# taz.de -- Keine Fahrraddemo auf der A39: Das Grundrecht aufs Autofahren
       
       > Das Oberverwaltungsgericht in Lüneburg hat eine Fahrraddemo gegen VW auf
       > der Autobahn verboten. Es sieht die „Leichtigkeit des Verkehrs“ in
       > Gefahr.
       
 (IMG) Bild: Eine Raddemo auf der geheiligten Autobahn? Doch, das geht, so wie hier auf der A 100
       
       Bremen taz | Gibt es in Deutschland ein Grundrecht auf ungehinderten
       Autobahnverkehr? Die Frage ist nur auf den ersten Blick fernliegend; oder
       sogar abstrus.
       
       Am Sonntag sollte es ja auf der Autobahn 39 eine Demonstration geben, grob
       gesagt: zwischen Braunschweig und Wolfsburg. [1][Aktivist:innen hatten
       dort eine Protest-Radtour angemeldet], weil sie gegen den Ausbau selbiger
       Autobahn und auch das geplante „Trinity“-Werk von Volkswagen sind, also die
       vom VW-Konzern geplante neue Fabrik für E-Limousinen.
       
       [2][Die Stadt Wolfsburg hat die Demo auf der Autobahn jedoch untersagt],
       was – polemisch gesprochen – noch nicht überrascht, und dabei nicht nur vom
       Verwaltungsgericht Braunschweig, sondern jetzt auch vom
       [3][Oberverwaltungsgericht (OVG) in Lüneburg] Recht bekommen.
       
       Zwar kommen die Richter:innen anfangs durchaus zu dem Schluss, dass eine
       Bundesautobahn „nicht von vornherein der Nutzung zum Zwecke einer
       Versammlung entzogen ist“. Soll heißen: Man dürfte da eigentlich schon
       demonstrieren. Zumal die verfassungsgemäß protestierenden Bürger:innen
       „selbst entscheiden können, wo sie ihr Anliegen zur Geltung bringen“. Und
       das auf der A39 zu tun, war hier ja naheliegend.
       
       ## Die „öffentliche Sicherheit“ ist in Gefahr
       
       Am Ende urteilt das OVG dann aber doch, dass die „öffentliche Sicherheit“
       in Gefahr war, also keinesfalls auf der A39 demonstriert werden darf! Denn
       die „öffentliche Sicherheit“, bei der es in der Regel um Leib und Leben
       geht, mindestens aber um Freiheit, Ehre und Eigentum, die öffentliche
       Sicherheit also erstrecke sich auch auf die „Leichtigkeit des Verkehrs“.
       Die war in Gefahr. Also nix Demo und so.
       
       Gefahren für Autofahrer:innen und auch Demonstrierende seien „kaum zu
       bestreiten“, heißt es im Urteil, es könnte sich ja am Ende des Radkorsos
       ein Stau bilden, der zu Unfällen führen könnte. Und wenn die
       Autofahrer:innen dann wegen der Demo vielleicht nur 60
       Stundenkilometer hätten fahren dürfen, sei das doch eine „sehr unübliche
       Geschwindigkeit“ und damit erst Recht eine Unfallgefahr.
       
       Das alles hätte sich natürlich durch Absperrungen, Umleitungen und andere
       polizeiliche Maßnahmen durchaus regeln lassen, wenn man denn politisch
       gewollt hätte. Bei anderen Demos geht das ja auch. Und bei Baustellen kommt
       es sonst durchaus vor, dass man halt nur 60 fahren darf, oder nicht mal
       das. Und weil das Urteil das alles doch sehr allgemein begründet, kann man,
       wie die Demo-Anmelder:innen, durchaus zum dem Fazit kommen, dass das OVG
       hier „[4][faktisch ein Totalverbot“ von Demos „mindestens für alle
       Autobahnen“] begründet.
       
       Das Urteil fällt in eine Zeit, in der einerseits [5][Baumbesetzer vom
       Vorwurf des Hausfriedensbruchs freigesprochen] werden, weil sie sich für
       den Klimaschutz – ein Staatsziel, übrigens! – einsetzen. Andererseits aber
       sorgen die oft als „Klima-Kleber“ verfemten Aktivist:innen der Letzten
       Generation für Entsetzen, Empörung und Haftstrafen, vor allem, wenn sie
       sich mal wieder einer Autobahn nähern. Auch das OVG sagt: „Stop Trinity“
       kann ja auch anderswo „öffentlichkeitswirksam“ demonstrieren, auf
       Landstraßen oder so.
       
       Natürlich können Grundrechte miteinander im Konflikt liegen, und dann muss
       man entscheiden, welches höher wiegt. Da ist auf der einen Seite also das
       Grundrecht der Versammlungsfreiheit. Und auf der anderen Seite? Nicht mal
       das OVG geht so weit, sich anzumaßen, ein Grundrecht auf flüssigen
       Autobahnverkehr zu postulieren. Auf die Berufsfreiheit der
       Berufskraftfahrer:innen beruft es sich aber auch nicht.
       
       Bleibt also eigentlich nur die [6][Religionsfreiheit].
       
       15 Nov 2022
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] /Fahrraddemo-gegen-A39-und-Trinity-Werk/!5890669
 (DIR) [2] https://www.ndr.de/nachrichten/niedersachsen/braunschweig_harz_goettingen/OVG-untersagt-Fahrrad-Demo-auf-A39,fahrraddemo202.html
 (DIR) [3] https://projektwerkstatt.de/media/text/verkehr_a39_ovg221111abl.pdf
 (DIR) [4] https://www.anarchistischefoderation.de/versammlungsfreiheit-in-gefahr-oberverwaltungsgericht-sieht-demos-auf-strassen-mit-tempolimits-von-60-km-h-oder-mehr-als-zu-gefaehrlich-an-leichtigkeit-des-autoverkehrs-wichtiger/?utm_source=rss&utm_medium=rss&utm_campaign=versammlungsfreiheit-in-gefahr-oberverwaltungsgericht-sieht-demos-auf-strassen-mit-tempolimits-von-60-km-h-oder-mehr-als-zu-gefaehrlich-an-leichtigkeit-des-autoverkehrs-wichtiger
 (DIR) [5] /Urteil-zu-Baumbesetzung/!5890379
 (DIR) [6] https://www.gesetze-im-internet.de/gg/art_4.html
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Jan Zier
       
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