# taz.de -- Klimagerechter Stadtumbau in Brandenburg: Stadtluft macht erfinderisch
       
       > Städte resilient zu machen ist auch ein Brandenburger Thema. Viele
       > Kommunen sind auf einem guten Weg, zeigt eine Tagung des Städteforums
       > Brandenburg.
       
 (IMG) Bild: Das Fahrradparkhaus in Eberswalde hat 600 Plätze und 60 Boxen
       
       Potsdam taz | [1][Brandenburgisches Viertel], das klingt idyllisch.
       Tatsächlich aber stellte das Plattenbauviertel mit seinen 6.000 Wohnungen
       in Eberswalde die Politik vor ein Problem. „Zu DDR-Zeiten wurde die
       Infrastruktur so gebaut, dass das Regenwasser möglichst schnell abfließt“,
       sagt Anne Fellner, erste Beigeordnete der Stadt Eberswalde. „Nun aber
       verlangen die Trockenheit und die Klimakrise, dass wir das Wasser in der
       Stadt halten.“
       
       Das Thema [2][Schwammstadt] ist also auch in der Kreisstadt des Barnim mit
       ihren 41.000 Einwohnerinnen und Einwohnern angekommen. Im Brandenburgischen
       Viertel wurden deshalb nicht nur die Wohnungen saniert, sondern auch die
       Infrastruktur. „Über die Hälfte des Wassers wollen wir im Gebiet halten“,
       sagt Fellner über das 5 Millionen Euro teure Vorhaben. „Das Problem ist
       nur, dass die Menschen wenig davon sehen.“ Hätte man mit dem Geld ein
       Bürgerzentrum gebaut, „wäre da mehr Hallo gewesen“.
       
       Städte widerstandsfähig machen gegen Starkregen und Hitze, das zeigt das
       Beispiel aus Eberswalde, ist einerseits teuer, aber auch wenig spektakulär.
       Und dennoch ist es eine der wichtigsten Zukunftsaufgaben. Um sich über die
       verschiedenen Projekte auszutauschen, haben sich Bürgermeisterinnen und
       Bürgermeister, Vertreter der Wohnungswirtschaft und andere kommunale
       Akteure vergangene Woche in Potsdam getroffen. „Stadtentwicklung in
       Brandenburg in Zeiten der Energie- und Klimakrise“ war die Fachtagung
       überschrieben, zu der das [3][Städteforum Brandenburg] eingeladen hatte,
       die größte Vereinigung von Kommunen im Land.
       
       ## Schon viele Krisen erlebt
       
       „Die Städte resilient zu machen ist eine Daueraufgabe“, beschreibt
       Eberswaldes Beigeordnete Anne Fellner, die auch Vorstandsvorsitzende des
       Städteforums ist, die Herausforderungen, vor denen die Brandenburger
       Kommunen stehen. „Wir sind aber auch Optimisten“, betont sie. „Unsere
       Städte sind meistens sehr alt und haben schon viele Krisen überlebt.“
       
       Eine dieser Krisen sei die Klimakrise, sagt André Benedict Prusa, Dezernent
       für Stadtentwicklung, Bauen und Umwelt in Frankfurt (Oder). Einen bereits
       in der Schublade liegenden Entwurf für die Sanierung der Magistrale, der
       Haupteinkaufsstraße der Oderstadt, will er deshalb auf den Prüfstand
       stellen. Weniger Verkehr, mehr flexible Räume zum Experimentieren will
       Prusa. Da müsse auch der Denkmalschutz mitziehen, fordert er. Denn die
       Magistrale steht als Zeugnis sozialistischer Nachkriegsmoderne (und damit
       auch autogerechter Stadtplanung) unter Denkmalschutz.
       
       Auch an der Frankfurter Peripherie müssen lieb gewordene Zöpfe
       abgeschnitten werden. „Frankfurt ist sehr sentimental, wenn es um seine
       Obstbauern in Markendorf geht“, weiß Prusa. Aber auch die Obstbauern, von
       denen nur noch wenige tatsächlich Obst anbauen, müssen an ihre Zukunft
       denken. Nun hat die Stadt die Markendorf Obst-Genossenschaft dazu gebracht,
       auf einem Teil der Flächen Solaranlagen aufzustellen. Davon profitieren
       nicht nur die Flächeneigentümer, sondern auch die Haushälter mit Einnahmen
       von 20.000 Euro im Jahr.
       
       Beispiele wie diese zeigen, dass es nicht den Königsweg zur resilienten
       Stadt gibt, weder in Berlin noch in der Mark. Dennoch hat das Städteforum
       fünf „Thesen zur klimagerechten Stadtentwicklung“ formuliert, zu der auch
       die soziale Stadtentwicklung gehört. Die dürfe nicht gegen den Klimawandel
       ausgespielt werden.
       
       Das gilt auch für Eberswalde. Dort werden derzeit neue Nutzerinnen und
       Nutzer für ein leer stehendes Gebäude am Bahnhof gesucht. „Weil wir das
       Gebäude als Stadt selbst nicht brauchen, haben wir es im Rahmen eines
       Konzeptverfahrens ausgeschrieben“, sagt Anne Fellner. Eine
       Liegenschaftspolitik, die sich nicht nur am Stadtsäckel orientiert, ist
       also nicht mehr nur ein Berliner Thema.
       
       Allerdings müsse eine solche Vergabe an soziale Projekte gut begründet
       sein, betont Fellner und verweist auf die Haushaltsordnung. „Die sagt, dass
       der Verzicht auf Einnahmen im Grunde eine Ausgabe ist.“ Deshalb müsse eine
       Matrix erarbeitet werden, um die Bewerbungen von Baugruppen oder sozialen
       Projekten zu bewerten.
       
