# taz.de -- „Gogol-Center“ in Moskau: „Das ist ordinärer Mord“
       
       > Auf behördliche Weisung wird das kritische Theater „Gogol-Center“ in
       > Moskau umbenannt. Ein neuer Intendant soll es auf Kreml-Kurs bringen.
       
 (IMG) Bild: Zuschauer im Gogol-Center am nach der Aufführung des letzten Stückes von Regisseur Alexei Agranovich
       
       „Kirill war das Gogol-Center,“ sagte Alexei Agranowitsch, der im März
       letzten Jahres zum künstlerischen Leiter des Theaters in Moskau ernannt
       worden war – nach der Entlassung von Kirill Serebrennikov.
       
       Agranowitsch ließ die Inszenierungen des international bekannten Regisseurs
       im Spielplan und machte nach [1][Kriegsbeginn] aus dem [2][Theater] einen
       Ort, der sich gegen den russischen Angriffskrieg in der Ukraine
       positionierte. So verzichteten die SchauspielerInnen seit 24. Februar
       konsequent auf den Schlussapplaus, stattdessen wurde jede Vorstellung mit
       der Friedenstaube als Symbol beendet.
       
       Eine der letzten Premieren trug den bezeichnenden Titel „Passt auf eure
       Gesichter auf“ – nach Gedichten des sowjetischen Lyrikers Andrei
       Wosnessenki, der in der Tauwetter-Periode der 1960er Berühmtheit erlangte.
       Auch am 30. Juni war das Gogol-Center ausverkauft, wie an vielen Abenden.
       Es wurde zum letzten Mal „Ich mache beim Krieg nicht mit“ gezeigt.
       
       Der Abend stützt sich auf die Verse des sowjetisch-ukrainischen Dichters
       Juri Lewitanski: „Ich mache beim Krieg nicht mit, aber der Krieg ist in
       mir.“ Auf der Bühne stehen diesmal alle Mitwirkenden und überhaupt alle
       Mitarbeiter:Innen des Theaters, denn es ist der letzte Abend des
       Gogol-Centers, wie es bisher war. Auch Alexei Agranowitsch wurde am Tag
       vorher vom Kulturministerium über seine fristlose Kündigung zum 1. Juli
       informiert.
       
       ## Ordinärer Mord
       
       Der ganze Saal stand auf und spendete fünfminütigen Applaus, bevor der
       Noch-Intendant ans Mikrofon trat und sagte: „Kirill war das Gogol-Center.
       Das war die erste Spielzeit ohne ihn. Heute beenden wir das Projekt
       Gogol-Center. Für immer. Aber da uns die gemeinsame Erinnerung eint, werden
       wir auch den heutigen Tag nicht vergessen. Ich sage euch Auf Wiedersehen.
       Noch sind wir am Leben.“
       
       Das Gogol-Center soll wieder Gogol-Theater heißen, wurde im
       Kulturministerium beschlossen, und mit Anton Jakowlew hat das Haus jetzt
       einen kremltreuen Intendanten. Kirill Serebrennikov kommentiert das auf
       seinem Telegram-Kanal: „Man schließt ein lebendiges Theater. Ein Theater,
       das für die Menschen da ist. Man schließt das Theater, weil es sich seine
       Aufrichtigkeit bewahrt hat. Das ist Mord. Ordinärer Mord.“
       
       Von 2012 bis 2021 war Kirill Serebrennikov künstlerischer Leiter des
       Gogol-Centers und hat an seinem Haus auch viele Inszenierungen
       verantwortet. Dmitri Medwedjew persönlich hatte sich im Jahr 2012, seinem
       letzten Jahr als russischer Präsident, dafür eingesetzt, dass Serebrennikov
       das künstlerisch heruntergewirtschaftete Theater übernehmen konnte.
       
       Serebrennikov öffnete das Haus für freie Gruppen und sammelte um sich junge
       Darstellerinnen, die er an der Schauspielschule des Moskauer
       Künstlertheaters selbst ausgebildet hatte. Und schon in der ersten
       Spielzeit erarbeitete sich das Theater mit körperlich-sinnlichen
       Inszenierungen einen überregionalen Ruf.
       
       Nachdem ab 2013 Wladimir Putin erneut als russischer Präsident fungiert
       hatte, begannen die Probleme. 2017 hängte man Serebrennikov ein absurdes
       Gerichtsverfahren wegen vermeintlicher Unterschlagung öffentlicher Gelder
       an. „Das Gogol-Center war den Machthabenden schon lange ein Dorn im Auge.
       Es gab immer wieder Versuche, das Theater zu schließen“ erinnert er sich.
       „Jetzt, weil Krieg ist, schafft man es endlich.“
       
       Serebrennikov stand in Russland seit 2017 mehrmals monatelang unter
       Hausarrest, sein Pass wurde ihm über Jahre entzogen. Inzwischen konnte er
       ausreisen und lebt im Berliner Exil. Hier hat er gute Kontakte in die
       Theaterszene. So wird er in der nächsten Spielzeit am Deutschen Theater in
       der Hauptstadt inszenieren. Er stellt fest: „Ich mache jetzt Theater und
       Film für Menschen in Europa. Ich werde mich an das neue Leben anpassen.“
       
       5 Jul 2022
       
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