# taz.de -- Großveranstaltungen mit weniger Wurst: Der Veggieday war nix dagegen
       
       > Die Bremer Grünen wollen vegane Ernährung fördern. Etwa auf dem
       > Weihnachtsmarkt soll die Hälfte der Stände ausschließlich vegane Gerichte
       > anbieten.
       
 (IMG) Bild: Veggie-Vision: Im Bayernzelt auf dem Freimarkt müssten dann auch vegane Würste verkauft werden
       
       Bremen taz | Ein Tabu ihrer Partei brechen die Bremer Grünen: Neun Jahre
       nach dem [1][Veggie-Day-Desaster], das die Grünen im Wahlkampf 2013 als
       Verbotspartei markierte, fordern sie nicht bloß einen vegetarischen Tag in
       öffentlichen Kantinen. Nein, jetzt soll es nicht nur fleischlos sein,
       sondern gleich vegan und das nicht nur in öffentlichen Kantinen, sondern
       möglichst überall, und das Verhältnis wollen die Bremer Grünen dabei auch
       umdrehen: Statt eines einzigen fleischlosen Wochentags streben sie eine
       Ernährungsweise an, „die tierische Lebensmittel im Vergleich zur heute
       üblichen Ernährung in Deutschland um rund drei Viertel reduziert“.
       
       So steht es in einem am Mittwoch veröffentlichten Positionspapier der
       Grünen-Fraktion im Bremischen Landtag. Das enthält auch konkrete Vorgaben,
       wie dieses Ziel bremenweit mit Gesetzesvorhaben erreicht werden kann. Und
       die haben es in sich: Neben einem Werbeverbot für tierische Lebensmittel im
       öffentlichen Raum wird vor allem ein Punkt Zündstoff für Debatten in
       sozialen Medien liefern.
       
       Denn die Grünen wollen, dass auf Großveranstaltungen wie Freimarkt,
       Breminale und Weihnachtsmarkt „zukünftig mindestens die Hälfte der
       Essensstände rein vegan“ sein soll – und „an den übrigen Ständen zumindest
       vegane Alternativen angeboten werden“ müssten.
       
       Der Twitter-Mob lief sich bereits am Dienstag warm, als Radio Bremen vorab
       über das Vorhaben berichtet hatte. „Ich lass mir nicht von der Regierung
       vorschreiben, was ich esse“, empörte sich eine Userin. Ein anderer fragte,
       wer „überwache“, was „in meinen Töpfen und Pfannen landet“ – und noch
       jemand wollte nicht „auf meine Bratwurst mit Pommes oder einen Hirschbraten
       verzichten“.
       
       ## Niemand will die Wurst verbieten!
       
       Philipp Bruck, der 32-jährige Autor des Positionspapiers und Sprecher der
       Grünen-Fraktion für Klima- und Tierpolitik, versucht zu beruhigen: „Jeder
       soll weiter seine Bratwurst essen dürfen“, sagt er. Es gehe auf den
       Großveranstaltungen lediglich um vegane Alternativen. Für ausschließlich
       veganes Essen hege er persönlich zwar große Sympathien, ihm sei aber klar,
       dass das nicht realistisch sei.
       
       Dennoch gehe der Vorstoß seiner Fraktion sehr weit, das sieht auch Bruck
       so. „Aber an den Argumenten kommt man schlecht vorbei. Wenn man Klimaschutz
       ernst nimmt, muss man sich die Reduktion tierischer Lebensmittel um drei
       Viertel zu eigen machen.“
       
       Dabei argumentiert Bruck nicht einfach moralisch oder nennt
       Veganer:innen die besseren Menschen, weil sie Tierleid reduzieren,
       sondern er listet eine Reihe von Fakten auf. „Selbst wenn wir jetzt sofort
       sämtliche fossilen Anlagen wie Kohlekraftwerke, Gasheizungen und
       Dieselautos abschaffen würden, würde der Ernährungssektor allein ein
       Erreichen des 1,5-Grad-Ziels von Paris unmöglich machen“, zitiert er aus
       einem Artikel der renommierten wissenschaftlichen Zeitschrift Science.
       
