert werden und übertragen sich oft auf die nächste Fahrt.
       Verdi fordert daher eine Erhöhung auf 10 Minuten.
       
       Da ein Großteil der Maßnahmen eine Reduktion der Nettoarbeitszeit zur Folge
       hat und somit den Personalbedarf noch weiter erhöht, tut sich die BVG
       entsprechend schwer damit, den Forderungen stattzugeben. Schon jetzt fehlen
       350 Busfahrer:innen, weswegen das Unternehmen [2][erst im Dezember den Takt
       auf vielen Buslinien ausdünnen musste]. Das Problem wird sich noch deutlich
       verschärfen: Die BVG spricht von 10.000 zu besetzenden Stellen in den
       nächsten fünf Jahren.
       
       ## Unterstützung durch die Fridays
       
       „Es hat sich seit vielen Jahren angekündigt, dass die Beschäftigten
       ausscheiden werden“, kritisiert Behle von Verdi. Die Verkehrsbetriebe
       hätten verschlafen, rechtzeitig gegenzusteuern.
       
       Der Warnstreik am Freitag wird auch die Bewährungsprobe für das
       [3][Wir-Fahren-Zusammen-Bündnis] von Fridays for Future und Verdi. Die
       Klimaaktivist:innen kündigten an, die BVG-Beschäftigten ab dem frühen
       Morgen auf den über die Stadt verteilten Streikposten mit Gesellschaft,
       Essen und Social-Media-Arbeit zu unterstützen. „Wir versuchen die negative
       Stimmung gegen Streiks ein wenig aufzulösen“, erklärt Daryah Sotoodeh von
       Fridays for Future.
       
       Die Klimaaktivist:innen wollen diese mit der Kampagne aktiv
       unterstützen – auch weil das Kernstück der Verkehrswende, die auch Fridays
       for Future fordert, eine Abkehr vom motorisierten Individualverkehr hin zum
       öffentlichen Nahverkehr ist.
       
       In einer Petition fordert das Bündnis eine Verdoppelung der
       ÖPNV-Infrastruktur bis 2030. Möglich machen soll das ein riesiges
       Investitionsprogramm von mindestens 16 Milliarden Euro pro Jahr. Bis jetzt
       konnten die Klimaaktivist:innen dafür über 67.000 Unterschriften
       sammeln, die sie beim Klimastreik am 1. März der Politik übergeben wollen.
       Gleichzeitig dient die Unterschriftensammlung auch dafür, gesellschaftliche
       Akzeptanz für den Arbeitskampf der BVG zu schaffen.
       
       ## Ohne Personal keine Verkehrswende
       
       Doch selbst mit dem politischen Willen droht der Arbeitskräftemangel zum
       Flaschenhals [4][der Verkehrswende] zu werden. Ohne deutlich attraktivere
       Arbeitsbedingungen wird es wohl kaum machbar sein, die aktuelle
       Personalbesetzung zu halten, geschweige denn aufzubauen – im Gegenteil,
       aufgrund der Überlastung denken viele Beschäftigte darüber nach, den Beruf
       zu verlassen.
       
       „Viele Kolleg:innen machen es davon abhängig, wie die Tarifrunde
       ausgeht, ob sie diesen Beruf noch dauerhaft ausführen wollen“, warnt
       Fachbereichleiter Arndt.
       
       29 Jan 2024
       
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