# taz.de -- Volksbegehren für Klimaschutz in Berlin: Noch eine Woche sammeln fürs Klima
       
       > Bis 14. November haben die Berliner*innen Zeit, das Volksbegehren
       > Berlin 2030 klimaneutral zu unterstützen. Absehbar ist: Es wird sehr,
       > sehr knapp.
       
 (IMG) Bild: Macht einsam tuckernd Werbung für das Volksbegehren Klimaschutz: Boot auf der Spree am Samstag
       
       Berlin taz | Noch ist der Vorplatz des Maxim Gorki Theaters menschenleer.
       Lediglich ein paar Angestellte strecken ab und zu ihre Köpfe aus der Tür,
       um nach dem Rechten zu sehen. Kein Wunder, bei 9 Grad Celsius und
       Nieselregen wagen sich an diesem Freitagabend nur wenige nach draußen. Dies
       hält drei Aktivist*innen des [1][Bündnisses Berlin 2030 klimaneutral]
       nicht davon ab, ihre roten Westen überzuziehen und sich mit einem
       Klemmbrett ausgerüstet vor das Theater zu stellen.
       
       Es ist 18.30 Uhr, in einer Stunde beginnt die Vorführung. Die ersten Gäste
       erscheinen auf dem Vorplatz. Jessamine Davis, die nicht nur Aktivistin,
       sondern auch Pressesprecherin des Bündnisses ist, spricht sie in einer
       deutlich erkennbaren Routiniertheit an: „Hi, habt ihr schon für den
       Berliner Klimaentscheid unterschrieben?“
       
       Eine ältere Frau, schick gekleidet, läuft im Stechschritt an den
       Aktivist*innen vorbei. Ohne die Frage in Gänze gehört zu haben
       entgegnet sie, dass sie gerade keine Zeit habe, aber gleich noch einmal
       herauskomme. Und tatsächlich, nach zehn Minuten unterschreibt die ältere
       Dame und nimmt sogar einen der hellgrünen Briefumschläge mit
       Unterschriftenlisten mit – für ihre Freundinnen, wie sie sagt.
       
       Dieses Szenario wird sich im Laufe des Abends mehrfach wiederholen. Es gibt
       kaum eine Person, die sich nicht mindestens auf ein kleines Gespräch mit
       den Aktivist*innen einlässt. Auf die Frage, ob die Resonanz immer so
       positiv ausfällt, antwortet Sammler Christian, er habe schon alles gehört
       von: „Vielen Dank, dass ihr euch für dieses wichtige Thema starkmacht“,
       bis: „Ich unterschreibe nicht für ein Autofahrverbot“.
       
       Mitte Juli hat die Initiative ihre Unterschriftensammlung gestartet. Sie
       strebt einen Volksentscheid an, bei dem über ein Gesetz abgestimmt würde,
       das Berlin verpflichtet, bis 2030 klimaneutral zu werden. Mindestens
       170.000 Unterschriften braucht die Initiative dafür; beim letzten
       Zwischenstand Mitte Oktober [2][hatte sie nicht einmal die Hälfte
       zusammen].
       
       Zuletzt seien aber viele Listen mit Unterschriften zurückgekommen; auch sei
       man viel präsenter mit Sammler*innen in der Stadt, hatte die Gruppe
       mitgeteilt. Montag vergangener Woche sprach sie von rund 134.000
       Unterschriften. Es wird also knapp. Denn nur noch bis Montag, 14. November,
       darf gesammelt werden.
       
       Sprecherin Jessamine Davis zieht ein bisher gemischtes Fazit: „Zwar
       überwiegen die positiven Reaktionen“, sagt sie. „Es lässt sich jedoch auch
       erkennen, dass das Sammeln in den Außenbezirken langsamer vorangeht als zum
       Beispiel in Mitte, Neukölln oder auf dem Tempelhofer Feld.“
       
       ## Viele Unterschriften sind – erwartungsgemäß – ungültig
       
       Zudem ist rund ein Viertel der Unterschriften ungültig – unterzeichnen darf
       nur, wer auch für die Wahl des Abgeordnetenhauses wahlberechtigt ist,
       sprich in Berlin gemeldet, volljährig ist und einen deutschen Pass besitzt.
       Gerade die letzten zwei Faktoren stellen ein großes Problem dar.
       
       Zwar hat man nach den Erfahrungen früherer Volksbegehren mit dieser
       Ungültigkeitsquote gerechnet und nehme diese teils bewusst in Kauf. „Wir
       arbeiten eng mit der Volksinitiative Demokratie für alle zusammen und
       versuchen mit den ungültigen Stimmen darauf hinzuweisen, dass auch
       Minderjährige und nichtdeutsche Staatsbürger ein Mitbestimmungsrecht haben“
       so Jessamine Davis. Allerdings versuche man deshalb, mindestens 240.000
       Unterschriften zu sammeln.
       
       Auch an diesem Freitagabend unterschreiben mehrere nichtdeutsche
       Staatsbürger. Einer von ihnen ist ein 42-jähriger Wahlberliner mit
       Nasenring und hippem Undercut-Haarschnitt. Geboren sei er in der Schweiz,
       arbeitet und lebt aber bereits seit fünf Jahren in Berlin. Er findet es
       „ungerecht, dass er nicht mitbestimmen kann, wie seine Stadt gestaltet
       wird“, da „gerade das Klima ein Thema ist, das unser aller Leben
       beeinflusst“.
       
       ## Problem Schnechenpost
       
       Zuletzt hat sich noch eine weitere Schwierigkeit ergeben: die Langsamkeit
       der Post. „Es ist extrem wichtig, dass Briefe mit den gesammelten
       Unterschriften bereits diesen Montag an uns zurückgesendet werden, weil wir
       sonst nicht garantieren können, dass sie rechtzeitig ankommen“, sagt
       Jessamine Davis.
       
       Nachdem die Glocke des Maxim Gorki Theaters zum vierten Mal schellt,
       stürmen auch die letzten Raucher und Frischluftgenießer in den Theatersaal,
       der Vorplatz ist wieder menschenleer. Der Abend hat sich gelohnt: 51
       Unterschriften wurden innerhalb einer Stunde gesammelt. Eine normale Anzahl
       für eine Stunde vor einem Theater, meint Jessamine Davis. „Unseren Rekord
       haben wir vor dem Admiralspalast aufgestellt: Da haben wir sogar 200 in
       einer Stunde geschafft.“
       
       6 Nov 2022
       
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