# taz.de -- Presse in Österreich: „Tod auf Raten“
       
       > Der österreichische Ministerrat hat beschlossen, dass die Tageszeitung
       > „Wiener Zeitung“ nur noch monatlich erscheinen soll. Das wird heftig
       > kritisiert.
       
 (IMG) Bild: Gibt's vielleicht bald nur noch monatlich: „Wiener Zeitung“
       
       Eine Monatszeitung soll die Wiener Zeitung werden. Das hat der
       österreichische Ministerrat am Mittwoch im Rahmen einer Mediengesetznovelle
       beschlossen. Die Drohung, die seit 1703 erscheinende Zeitung einzustellen,
       geistert schon lange herum. Nun soll das Blatt nach dem Plan der Regierung
       ab 2023 nur mehr digital erscheinen und zehn gedruckte Monatsausgaben
       herausbringen dürfen. Dagegen protestiert nicht nur die Belegschaft,
       sondern auch die journalistische Konkurrenz.
       
       Die Zeitung steht seit 1918 im Alleineigentum der Republik, die sie auch
       finanziert. Zusätzlich müssen Unternehmen Insolvenzen, Gründungen und
       Ähnliches im beiliegenden Amtsblatt veröffentlichen und dafür bezahlen.
       Diese fallen aber demnächst weg, weil eine EU-Richtlinie aus dem Jahr 2019
       exklusive Bekanntmachungen als indirekte Subvention verbietet.
       
       Eva Blimlinger, Mediensprecherin der Grünen, erklärt die drohende
       Einstellung des Qualitätsblattes auch mit dessen geringer Reichweite: Die
       Wiener Zeitung erscheine fast unter Ausschluss der Öffentlichkeit. Die Höhe
       der Auflage wird auf unter 20.000 werktags geschätzt, ist aber nicht
       konkret festzumachen, da das Blatt nicht verpflichtet ist, die Zahl zu
       veröffentlichen.
       
       ## Solidarität von der Konkurrenz
       
       Falter-Herausgeber Armin Thurnher gerät über solche Aussagen in Rage:
       „Nicht die Reichweite, sondern die Substanz entscheidet über die
       demokratische Relevanz eines Mediums“, [1][schrieb er schon im August in
       seiner täglich online erscheinenden Kolumne].
       
       Die Medienministerin Susanne Raab (ÖVP), [2][schreibt Thurnher in seinem
       jüngsten Kommentar am Mittwoch], „versteht von ihrem Job nichts.“ Und:
       „Offenbar kürzt der Bund seine Finanzierung der Wiener Zeitung auf 80
       Prozent, was bedeutet hätte, dass die restlichen 20 Prozent vom Blatt
       selbst zu finanzieren gewesen wären. Die Finanzierung dürfte jedoch an die
       Bedingung geknüpft sein, dass das Blatt nicht mehr als Zeitung erscheint.
       Wessen Hirn kann so etwas entspringen?“
       
       Weitere Kritik kommt von Thomas Seifert, Starreporter und stellvertretender
       Chefredakteur der Wiener Zeitung. Er vermisst bei den Verantwortlichen
       „eine gewisse verlegerische Phantasie und eine gestalterische Phantasie“.
       
       Das Hereinholen privater Investoren und andere Finanzierungsformen wurden
       in der Redaktion längst diskutiert. Gegenüber der taz sagte Seifert:
       „Herunterfahren kann jeder.“ Außerdem habe sich die qualitätsvolle
       journalistische Arbeit der vergangenen Jahre auch in steigenden Leser- und
       Klickzahlen niedergeschlagen.
       
       Die Belegschaft, [3][die am Mittwoch eine gemeinsame Resolution
       veröffentlichte], spricht von einem „Tod auf Raten“. Die Redaktion
       befürchtet einen massiven Personalabbau, obwohl sich ein „qualitätsvolles
       Onlinemedium ergänzt um eine Monatszeitung“ nicht mit weniger
       Redakteurinnen und Redakteuren produzieren lasse.
       
       Thomas Seifert hinterfragt auch die Absicht hinter den Regierungsplänen:
       „Es ist ja nicht so, dass es in Österreich ein Überangebot an
       Qualitätszeitungen gibt. Es gibt ein üppiges Angebot an zum Teil wirklich
       grottenschlechten Boulevardmedien.“ Diese werden – mit dem Argument der
       großen Reichweite – von der Regierung, aber auch der Stadt Wien großzügig
       mit Inseraten gefüttert und somit mitfinanziert.
       
       5 Oct 2022
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] https://cms.falter.at/blogs/athurnher/2022/08/02/23975/
 (DIR) [2] https://cms.falter.at/blogs/athurnher/2022/10/05/die-unart-des-deals-wiener-zeitung-weg-die-naechste-bitte/
 (DIR) [3] https://www.wienerzeitung.at/nachrichten/kultur/medien/2163948-Was-1703-begann-darf-nicht-2023-enden.html
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Ralf Leonhard
       
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