# taz.de -- Neuer Schuldenpakt in der EU: Kontraproduktiver Sparkurs
       
       > Staaten, die sich vor Schulden scheuen, haben am Ende nicht mehr Geld in
       > der Kasse. Das Gegenteil ist der Fall: Investitionen werden
       > Steuereinnahmen.
       
 (IMG) Bild: Gab dem Sparparadox seinen Namen und wäre inzwischen schon ganz schön alt: der alte britische Ökonom John Maynard Keynes
       
       Welches Land hat besser gewirtschaftet? Italiens Staatsschulden betragen
       momentan 142 Prozent der Wirtschaftsleistung, Deutschland kommt nur auf 66
       Prozent. Da scheint die Antwort einfach: Natürlich Deutschland! Die
       Bundesbürger fühlen sich als die Sparweltmeister in der Eurozone. Doch so
       einfach ist es natürlich nicht. Die eigentlichen Sparexperten sind nämlich
       die Italiener.
       
       In den 30 Jahren vor der [1][Coronapandemie], also von 1990 bis 2019,
       haben sie im Durchschnitt einen Primärüberschuss von 1,76 Prozent
       erwirtschaftet. Die Deutschen kamen in der gleichen Zeit nur auf 0,36
       Prozent. Primärüberschuss meint den Betrag, der im Staatshaushalt übrig
       bleibt, wenn man die Zinszahlungen abzieht. Das Problem ist nur: Eisernes
       Sparen hat den Italienern nichts genutzt. Die Staatsschulden blieben
       trotzdem hoch.
       
       Die Italiener sahen sich mit dem [2][Sparparadox] konfrontiert, wie dieses
       Phänomen einst von dem berühmten Ökonomen John Maynard Keynes getauft
       wurde. Der Teufelskreis ist simpel: Wenn ein Staat spart, dann fehlt die
       Nachfrage und bricht die Wirtschaft ein. Die Regierung hat vielleicht ein
       paar Milliarden gekürzt, aber durch die Rezession kommt es zu
       Steuerausfällen. Zudem ist ja nun die Wirtschaftsleistung geringer, sodass
       die Schuldenquote am Ende mindestens genauso hoch ist, wie sie schon vorher
       war.
       
       Ein Staat kann seine Schulden nicht zurückzahlen, sondern nur aus ihnen
       herauswachsen. Die Kredite verlieren automatisch an Bedeutung, wenn das
       Volkseinkommen zunimmt. Doch diese simple Logik wird von der Eurozone
       weiter ignoriert. Am Mittwoch einigten sich die Finanzminister auf eine
       Reform des drakonischen Schulden- und Stabilitätspakts, der nun zwar kleine
       Lockerungen vorsieht – aber unverändert darauf pocht, dass die Euroländer
       ihre Schulden zurückzahlen müssen.
       
       Schon im nächsten Jahr wird die EU-Kommission Defizitverfahren gegen
       Italien und Frankreich einleiten. Frankreichs Schulden liegen bei 114
       Prozent der Wirtschaftsleistung, was nie ein Problem war. Übrigens hat
       Deutschland direkt von diesen Schulden profitiert. Bekanntlich fährt die
       Bundesrepublik enorme Exportüberschüsse ein – was aber nur möglich ist,
       wenn andere Länder mehr importieren und dafür Kredite aufnehmen. Das
       [3][deutsche Plus im Handel mit Frankreich] betrug allein 2022 rund 47
       Milliarden Euro.
       
       Der europäische Sparkurs ist sinnlos, hat aber dramatische Konsequenzen.
       Unter anderem wird das Geld fehlen, um in den Klimaschutz zu investieren.
       Aber die Logik der Deutschen ist eben eigentümlich: Die Welt kann ruhig
       untergehen. Hauptsache, wir haben dann kaum Schulden.
       
       23 Dec 2023
       
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