# taz.de -- Dorf vor Räumung wegen Braunkohle: Die RWE-Maschinen rücken vor
       
       > Die BewohnerInnen des Dorfes Lützerath in Nordrhein-Westfalen haben den
       > „Tag X“ ausgerufen. Immer mehr Menschen kommen zur Unterstützung.
       
 (IMG) Bild: Klimaschutzaktivisten am 3. Januar vor dem Tagebau Garzweiler 2
       
       Aachen taz | „Läuft ohne Ende“, hieß es am Mittwoch in Lützerath. Immer
       mehr Menschen kämen, um das Dorf am Braunkohletagebau Garzweiler 2 in
       letzter Minute vor dem Abbaggern zu retten – oder seine Aufgabe wenigstens
       möglichst teuer zu verkaufen.
       
       Seit Dienstagnachmittag [1][gilt hier der „Tag X“.] Damit haben die
       BewohnerInnen den Aufruf gestartet, dass ab sofort möglichst
       UnterstützerInnen zu Hilfe eilen sollen. Überraschend früh, denn
       angekündigt war Tag X immer für den tatsächlichen ersten Räumungstag. Nun
       ist aber seit Montag eine Art Vorräumung des Terrains direkt vor den
       Gehöften und 30 Baumhäusern im Gange. „Cops sind seit über 24 Stunden in
       Lützerath, bauen ihre Strukturen auf und greifen unsere an. Kommt JETZT“,
       schreiben die Besetzer:innen.
       
       Schon am Dienstag selbst war dann nicht mehr von 100, sondern schon von 300
       Menschen im Ort die Rede. Lützerath, das zu Hochzeiten 105 feste Einwohner
       beheimatete, ist wahrscheinlich der letzte Ort in den rheinischen
       Braunkohlerevieren, der nach Beschlüssen von Politik und dem Kohlekonzern
       RWE Power noch dem Tagebau weichen muss.
       
       ## Strohballen brennt auf der Straße
       
       Die Polizei schützt das Vorrücken der RWE-Maschinen in das Vorfeld des
       Dorfes. Erste Bäume sind weggesägt, provisorische Straßen und Rampen
       entstehen, Großgerät wird abgestellt. Die Beamten geben sich friedlich –
       mit Worten. Der Einsatzleiter, Aachens Polizeipräsident Dirk Weinspach,
       kündigte Transparenz, Kommunikation, Friedfertigkeit und den Wunsch nach
       Deeskalation an. Immer war die Rede davon, dass das Dorf bis zum 10. Januar
       abgeriegelt werde – nie, dass man vor Ort bereits eingreifen wolle.
       
       Nun liegt ein brennender Strohballen als Hindernis für die anrückenden
       Polizeitruppen auf der Straße. Drumherum ein Dutzend Beamte. Sie könnten
       umgehend löschen. Stattdessen schiebt eines der Räumfahrzeuge den Ballen
       weiter in [2][Richtung Klimaaktivisten]. Die brennende Barriere stoppt
       direkt vor dem großen Holztor mit dem Schild „Willkommen in Lützerath“.
       Dadurch weht der Rauch zu der oben fest geketteten Person. Dann kommt das
       Fahrzeug ein zweites Mal, schiebt feuchtes Geäst auf das brennende Stroh,
       der Qualm wird schwarz. Und schließlich stochern ein paar Polizisten im
       Feuer herum, bis es noch ergiebiger brennt.
       
       Die Mahnwache direkt am Dorfeingang hat bis einschließlich 9. Januar ein
       amtlich verbrieftes Recht zu bleiben. Wer sie von außerhalb besuchen
       möchte, muss auch dorthin kommen können. RWE torpediert das allerdings,
       Security-Mitarbeiter versuchen, den Zugang zu verhindern. Und sie werden
       sogar handgreiflich gegen eine Journalistin. Der Vorfall ist angezeigt.
       
       In seiner Weihnachtsansprache hatte der Heinsberger Landrat Stephan Pusch
       (CDU) die Polizei als Vollzugshelfer gerufen: Zum Fest des Friedens sprach
       er davon, die BewohnerInnen Lützeraths wollten „Krieg spielen“, respektive
       „Krieg führen“, weil sie glaubten, „die Schlacht um das Weltklima“ zu
       führen. Und dann zählte er Reichsbürger und die Menschen von Lützerath in
       einem Atemzug als Feinde des Staates auf.
       
       ## Protestgang am Sonntag
       
       Täglich gibt es in den „Lützi Lebt Wochen“ jetzt Kurse in Klettern und
       Bauzaunüberwindung, Lock-on-Workshops, Rechtsberatung oder „How to
       Kleingruppenaktion (basic)“. Externe Gruppen verbreiten Infos zur Lage der
       Kohlebahnen im Loch und der Pumpstationen in den Feldern. In der winzigen
       Eibenkapelle vor Ort soll es einen „Gottesdienst an der Kante“ geben, am
       Dreikönigstag die rituelle Einsegnung der Lützerather Häuser. Naturführer
       Michael Zobel ruft für Sonntag zu neuerlichem großem Protestgang auf.
       
       Am Mittwoch schlossen sich ein Dutzend Initiativen offiziell zum
       „Aktionsbündnis Lützerath Unräumbar“ zusammen, darunter Fridays for Future,
       Extinction und Scientist Rebellion, RWE & Co enteignen, Kirche im Dorf
       lassen, Ende Gelände und Letzte Generation. Ihr Ziel: bessere Mobilisierung
       und Koordination gegen die Gewalttaten am Klima.
       
       Am Mittag des gleichen Tages wurde der gigantische Braunkohlebagger, der
       seit dem Wochenende demonstrativ nah an der Mahnwache arbeitet,
       vorübergehend gestoppt, als einige AktivistInnen plötzlich im Gelände
       auftauchten.
       
       Die [3][grüne Bundestagsabgeordnete Kathrin Henneberger] argumentierte vor
       Ort mit einer anderen Versorgungssicherheit als es ihre
       klimaverantwortlichen Parteikollegen Robert Habeck (Bund) und Mona Neubaur
       (NRW) tun. Die Braunkohle tief unter dem Widerstandsdorf könnte frühestens
       in drei Jahren verfeuert werden.
       
       Auch ob die Räumung gerichtlich ausgeurteilt ist, ist offenbar umstritten.
       Die Frankfurter Rundschau berichtete, dass drei Klagen mit angeblich guten
       Erfolgsaussichten vorbereitet seien.
       
       4 Jan 2023
       
       ## LINKS
       
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 (DIR) Bernd Müllender
       
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