# taz.de -- Lindner gegen Kohleausstieg 2030: FDP will Koalitionsvertrag verfeuern
       
       > Bundesfinanzminister Lindner spricht sich gegen einen vorgezogenen
       > Kohleausstieg 2030 aus. Im Koalitionsvertrag ist der als Ziel aber
       > festgeschrieben.
       
 (IMG) Bild: Schlechte Umfragewerte, Unmut in der eigenen Partei: Jetzt geht FDP-Chef Lindner auf Kohle-Fans zu
       
       Berlin taz | Der Ampel droht neuer Streit: Bundesfinanzminister Christian
       Lindner (FDP) stellt das Ziel infrage, den Kohleausstieg auf das Jahr 2030
       vorzuziehen. Damit versucht er, ein Vorhaben aus dem Koalitionsvertrag mit
       seinen Partnern SPD und Grünen abzuräumen.
       
       Der Hintergrund: Die Große Koalition [1][hatte den Kohleausstieg für das
       Jahr 2038 auf den Weg gebrach]t. Das Verbrennen von Kohle zur Strom- oder
       Wärmegewinnung ist extrem klimaschädlich. Deshalb haben die Parteien der
       Ampelregierung beschlossen, den Kohleausstieg nach Möglichkeit früher zu
       erreichen. „Schritt für Schritt beenden wir das fossile Zeitalter, auch,
       indem wir den Kohleausstieg idealerweise auf 2030 vorziehen“, heißt es im
       Koalitionsvertrag.
       
       Davon ist Lindner, der auch FDP-Vorsitzender ist, jetzt abgerückt. „Solange
       nicht klar ist, dass Energie verfügbar und bezahlbar ist, sollten wir die
       Träume von einem Ausstieg aus dem Kohlestrom 2030 beenden“, [2][sagte
       Lindner dem Kölner Stadt-Anzeiger.] Energie sei teuer, solange sie knapp
       sei. „Deshalb ist jetzt nicht die Zeit, Kraftwerke abzuschalten“, sagte er.
       Darüber hinaus stellt er in Frage, dass ein Ausstieg dem Klimaschutz dient.
       „Für das Klima bringt dieses Datum ohnehin nichts, da die in Deutschland
       eingesparten CO2-Emissionen aufgrund der europäischen Regeln zum Beispiel
       in Polen zusätzlich anfallen dürfen“, sagte er. Das grün geführte
       Bundeswirtschaftsministerium weist das allerdings zurück. Auch auf
       Betreiben der Bundesregierung seien Regelungen auf europäischer Ebene
       entsprechend geändert worden, hieß es.
       
       Lindners Vorstoß ist kein Alleingang. In der FDP-Bundestagsfraktion hat er
       Rückendeckung. Menschen und Unternehmen in Deutschland litten unter hohen
       Strompreisen, sagte der energiepolitische Sprecher der
       FDP-Bundestagsfraktion, Michael Kruse. „Um die Strompreise zu senken, muss
       das knappe Energieangebot ausgeweitet werden.“
       
       Deshalb sind aus seiner Sicht frühere Kraftwerksabschaltungen nicht
       sinnvoll. „Ein politisch festgelegtes Ausstiegsdatum 2030 bringt dem
       Klimaschutz ohnehin nichts, da die vermeintlich eingesparten CO2-Emissionen
       woanders anfallen dürfen“, sagte auch er. Der Vorstoß der FDP dürfte neben
       der Sorge um hohe Strompreise auch schlechten Umfragewerten und
       Wahlergebnissen geschuldet sein.
       
       ## Kritik an Lindner
       
       Die energiepolitische Sprecherin der SPD-Bundestagsfraktion, Nina Scheer,
       fordert in der Debatte einen anderen Fokus. „Auch mit Blick auf
       Bezahlbarkeit und Energiesicherheit müssen wir unsere vollständige
       energiepolitische Kraft darauf verwenden, den Ausbau der erneuerbaren
       Energien und von Speichern weiter zu beschleunigen“, sagte sie. „Hier haben
       wir schon gute Fortschritte erzielt; weitere stehen bevor.“ Die grüne
       Bundestagsabgeordnete Kathrin Henneberger weist die Forderung der FDP
       zurück. „Die Klimakrise verschärft sich täglich“, sagte sie. „Deshalb
       müssen wir nicht später, sondern früher aus der Verbrennung von Braun- und
       Steinkohle aussteigen.“
       
       Auch die Linkspartei kritisiert den Vorstoß. „Lindner präsentiert sich mal
       wieder als die personifizierte klimapolitische Verantwortungslosigkeit“,
       sagte die Linkspartei-Vorsitzende Janine Wissler. „Statt nach Wegen zu
       suchen, die Klimaziele einzuhalten, behauptet er einfach, das sei unmöglich
       und obendrein irrelevant.“
       
       Der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) weist Lindners
       Forderung ebenfalls zurück. „Es steht völlig außer Frage, dass der
       Kohleausstieg 2030 unverzichtbar ist, um die Klimaziele zu erreichen“,
       sagte der BUND-Vorsitzende Olaf Bandt. Wie das Bundeswirtschaftsministerium
       weist er die Behauptung zurück, dass ein vorzeitiger Kohleausstieg keine
       Auswirkungen auf das Klima hätten. „Die in Deutschland dadurch
       freiwerdenden CO2-Zertifikate müssen gelöscht werden, damit die Emissionen
       auch nicht an anderer Stelle in Europa anfallen“, sagte er. „Falsche
       Informationen werden nicht richtig, nur weil sie beharrlich wiederholt
       werden.“
       
       ## Ausstieg schon eingeleitet
       
       Dass der vorgezogene Ausstieg keine leere Worthülse im Koalitionsvertrag
       ist, zeigen die Pläne für das Rheinische Kohlerevier. Die schwarz-grüne
       Landesregierung in NRW, das Bundeswirtschaftsministerium und das
       Unternehmen RWE haben im vergangenen Jahr vereinbart, dass der
       Kohleausstieg dort auf 2030 vorgezogen wird. [3][Vor einem Jahr hatte die
       Bundesregierung – mit Lindners Zustimmung – die Grundlage dafür auf den Weg
       gebracht.]
       
       Auch in Ostdeutschland ist nach Auffassung von BUND-Chef Bandt der
       vorgezogene Ausstieg eingeleitet. „In Ostdeutschland geht es nur noch um
       den genauen Abschaltplan für die Kohlekraftwerke“, sagte er. „Kohlestrom
       wird durch die enorme Marktdynamik der erneuerbaren Energien schon bald
       nicht mehr gebraucht werden.“
       
       1 Nov 2023
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] /Ausstiegsplan-nimmt-letzte-Huerde/!5693720
 (DIR) [2] https://www.ksta.de/politik/christian-lindner-mein-auftrag-ist-nicht-der-spendable-onkel-zu-sein-674934
 (DIR) [3] /Bundeskabinett-zum-Kohleausstieg/!5888960
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Anja Krüger
       
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