       Die Herausforderungen, vor denen die Städte in Brandenburg stehen, kosten
       Geld. Das aber ist in vielen Kommunen nicht vorhanden. „Wir sind am Ende
       der Kette“, betonte Lübbenaus Bürgermeister Helmut Wenzel. „Wir können die
       Vorgaben nicht mehr nach unten weitergeben, sondern müssen sie umsetzen und
       dabei auch die Menschen mitnehmen.“
       
       Das betreffe neben der Hitze und dem klimagerechten Umbau der Städte vor
       allem die Energie- und Versorgungssicherheit. „Es war ein großer Schritt
       für uns, als wir die Ofenheizungen abgeschafft haben und auf Fernwärme
       umgestellt haben“, sagt Wenzel. Nun müsse man wieder umstellen, von
       fossilen Energien auf erneuerbare Energien. In vielen Kommunen geht deshalb
       die Frage um, wie man klimagerechten Stadtumbau finanzieren will, wenn etwa
       die Heizkosten in den Schulen dramatisch steigen. Der Bund muss helfen,
       sind sich alle einig.
       
       ## Abwärme vom Stahlwerk
       
       In Hennigsdorf ist man schon ein Stück weiter. „80 Prozent der erzeugten
       Wärme stammen aus regenerativen Energien“, sagt Holger Schaffranke,
       Geschäftsführer der [4][Hennigsdorfer Wohnungsbaugesellschaft HWG]. Zugute
       kommen der Stadt dabei die großen Industriebetriebe wie Alstom und das
       Stahlwerk. Letzteres trägt mit Abwärme zur Wärmeversorgung in der Stadt
       bei. Und natürlich kann in Hennigsdorf, wo 9.000 Wohnungen der 10.000
       Wohnungen von Schaffrankes HWG oder einer Genossenschaft bewirtschaftet
       werden, in großem Maßstab gedacht und gehandelt werden.
       
       Auch im Brandenburgischen Viertel wird die Wärmewende vorangetrieben. Dort
       wird nicht mehr mit Gas geheizt, sondern mit Pellets. Und auch sonst hat
       sich Eberswalde, mit der Hochschule für nachhaltige Entwicklung ohnehin
       eine grüne Stadt, einiges einfallen lassen: eines der größten
       [5][Fahrradparkhäuser] Brandenburgs zum Beispiel. „So können wir den
       Bahnhof als Umsteigepunkt auf den öffentlichen Nahverkehr stützen und
       gleichzeitig die Umwelt entlasten“, hatte Infrastrukturminister Guido
       Beerman (CDU) zum Baustart gesagt.
       
       Auch sonst gehört Eberswalde zu den innovativen Städten in Brandenburg.
       Weil die Stadt kein Geld für die Sanierung des Dachs einer Turnhalle im
       Haushaltsplan hatte, wurde das Dach an eine Bürgerenergie-Genossenschaft
       vergeben. Die sanierte das Dach, baute ein Solardach und versorgt die
       Turnhalle mit Solarstrom. Darüber hinaus kann sie den produzierten Strom
       verkaufen. „Für uns als Stadt wäre das komplizierter, weil wir als Kommune
       keinen Strom verkaufen dürfen“, betont Anne Fellner.
       
       28 Aug 2022
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] https://www.meinbrandenburgischesviertel.de/das-viertel
 (DIR) [2] https://www.bwb.de/de/schwammstadt-berlin.php
 (DIR) [3] https://www.staedteforum-brandenburg.de/
 (DIR) [4] https://wohnen-in-hennigsdorf.de/
 (DIR) [5] https://www.eberswalde.de/start/aktuell/aktuelles-beitrag/eberswalde-traut-sich-etwas-fahrradparkhaus-eingeweiht
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Uwe Rada
       
       ## TAGS
       
 (DIR) Resilienz
 (DIR) Schwerpunkt Klimawandel
 (DIR) Brandenburg
 (DIR) Schwerpunkt Klimawandel
 (DIR) Schwerpunkt Stadtland
 (DIR) U-Bahn Berlin
 (DIR) Potsdam
 (DIR) Berlin-Tegel
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
 (DIR) Schulprojekt zu Wasser: „Sie wissen um ihre Möglichkeiten“
       
       Achtklässler*innen haben ein Jahr lang zu nachhaltiger
       Wasserwirtschaft gearbeitet: Eine Form von Empowerment, sagen die
       beteiligten Künstlerinnen.
       
 (DIR) Zeitreise ins Westberlin der 1960er: Weg mit dem Elend
       
       Den Menschen in Westberliner Mietskasernen wurde Licht, Luft und Sonne
       versprochen. Heinrich Kuhn fotografierte vor der geplanten
       Kahlschlagsanierung.
       
 (DIR) Senatorin Jarasch über grünen Stadtumbau: „Es ist die Aufgabe meines Lebens“
       
       Im taz-Interview erklärt Mobilitäts- und Klimaschutzsenatorin Bettina
       Jarasch (Grüne), wie sie die Stadt verändern will – und zwar möglichst
       schnell.
       
 (DIR) Neues Viertel für Potsdam: Hindernisse am Stadtrand
       
       Potsdam will ein neues klimafreundliches Viertel auf einer alten Kaserne in
       Krampnitz errichten. Doch es zeigen sich immer mehr Probleme.
       
 (DIR) Tegel als Spielfeld für Zukunft: Visionen bereit zum Abheben
       
       Der ehemalige Flughafen Tegel ist offiziell in den Händen der neuen
       Betreiber. Es kann losgehen mit dem größten Stadtentwicklungsprojekt
       Berlins.