# taz.de -- China geht gegen korrupte Ärzte vor: Probleme im Gesundheitswesen
       
       > Xi Jinping weitet die Antikorruptionskampagne auf das Gesundheitswesen
       > aus. Es geht gegen Krankenhausleiter und Pharma-Manager.
       
 (IMG) Bild: Präsident Xi Jinping hat den Kampf gegen die Korruption ausgerufen
       
       Peking taz | Nur wenige Branchen sind in China so korruptionsanfällig wie
       das Gesundheitswesen. Doch was zuvor meist mit resigniertem Schulterzucken
       quittiert wurde, landet nun immer öfter vor Gericht.
       
       Die spektakulärsten Fälle schaffen es sogar fast täglich auf die Titel der
       Staatszeitungen: Der Vize-Präsident eines Krankenhauses im nordöstlichen
       Liaoning soll umgerechnet 400.000 Euro von einem Pharma-Konzern angenommen
       haben, um ihm zu Aufträgen zu verhelfen. Im südlichen Yunnan ließ sich ein
       Oberarzt 2 Millionen Euro zahlen, damit sein Spital medizinische Geräte
       eines bestimmten Herstellers kauft.
       
       Ende Juli rief die zentrale Disziplinarkommission der Kommunistischen
       Partei eine Antikorruptionskampagne im Gesundheitswesen aus. Lokale
       Behörden wurden aufgefordert, ihre Strafverfolgung zu intensivieren und vor
       allem hochrangige Funktionäre ins Visier zu nehmen.
       
       Bald rollten erste Köpfe: Allein bis Mitte August wurde schon gegen mehr
       als 150 Leiter öffentlicher Kliniken ermittelt, mehr als doppelt so viele
       wie 2022. Auch Spitzenmanager von Arzneimittelherstellern wurden zur
       Zielscheibe.
       
       ## Aktienkurse von Pharmafirmen brechen ein
       
       Auf den Finanzmärkten brachen die Aktienkurse von Pharmafirmen ein. Laut
       Berechnungen der Hongkonger South China Morning Post wurden allein in den
       ersten zwei Wochen der Kampagne Marktwerte von rund 9 Milliarden Euro
       vernichtet.
       
       In vorauseilendem Gehorsam sagten Branchenverbände in diesem Monat
       kurzfristig schon mindestens elf medizinische Konferenzen ab, berichtet das
       chinesische Onlinemedium The Paper. Zwar wurden keine Gründe genannt, doch
       ein Zusammenhang mit der Kampagne ist offensichtlich:
       Gesundheitskonferenzen wurden schließlich in der Vergangenheit von der
       Pharmaindustrie dafür genutzt, um Bestechungsgelder in Form von
       Vortragshonoraren zu verteilen.
       
       In Chinas Krankenhäusern stellen die Ärzte nicht nur Rezepte aus, sondern
       verfügen meist über hauseigene Apotheken, wo sie über die Wahl der
       verkauften Arzneimittel verfügen können.
       
       In einer Studie vom Februar untersuchten Forscher der Peking-Universität
       die Gründe für die verbreitete Korruption. Allen voran machten die Autoren
       den finanziellen Druck unter den Medizinern verantwortlich.
       
       ## Ohne Korruption kein Auskommen der Ärzte?
       
       „In unserem Bezirkskrankenhaus können über 60 Prozent der Ärzte ihre
       Familien nicht ernähren, wenn sie sich nur auf ihre Gehälter verlassen“,
       wird ein Doktor zitiert. Eine Oberärztin sagt: „Wenn die meisten Kollegen
       auf meiner Station Schmiergelder erhalten, kann ich diese doch nicht
       ablehnen. Ich werde isoliert, wenn ich ihrem Beispiel nicht folge.“
       
       Entsprechend dürfte die [1][derzeitige Antikorruptionskampagne] vor allem
       die Symptome bekämpfen, nicht die Ursache. Denn ohne bessere Finanzierung
       des Gesundheitswesens dürfte es kaum nachhaltige Verbesserungen geben.
       
       Bemerkenswerterweise sehen viele Publizisten die Maßnahmen der Behörden
       skeptisch. Hu Xijin, früherer Chefredakteur der nationalistischen Global
       Times, mahnt: „Wir sollten umfassend sicherstellen, dass die
       Korruptionsbekämpfung innerhalb des gesetzlichen Rahmens durchgeführt wird.
       Dies ist keine sogenannte Massenbewegung.“
       
       Er spielt auf die radikalen Kampagnen der 60er Jahre unter
       [2][Staatsgründer Mao Tse-tung] an, die weit über ihr intendiertes Ziel
       hinausschossen. Die Furcht ist berechtigt. Auf der Onlineplattform Weibo
       findet schon eine regelrechte Hexenjagd gegen das Gesundheitspersonal
       statt. Unzählige Ärzte werden namentlich an den Pranger gestellt und ohne
       Beweise schwerwiegender Korruption bezichtigt.
       
       15 Aug 2023
       
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