# taz.de -- Bewegungstermine in Berlin: Für ein autonomes Leben
       
       > Klima, reproduktive Rechte, Iran, Wohnen – am Wochenende gilt es,
       > Widerstand gegen Angriffe auf das selbstbestimmte Leben zu leisten.
       
 (IMG) Bild: Reaktionäre Christen stellen sich am Samstag gegen Schwangerschaftsabbrüche
       
       Ein großer Teil des Diskurses über Klimaschutz besteht bekanntlich aus
       „Blah, blah, blah“, also aus viel Greenwashing und wenig Konkretem. Eine
       der wenigen Ausnahmen, wo überhaupt Verbindliches zu finden ist, ist das
       Klimaschutzgesetz. Verabschiedet wurde es 2019 unter dem Druck der Fridays
       for Future, die damals 1,4 Millionen Menschen auf die Straße brachten.
       Erstmals wurden so – allerdings viel zu schwache – verbindliche Sektorziele
       für die Emissionsminderung gesetzlich verankert.
       
       Doch das war, bevor die FDP an die Regierung kam. Seither muss man offenbar
       Rücksicht nehmen auf die Unfähigkeit der FDP-Minister. [1][So sollen
       künftig die verbindlichen Sektorziele abgeschafft und stattdessen alle
       Bereiche zusammengerechnet werden], weil Verkehrsminister Wissing seine
       Arbeit nicht gemacht hat. Derweil erhöht die Ampel die CO2-Steuer,
       [2][verweigert aber bisher die Auszahlung des Klimageldes], weil dies laut
       Lindner – Achtung, ernstgemeinte Rechtfertigung – bisher technisch nicht
       möglich sein soll.
       
       Es wäre so leicht, sich über die sonst so auf Leistungsideologie abfahrende
       FDP lustig zu machen – wären die Gelackmeierten in diesem Witz nicht wir
       alle, die noch vorhaben, ein gutes Leben auf diesem Planeten zu führen.
       
       Es hilft deshalb nix, Klimaschutz bleibt Handarbeit. Um das Schlimmste zu
       verhindern, muss die Klimabewegung deshalb [3][beim kommenden Globalen
       Klimastreik (15.09, 12 Uhr, Brandenburger Tor)] absurderweise für die
       Einhaltung eines eigentlich völlig unzureichenden Gesetzes protestieren.
       Notwendig ist das aber allemal: Wenn es in absehbarer Zeit keinen „system
       change“ geben wird, müssen wenigstens die Grünen unter Druck gesetzt
       werden, ihr Rückgrat zu finden, um die Marktfundamentalist:innen der
       FDP noch irgendwie in die Schranken zu weisen.
       
       ## Burn the patriarchy
       
       Apropos Fundamentalist:innen: Auch in diesem Jahr werden am Samstag
       (16.09.) viele christliche Fundis beim so genannten „Marsch für das Leben“
       gegen sexuelle und reproduktive Selbstbestimmung von Frauen* und gegen
       Sterbehilfe protestieren. Die Veranstaltung lebt von ihrer Offenheit nach
       Rechts: Christen, Konservative und AfDler/Rechtsextreme marschieren dort
       traditionell Seit' an Seit' – und setzen dabei auch schon mal
       Schwangerschaftsabbrüche mit dem Holocaust gleich.
       
       Es handelt sich dabei nicht etwa um ungefährliche Durchgeknallte. Hinter
       dem Aufmarsch steht [4][ein europaweit koordiniertes Projekt], das die
       politische Kontrolle über Frauen*körper zum Ziel hat. Gefordert wird das
       völlige Verbot von Schwangerschaftsabbrüchen oder zumindest, dass Frauen*
       noch mehr genötigt werden, ungewollte Schwangerschaften auszutragen. Dabei
       hat der mittelalterlich anmutende Paragraf 218, der
       Schwangerschaftsabbrüche unter Strafe stellt, von der nur nach
       unfreiwilliger Beratung und der Einhaltung gesetzlicher Fristen abgesehen
       wird, bis heute Bestand.
       
       Doch die Fundis wollen noch viel mehr. Es geht nicht nur um das christliche
       Dogma des unantastbaren Lebens. Was ihren Protest für Rechte so anziehend
       macht, ist die dahinterstehende patriarchale Ideologie: Frauen* sollen dem
       Mann unterstehen, der arbeiten geht oder in den Krieg zieht. Die
       heteronormative Familie wird als kleinste Einheit eines Staates gedacht,
       der die konservativen bzw. religiösen Werte wahrt. Der Feminismus ist da
       ein Feindbild, weil dieser statt von einer hierarchischen
       Gesellschaftsordnung von selbstbestimmten Menschen ausgeht.
       
       Dazu kann nur gesagt werden: „What the fuck?!“. Zum Glück werden Menschen
       aus dem Umfeld eines gleichnamigen queerfeministischen Bündnisses auch in
       diesem Jahr [5][unter dem Motto „Burn the Patriarchy“] versuchen, den
       Aufmarsch zu stören. Am Washingtonplatz wird es ab 10:30 Uhr einen
       Infopunkt geben. [6][Auf der Webseite der Gruppe] finden sich auch Termine
       der Fundis jenseits des Marsches, die mensch besuchen könnte, um einfach
       mal „Hallo“ zu sagen.
       
