# taz.de -- Porträtfilm über Massimo Troisi: Keine Stereotype, bitte
       
       > Massimo Troisi war Star in Italien. Auf seine Spuren begibt sich Mario
       > Martone in einem sensiblen Dokumentarfilm im Programm Berlinale Special.
       
 (IMG) Bild: Regisseur Mario Martone und Massimo Troisi (auf dem Bildschirm)
       
       „Musik ist in Neapel alles. Die Leute singen den ganzen Tag, sie spielen
       Gitarre und Mandoline auf der Straße, das kann sogar gefährlich werden mit
       den ganzen Gitarren überall, die Kinder stoßen sich den Kopf. Immer wenn
       die Leute arbeiten gehen, sind sie glücklich, sie tanzen und singen 'O sole
       mio’. Und was noch? Ach ja, in Neapel essen wir nur Pizza und Spaghetti.
       Etwas anderes ist richtig verboten. Als ich einmal unerwartet nach Hause
       kam, war mein Vater erleichtert, dass nur ich es war, er musste mir
       beichten: 'Wir essen heute Gnocchi!’“
       
       Als der Schauspieler, Drehbuchautor und Regisseur Massimo Troisi in den
       Achtzigern in einer populären Fernsehsendung seine kritische Haltung
       gegenüber der stereotypisierten Darstellung Neapels zeigte, war er bereits
       in ganz Italien bekannt.
       
       Nach seinen Anfängen mit den fast dadaistischen Sketchen des Trios „La
       Smorfia“ kam der Durchbruch 1981 mit dem fulminanten Erfolg seines
       Regiedebüts „Ricomincio da tre“, in dem er auch die Hauptrolle spielt: der
       junge Gaetano, der per Anhalter von San Giorgio a Cremano (kein Zufall:
       Troisis Geburtsort bei Neapel) nach Florenz fährt, um sich von seiner
       provinziellen Umgebung zu befreien.
       
       Was machte Troisi, den Komiker mit der gerunzelten Stirn, neapolitanischem
       Dialekt und den vielen Ticks zu einer bis heute beliebten Figur des
       italienischen Kinos, und zwar (wichtiges Detail) über die Grenzen Neapels
       hinaus?
       
       ## Die Liebe als Geste eines Schüchternen
       
       In seinem Dokumentarfilm „Massimo Troisi: Somebody Down There Likes Me“
       beantwortet der Regisseur Mario Martone diese Frage mit reichlich
       Archivmaterial, ohne sich in einer Hagiographie zu verlieren. Troisi, der
       1994 im Alter von 41 Jahren einem Herzversagen erlag, sei es gelungen, ein
       „Kino des Lebens“ zu schaffen, in dessen Zentrum die Liebe steht.
       
       Mit dem klischeehaften Bild eines „italienischen Don Giovanni“ hat dies
       jedoch wenig zu tun. Troisi ist schüchtern, sein Körper eher schmal,
       langgliedrig, und er stottert seine Unsicherheit heraus in einer zum Teil
       unverständlichen Sprache, die zu seiner Signatur wurde. Manchmal gibt er
       nur Laute von sich, das gesprochene Wort ist nicht immer entscheidend, um
       die Stimmung einer Szene zu verstehen.
       
       Troisi war politisch engagiert, als überzeugter Antifaschist nutzte er
       seine Popularität, um dem breiten Publikum eine nicht gebrüllte, sondern
       ironisch pointierte politische Satire zu bieten. Ein Beispiel: Als er beim
       Festival von Taormina zu Gast war und auf dem Podium die Großzügigkeit in
       seinem Hotel beschrieb, bemerkte er gegenüber dem versteinerten Moderator,
       dass „erstaunlich wenige arme Leute dort untergebracht sind“.
       
       Seine Gedanken zu Kunst und Politik hat er ein Leben lang schriftlich
       festgehalten. Troisis ehemalige Partnerin und Drehbuchautorin Anna
       Pavignano, die mit Martone den Film geschrieben hat, zeigt einzelne dieser
       noch nie veröffentlichten Notizzettel, die eine Art Rückgrat des Films
       bilden.
       
       So sind seine Kalendereinträge aus dem Jahr 1976, als der
       dreiundzwanzigjährige Troisi dank einer Spendenaktion für eine
       lebensrettende Herzoperation nach Amerika reisen konnte, in ihrer Knappheit
       sehr bewegend. Besonders ist auch eine Audioaufnahme auf Kassette im Stil
       einer psychoanalytischen Sitzung, in der Troisi auf Pavignanos Fragen
       antwortet. „Ich gehe dem Leben entgegen“, sagt er, wissend, dass sein Herz
       schwach ist.
       
       Für seinen letzten Film, „Der Postmann“ von Michael Radford, in dem er den
       Postboten des chilenischen Dichters Pablo Neruda spielt, hatte er eine
       weitere Herzoperation verschoben. Postum bekam er für seine Rolle eine
       Oscarnominierung. Er war einen Tag nach Ende der Dreharbeiten gestorben.
       
       18 Feb 2023
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Sara Piazza
       
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