# taz.de -- Kurd*innen in der Türkei: Die tragenden Säulen der Proteste
       
       > In der deutschen Berichterstattung über die Wahlen in der Türkei fehlt
       > die kurdische Perspektive. Für Kurd*innen geht der Kampf weiter.
       
 (IMG) Bild: Diyarbakir, 13. Mai: Anhänger*innen der Yeşil Sol Parti bei einer Wahlkampfveranstaltung
       
       Am späten Sonntagabend bin ich in einer verrauchten Hotellobby in Amed
       (Diyarbakır) in Südostanatolien. HDP-Mitglieder, Kandidat*innen der
       Yeşil Sol Parti und andere Oppositionelle treffen sich hier, rauchen,
       trinken Tee und schauen sich die Wahlberichterstattung im Fernsehen an. Ich
       bin hier, um [1][die Wahlen] vor Ort beobachten zu können. In Deutschland
       fehlt mir in vielen Medien die Perspektive des kurdischen Widerstands.
       
       Ich erwarte keine Auseinandersetzung mit der Ideologie Öcalans auf
       tagesschau.de. Doch mehr Analysen der Strategien der linken Opposition
       wären notwendig, um besser verstehen zu können, weshalb sie zum Beispiel
       für ihr Bündnis mit einem rechten Präsidentschaftskandidaten wirbt und
       keine Alternative gewählt hat. Auch die Analysen nach der Wahl wären
       differenzierter.
       
       In der Lobby kippt die Stimmung recht früh, als deutlich wird, dass [2][das
       Ergebnis, anders als viele Prognosen vorausgesagt haben], nicht zugunsten
       des Bündnisses um Erdoğans Gegenkandidaten Kemal Kılıçdaroğlu ausgehen
       wird. Hoffnungsvoll hatte man diese Wahl erwartet. Jetzt müssen einige
       Oppositionelle zum Krisenstabstreffen, um Fehler zu analysieren.
       
       Inzwischen habe ich aufgehört zu zählen, der wievielte Tee es ist, den ich
       trinke. Auch in dieser Wahlnacht in Kurdistan denke ich an die Kurd*in
       Jina Amini und damit an [3][die Revolution in Iran]. Die Stärke der
       revolutionären Bewegung in den ersten Monaten der Jina-Revolution ist auch
       auf die Proteste und Streiks vergangener Jahre zurückzuführen. Die
       [4][Repressionen des Regimes sind gravierend] und zeigen Wirkung, wenn
       weniger protestiert wird.
       
       ## Weltweite Solidarität
       
       Immer mal wieder taucht auf Social Media ein Graffito aus Iran auf mit dem
       Motto der Revolution „Jin Jiyan Azadi“, Frau– Leben – Freiheit. Dieser
       Spruch stammt aus der feministischen kurdischen Freiheitsbewegung. Demnach
       ist eine Gesellschaft nur so frei wie die Frauen in ihr. Die kurdische
       Bewegung wurde in Iran ein Vorbild für den Kampf gegen das Regime.
       Kurd*innen sind eine tragende Säule der Proteste. Vor der Wahl haben sich
       Iraner*innen kaum mit den Idealen der kurdischen Bewegung
       auseinandergesetzt. Doch es gab, und das war neu, viel Anerkennung für die
       Kurd*innen und ihren Kampf, mit dem man sich solidarisiert hat.
       
       Diese [5][Solidarität erfährt die kurdische Bewegung weltweit]. Sie hat es
       geschafft, mit Werten und Ideen für eine feministische, ökologische und
       geschlechtergerechte Welt bei vielen anzudocken. Auch wenn die Situation
       der kurdischen Bevölkerung in der Türkei und in Iran nur begrenzt
       vergleichbar ist, bleibt es bewundernswert, dass die Bewegung immer
       weitermacht.
       
       Dass die Situation der Kurd*innen und Minderheiten sich nach der Wahl in
       der Türkei verbessert hätte, das glaubt hier kaum jemand. Man hätte also
       auch über die Wahl hinaus nicht aufgehört, gegen Unterdrückung zu kämpfen.
       Wie das strategisch klug geht, dazu berät sich die Opposition vor Ort in
       diesen Tagen.
       
       16 May 2023
       
       ## LINKS
       
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