# taz.de -- Expertin über EU-Lieferkettengesetz: „Es gibt noch Nachholbedarf“
       
       > Das EU-Lieferkettengesetz zwingt Unternehmen zu mehr Sorgfalt, sagt
       > Cornelia Heydenreich von Germanwatch. Betroffene könnten mehr geschützt
       > werden.
       
 (IMG) Bild: Auch ihre Arbeitsbedingungen könnten sich verbessern: Arbeiter in einer Coltan-Mine im Kongo
       
       taz: Frau Heydenreich, das EU-Parlament hat seine Position zum
       Lieferkettengesetz verabschiedet, sind Sie mit dem Ergebnis zufrieden? 
       
       Cornelia Heydenreich: Es ist ein wichtiger Schritt und es ist der
       progressivste bisher. Von daher ist es gut, dass das Gesetz jetzt nicht
       noch weiter verwässert wurde, wie von einigen [1][EVP-Abgeordneten]
       gefordert. Alle drei Akteure auf EU-Ebene haben ihre Position jetzt
       festgelegt, erst die Kommission im Februar letzten Jahres, dann der EU-Rat
       im Dezember und jetzt das EU-Parlament. Und nun geht es in die finalen
       Verhandlungen.
       
       Das Lieferkettengesetz soll den Klimaschutz stärken und Menschenrechte
       schützen. Was erhoffen Sie sich von dem Gesetz? 
       
       Wir erwarten uns eine Wirkung auf zwei Ebenen. Einmal auf präventiver
       Ebene. Unternehmen bekommen bestimmte menschenrechtliche und umweltbezogene
       Sorgfaltspflichten auferlegt. So werden Beschäftigte und Umwelt besser
       geschützt. Konkret heißt das, dass sie Risiken in ihren Liefer- und
       Wertschöpfungsketten analysieren müssen. Falls diese zu hoch sind, müssen
       sie Maßnahmen ergreifen. Das Gesetz soll Betroffenen zudem ermöglichen,
       ihre Rechte einzuklagen.
       
       Wer kontrolliert, ob das Lieferkettengesetz eingehalten wird? 
       
       Das Gesetz hat zwei Durchsetzungsebenen. Einerseits soll eine staatliche
       Behörde die Einhaltung kontrollieren. Eine solche Behörde gibt es in
       Deutschland bereits, das [2][Bundesamt für Wirtschaft und
       Ausfuhrkontrolle]. Die Unternehmen müssen jährlich einen Bericht abgeben,
       und das Bundesamt kontrolliert auch bei konkreten Hinweisen sowie proaktiv.
       Wenn ein Unternehmen sich nicht an die Regeln hält, kann es bestraft
       werden. Andererseits soll das EU-Gesetz über Gerichte durchgesetzt werden.
       Betroffene könnten in konkreten Fällen klagen und einen Schadensersatz
       einfordern.
       
       Das heißt, in Deutschland werden Unternehmen und ihre Lieferketten bereits
       kontrolliert. Was wäre neu an dem EU-Gesetz? 
       
       Das Lieferkettengesetz bessert die deutsche Regelung nach. Das deutsche
       Gesetz fokussiert sich stark auf die direkten Lieferanten, nicht aber auf
       entfernte Zulieferer in der tieferen Lieferkette. Wenn das EU-Gesetz in
       Deutschland umgesetzt wird, dann sind die Unternehmen mehr dazu angehalten
       zu schauen: Wo sind meine größten Risiken? Das ist dann vielleicht nicht
       der direkte Zulieferer, der mir die Fertigteile für das Auto liefert,
       sondern eher der Rohstoffabbau fünf oder acht Schritte weiter in der
       Lieferkette, wo die größeren [3][ökologischen und menschenrechtlichen
       Risiken] liegen.
       
       Wo sehen Sie noch Nachholbedarf in den Vorschlägen der EU? 
       
       Vor allem aus Sicht der Betroffenen in Asien oder Afrika gibt es noch
       Nachholbedarf. Denn noch immer ist es so, dass Menschen, die in den
       Lieferketten arbeiten und möglicherweise gegen ein Unternehmen klagen
       wollen, selbst in der Beweispflicht sind. Sie müssen über konkrete Beweise
       nachweisen, dass ein Unternehmen seine Sorgfaltspflicht verletzt hat. Dafür
       muss man Einblicke in die internen Prozedere des Unternehmens haben, was
       den Betroffenen oft fehlt.
       
       Wirtschaftsverbände warnen, dass sich Unternehmen aus Ländern des Globalen
       Südens zurückziehen werden. Ist die Warnung begründet? 
       
       Das wird immer wieder als Horrorszenario in den Diskurs gebracht. Aber so
       wie die Sorgfaltspflicht jetzt in dem Gesetz angelegt ist, wäre der Rückzug
       wirklich nur der allerletzte Schritt. Es geht darum, vor Ort Änderungen
       vorzunehmen. Vielleicht braucht ein Unternehmen ein oder zwei Jahre, um
       sich neu zu sortieren, aber viele sind so von bestimmten Rohstoffen
       abhängig, dass sie sich gar nicht zurückziehen können. Wir hören eher, dass
       sie durch die Regelungen resilienter werden können, weil sie sich ihre
       Lieferketten genau anschauen und überlegen müssen, wie sie Risiken vorab
       vermeiden.
       
       2 Jun 2023
       
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