       Einen etwas niedrigschwelligeren Protest veranstaltet das [7][Bündnis für
       sexuelle Selbstbestimmung], ein breiter Zusammenschluss etwa aus
       Beratungsstellen, feministischen Gruppen, Parteien und Gewerkschaften. Die
       Auftaktkundgebung zum Aktionstag unter dem Motto „Leben und lieben ohne
       Bevormundung“ beginnt um 12 Uhr am Brandenburger Tor, von wo aus ein
       Protestzug zum Bebelplatz ziehen wird. [8][Auf dieser Aktionskarte] hat das
       „What the fuck?!“-Bündnis die Protestlage anschaulich zusammengefasst.
       
       ## Jin, Jiyan, Azadî
       
       Wohin es letztlich führt, wenn religiöse Fundamentalist:innen in
       einer Gesellschaft das Sagen übernehmen, davon können die iranischen
       Aufständigen ein Lied singen. Am 16. September vor einem Jahr wurde Jina
       Amini von der iranische Sittenpolizei höchstwahrscheinlich getötet, nachdem
       sie wegen eines angeblichen Verstoßes gegen die Zwangsverschleierung
       verhaftet worden war. Seither reißt der Aufstand unter der Parole „Jin,
       Jiyan, Azadî“ gegen das Mullah-Regime nicht ab, welches sich nur noch dank
       seines brutalen Repressionsapperates an der Macht halten kann.
       
       Zum Jahrestag des Aufstandbeginns rufen iranische Diaspora-Gruppen zu
       Protesten auf. Unter dem Motto „Liberation is our right, Jina symbol of our
       fight“ ruft das [9][Jina Collective] am [10][Freitag (15.09.) zu einer
       Abenddemo auf], die um 20 Uhr vom Hermannplatz zum Kottbusser Tor zieht. Am
       Samstag (16.09., 17 Uhr) ruft etwa das [11][Woman*, Life,
       Freedom-Kollektiv] zu einer [12][Demo am Bebelplatz] auf. [13][Das
       RegenbogenKino zeigt auch einen Film] über politische Arbeit im Iran der
       1980er Jahre (16.09., 16 Uhr).
       
       ## Wohnungskämpfe nicht vergessen
       
       Berlin steht also ein munteres Protestwochenende bevor. Abgerundet werden
       kann dieses noch am Sonntag mit dem Kampf gegen die Immobilienkonzerne, die
       das Leben in dieser Stadt unbezahlbar machen. Ein stadtpolitisches Mittel,
       dagegen vorzugehen, war lange das bezirkliche Vorkaufsrecht – bis dieses
       von Eigentümern weggeklagt wurde. Doch laut Linken und Grünen greift unter
       bestimmten Bedingungen das Vorkaufsrecht weiterhin, etwa, wenn Häuser in
       Milieuschutzgebieten Leerstand aufweisen oder verfallen gelassen wurden.
       
       Möglicherweise ist das Vorkaufsrecht also noch nicht final gestorben. Für
       [14][die Weichselstr. 52] und [15][die Hermannstr. 123] in Neukölln will
       der Bezirk derzeit erstmals wieder das Vorkaufsrecht ziehen. Besonders kein
       Bock haben die Bewohner:innen der Weichselstraße [16][auf ihren
       möglichen neuen Inhaber], die Hansereal Gruppe, der AfD-Verbindungen
       nachgesagt werden und die derzeit auch die berüchtigte Liebigstr. 14 und
       die Rigaer Str. 95/96 verscherbeln will. Gemeinsam rufen die Häuser den
       Senat auf, Geld für den Vorkauf herauszurücken und das Vorkaufsrecht so
       wiederzubeleben. [17][Am Sonntag (17.09.) startet um 13 Uhr eine Demo] in
       der Weichselstr. 52 und zieht zum „Dorfplatz“ im Friedrichshainer Nordkiez.
       
       14 Sep 2023
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] /Reform-des-Klimaschutzgesetzes/!5939024
 (DIR) [2] /Klimaaktivismus-vor-dem-Kanzleramt/!5955198
 (DIR) [3] https://fridaysforfuture.de/klimastreik/
 (DIR) [4] /Online-Petitionen-gegen-Abtreibung/!5786746
 (DIR) [5] https://whatthefuck.noblogs.org/2023-2/
 (DIR) [6] https://whatthefuck.noblogs.org/was-treiben-die-fundis/#more-2751
 (DIR) [7] https://www.sexuelle-selbstbestimmung.de/18289/aktionstag-fuer-sexuelle-selbstbestimmung-16-09-2023/
 (DIR) [8] https://whatthefuck.noblogs.org/files/2023/09/Karte-2023-cleaned-PNG.png
 (DIR) [9] https://www.instagram.com/jina_collective/?hl=de
 (DIR) [10] https://www.instagram.com/p/CwVDIMwti3U/?hl=de
 (DIR) [11] https://twitter.com/WomanLifeFreed1
 (DIR) [12] https://berlin.interventionistische-linke.org/termin/jin-jiyan-azadi-solidaritaet-mit-den-protesten-im-iran-0
 (DIR) [13] https://stressfaktor.squat.net/node/294216
 (DIR) [14] https://weichsel52.de/
 (DIR) [15] https://www.linksfraktion.berlin/politik/presse/detail/weichselstrasse-52-und-hermannstrasse-123-vorkaufsrecht-ziehen-mieterinnen-schuetzen/
 (DIR) [16] /Neukoelln-will-Haeuser-vor-Verkauf-retten/!5946358
 (DIR) [17] https://stressfaktor.squat.net/node/295103
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Timm Kühn
       
       ## TAGS
       
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