       Und den Weltklimarat: „Global trägt unsere Ernährung 21 bis 37 Prozent zum
       Treibhausgasausstoß bei. Das ist jeweils deutlich mehr als der gesamte
       Verkehrssektor (14 Prozent) beziehungsweise Bau und Beheizung sämtlicher
       Gebäude (18 Prozent).“
       
       Der Verzicht auf tierische Lebensmittel sei, so sagt es Bruck, die einzige
       Möglichkeit, wirkungsvoll CO2-Emmissionen zu reduzieren und gleichzeitig
       Landschaften zu erhalten, die Treibhausgase binden können, wie Regenwälder
       und Moore. Und nein, ein Veggieburger auf Sojabasis ist nicht so
       klimaschädlich wie einer aus Rindfleisch, weil diese nicht aus Sojapflanzen
       bestehen, die in Regenwaldgebieten angebaut werden. Zudem trägt
       Rinderhaltung direkt zur Klimakrise bei, weil Wiederkäuer Methan ausstoßen.
       
       ## Bloß nicht den Eindruck erwecken, irgendwer müsste verzichten
       
       Das sind alles keine neuen Erkenntnisse, dennoch haben sich die großen
       Parteien bisher nicht an das Thema herangetraut. Auch die Grünen auf
       Bundesebene nicht. „Wir wollen vegetarische und vegane Ernährung
       attraktiver und zugänglich für alle Menschen machen“, hieß es im
       [2][Programm für die Bundestagswahl 2021]. Erreichen will die Partei dies
       über steuerliche Vergünstigungen – konkreter wird es nicht.
       
       Dafür schreiben sie zwei Seiten über artgerechtere Haltung unter anderem
       von Nutztieren unter dem Titel „Wir ermöglichen Tieren ein besseres Leben“.
       Diese Grünen-Ideen haben es auch in den Koalitionsvertrag mit FDP und SPD
       geschafft.
       
       Die Bremer Grünen verlassen jetzt diesen lange beschrittenen Pfad, der
       allen ihre ökologisch korrekte Bratwurst garantiert, um bloß nicht den
       Eindruck zu erwecken, irgendjemand müsse auf irgendetwas verzichten. „Ja,
       das ist schon so etwas wie eine Absage an die klassische Tierschutzpolitik,
       die kleine Korrekturen in der Stallhaltung verspricht“, sagt der Bremer
       Grüne Philipp Bruck. Er sehe angesichts des fortschreitenden Klimawandels
       und im Sinne der Tiere aber keine Alternative.
       
       Ob die Grünen-Vorschläge in Bremen Gesetz werden, hängt von den aktuellen
       Koalitionspartnern SPD und Linke ab. Auch für diese sind die Debatten nicht
       neu, da sie auch während der Sitzungen der Bremer Klima-Enquetekommission
       geführt wurden, [3][die im vergangenen Dezember ihren Abschlussbericht]
       vorgelegt hat. Darin heißt es, dass bei öffentlichen Veranstaltungen ein
       Viertel der Essensstände „rein vegan oder rein vegetarisch sein“ sollen,
       „alle anderen müssen entsprechende Alternativen anbieten“.
       
       Ganz neu hingegen und vermutlich bundesweit einmalig ist die Forderung
       eines „Werbeverbots für tierische Lebensmittel im öffentlichen Raum“. Das
       könnte Bremen umsetzen – auf kommunalen Werbeflächen oder im öffentlichen
       Personennahverkehr, indem dieses Kriterium in Ausschreibungen mit
       aufgenommen wird.
       
       31 Aug 2022
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] /Die-Gruenen-und-der-Veggieday/!5580593
 (DIR) [2] https://cms.gruene.de/uploads/documents/Wahlprogramm-DIE-GRUENEN-Bundestagswahl-2021_barrierefrei.pdf
 (DIR) [3] /Klimaschutzstrategie-fuer-Bremen/!5820700
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Eiken Bruhn
       
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