# taz.de -- Umgang mit Konzernprofiten: Zukunftsgeld statt Zufallsgewinn
       
       > Eine Übergewinnsteuer könnte der EU Geld einbringen, das in ihrem Budget
       > fehlt, zeigt eine Studie. Deutschland hat das Instrument auslaufen
       > lassen.
       
 (IMG) Bild: Exxon Mobil Tanks am Hafen von Rotterdam
       
       Brüssel taz | Eine europaweite Übergewinnsteuer könnte zusätzliche
       Einnahmen von bis zu 126 Milliarden Euro pro Jahr generieren und den
       Übergang zur klimaneutralen Wirtschaft erleichtern. Zu diesem Ergebnis
       kommt eine neue Studie der renommierten Universität Greenwich, die der taz
       vorab vorlag. Die Mehreinnahmen entsprechen ungefähr 0,8 Prozent der
       Wirtschaftsleistung der EU oder 280 Euro pro Bürger.
       
       Die Studie hat der grüne Europaabgeordnete Rasmus Andresen in Auftrag
       gegeben. Die EU hatte im vergangenen Jahr eine Übergewinnsteuer im
       Energiesektor angekündigt. Nach einer Klage des [1][US-Ölkonzerns Exxon]
       war es um das Thema jedoch still geworden. In Deutschland ist das
       Instrument im Juni ausgelaufen. Zuletzt hatte Italien angekündigt, [2][die
       Extraprofite der Banken zu besteuern].
       
       „Während die Preise steigen und die Mehrheit der Menschen real an Einkommen
       verliert, haben viele Konzerne seit der Pandemie hohe Zufallsgewinne
       gemacht“, sagte Andresen. Die EU müsse hier gegensteuern, denn die
       Ungleichheit habe nicht nur negative ökonomische Folgen. Sie gefährde auch
       den sozialen Zusammenhalt und trage zum Erstarken von rechtsextremen
       Parteien bei.
       
       Konkret schlagen die Forscher vor, Zufallsgewinne erst ab einem bestimmten
       Prozentsatz zu besteuern. Die Steuer soll erst bei Profiten greifen, die
       die Schwelle von zehn Prozent aller Vermögenswerte überschreiten. Der
       Steuersatz soll zunächst bei 20 Prozent, bei höheren Gewinnen bei 40
       Prozent liegen. Dieser progressive Ansatz soll es den Unternehmen erlauben,
       weiter wichtige Investitionen zu tätigen.
       
       ## Finanzspritze für das EU-Budget
       
       Betroffen wären nach Angaben der Forscher von allem die Bereiche Industrie,
       Energie, Transport, Informationstechnologie und Finanzwirtschaft. Die
       Steuer soll nach dem Bestimmungsland-Prinzip berechnet werden – also an dem
       Ort, wo der Gewinn tatsächlich erwirtschaftet wird. So ließe sich nach
       Ansicht der Experten die Gefahr von Steuervermeidung und Abwanderung
       bannen.
       
       Die Zahlen stützen sich auf Berechnungen aus dem Jahr 2022. Dies sei –
       wegen Energiekrise und Gewinninflation – zwar ein Ausnahmejahr gewesen.
       Dennoch habe die Studie gezeigt, wie viel Potenzial eine Übergewinnsteuer
       birgt.
       
       Progressive Ökonomen und Politiker werben seit Langem für eine Abschöpfung
       der Extraprofite – bisher ohne großen Erfolg. In der EU scheitert eine
       Übergewinnsteuer vor allem daran, dass für die Steuerpolitik die
       Mitgliedsländer zuständig sind. Das Europaparlament fordert zwar, dass die
       EU auch über Eigenmittel verfügen müsse, die aus neuen Steuern finanziert
       werden könnten. Die Reformbemühungen kommen jedoch kaum voran.
       
       Neuen Auftrieb hat die Debatte durch die rasant steigenden Zinsen erhalten.
       Sie bescheren nämlich nicht nur den Banken neue Gewinne. Sie belasten auch
       das ohnehin schon durch die Ukraine-Hilfe und andere Sonderausgaben
       [3][überforderte EU-Budget], das sich rund zur Hälfte aus Schulden
       finanziert. Die EU-Kommission fordert deshalb einen Nachschlag, doch die
       Staaten sträuben sich.
       
       Eine zentrale Rolle spielen Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP)
       und Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne). Lindner will den Deutschen
       und den Europäern im kommenden Jahr einen strikten Sparkurs verordnen.
       Habeck hat die Abschöpfung sogenannter Überschusserlöse auf dem Strommarkt
       Ende Juni auslaufen lassen. Bis Ende März waren nur rund 417 Millionen Euro
       zusammengekommen.
       
       Das reiche nicht, um den Aufwand zu rechtfertigen, hieß es in Berlin. Sein
       grüner Parteifreund Andresen hält nun dagegen. „Die ökonomische Spaltung
       wird zum Problem für unsere Demokratie“, sagte er in Brüssel. Es sei Zeit,
       „konkrete Instrumente zu beschließen, die allen Menschen eine bessere
       Zukunft ermöglichen.“ Nur so sei auch eine sozial verträgliche Klimawende
       zu schaffen.
       
       15 Oct 2023
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] /Exxon/!t5029281
 (DIR) [2] /Uebergewinnsteuer-in-Italien/!5953425
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       ## AUTOREN
       
 (DIR) Eric Bonse
       
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