# taz.de -- Mehr Zivilschutz nach dem Hochwasser: Die Lehren aus der Katastrophe
       
       > Bei der Flutkatastrophe vor einem Jahr versagte der Zivilschutz. Nancy
       > Faeser verspricht einen „Neustart“, der BBK-Präsident warnt drastisch.
       
 (IMG) Bild: Fordern mehr Zivilschutz ein: Ralph Tiesler, Nancy Faeser und Gerd Friedsam (von links)
       
       BERLIN taz | Ralph Tiesler wohnt nur wenige Kilometer vom Ahrtal entfernt,
       wo genau vor einem Jahr die [1][Flutkatastrophe] hereinbrach. Häuser und
       Brücken wurden von den Sturzfluten weggerissen, mehr als 130 Menschen
       starben allein in der Region, 184 waren es in Rheinland-Pfalz und
       Nordrhein-Westfalen insgesamt. „Der Schrecken sitzt bei uns allen noch
       ziemlich tief“, sagt der neue Präsident des Bundesamtes für
       Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe (BBK) am Mittwoch in Berlin. Die
       Schicksale, auch aus seinem persönlichen Umfeld, gingen ihm „bis heute sehr
       nahe“.
       
       Neben Tiesler sitzen Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) und Gerd
       Friedsam, der Präsident des Technischen Hilfswerks (THW), das vor einem
       Jahr den größten Einsatz seiner Geschichte absolvierte. Das Trio
       präsentiert die Lehren, die Politik und Katastrophenhelfer aus der Flut
       gezogen haben. „Wir haben uns zu lange sicher gefühlt“, räumt Faeser ein.
       Nun müsse man „mit großer Kraft“ die Versäumnisse der vergangenen Jahre
       aufarbeiten. „Wir brauchen einen Neustart im Bevölkerungsschutz.“ Auch
       Tiesler sieht diesen Schritt „überfällig“.
       
       Tatsächlich versagten vor einem Jahr [2][fast sämtliche Warnstrukturen]:
       Frühe Hinweise auf die Flut wurden nicht an die Bevölkerung weitergegeben,
       ein flächendeckendes Warnsystem existierte nicht, Helfer:innen
       arbeiteten kaum koordiniert nebeneinander.
       
       Bisher ist der Katastrophenschutz Ländersache, Faeser will nun mehr
       Kooperation zwischen allen Beteiligten und mehr Bündelung im Bund.
       Letzterem stehen die Länder und Kommunen bisher allerdings reserviert
       gegenüber. Faeser aber verweist auf die Dringlichkeit: Die Pandemie,
       Extremwetter, der Ukrainekrieg – Krisen würden zum Alltag. Bereits Mitte
       Juni hatte sie mit den Landesinnenminister:innen deshalb ein
       „[3][Gemeinsames Kompetenzzentrum Bevölkerungsschut]z“ beschlossen, das bei
       Tieslers BBK angesiedelt ist. In Katastrophenfällen sollen sich die Länder
       dort künftig enger austauschen und Expert:innen Risikoszenarien
       erarbeiten. Das BBK selbst soll 146 neue Stellen bekommen. Und zum
       Jahresende sollen sich Bund und Länder in einer Konferenz zum Thema
       Zivilschutz zusammensetzen.
       
       ## Notfallzeltstädte und Wiederaufbau von Sirenen
       
       Zudem werde man mehrere Notfallzeltstädte für je bis zu 5.000 Menschen
       anschaffen, verspricht Faeser. Auch treibe man den bundesweiten
       Wiederaufbau von Sirenen voran, deren Abbau ein „großes Versäumnis“ gewesen
       sei. Investiert werde in den Cellbroadcast, mit dem Warnmeldungen auf
       Handys verschickt werden können, und in die Warnapp „Nina“, die ebenfalls
       Notfallmeldungen aussendet.
       
       Außerdem sollen zwei Aktionstage auf den Ernstfall vorbereiten. Am 8.
       Dezember soll mit einem neuen Warntag die Kriseninfrastruktur getestet
       werden – und 2023 ein jährlicher Bevölkerungsschutztag eingeführt werden,
       bei dem ein Reagieren auf Katastrophen eingeübt werden soll. Für all die
       Maßnahmen sind im aktuellen Haushalt 300 Millionen Euro eingeplant. Die
       Innenminister:innen verlangen weit mehr: 10 Milliarden Euro sollen es
       in den kommenden zehn Jahren sein.
       
       Zuvor hatte bereits das Ampelkabinett eine Resilienzstrategie
       verabschiedet, in der ebenfalls Krisenschutzmaßnahmen gebündelt werden. Von
       einem „historischen Dokument“ spricht BBK-Präsident Tiesler, da erstmals
       alle Ministerien bei dem Thema zusammengearbeitet hätten. Auch Tiesler
       betont am Mittwoch den Dauerkrisenmodus, der ein neues Krisenbewusstsein
       der Bevölkerung verlange – und stimmt darauf mit ungeschönten Worten ein.
       
       So blickt er voraus auf einen „harten Winter“, mit möglichem Gasmangel und
       neuer Coronawelle. „Dafür sollten alle überlegen, was wir auch selbst zu
       Hause tun können.“ Tieslers Vorschläge: Notfallvorrat, Erste-Hilfe-Kasten,
       alternative Energiequellen. „Alles was uns autark macht, macht Deutschland
       sicherer.“ Und Tiesler warnt auch, dass künftig einige Landstriche
       hierzulande aufgrund des Klimawandels und der Unwetter nicht mehr
       besiedelbar sein werden. Die Bürger:innen müssten sich hier auf
       „schwierige Diskussionen“ einstellen. „Wir müssen lernen, dass es beim
       Katastrophenschutz keine Gewissenheit gibt.“
       
       13 Jul 2022
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] /Ein-Jahr-nach-dem-Ahrtal-Hochwasser/!5863831
 (DIR) [2] /Hochwasser-in-Deutschland/!5787157
 (DIR) [3] /Konferenz-der-Innenministerinnen/!5858901
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Konrad Litschko
       
       ## TAGS
       
 (DIR) Katastrophenschutz
 (DIR) Zivilschutz
 (DIR) Flutkatastrophe in Deutschland
 (DIR) Hochwasser
 (DIR) Flut
 (DIR) Warntag
 (DIR) Nancy Faeser
 (DIR) Bundesinnenministerium
 (DIR) Österreich
 (DIR) Schwerpunkt AfD
 (DIR) Frauenhäuser
 (DIR) Flut
 (DIR) Flutkatastrophe in Deutschland
 (DIR) Flut
 (DIR) Lesestück Recherche und Reportage
 (DIR) Lesestück Recherche und Reportage
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
 (DIR) Bundesweiter Warntag: Deutschland schlägt Alarm
       
       Klima, Krieg und Katastrophen: Die Bevölkerung soll besser gewarnt werden.
       Doch zugleich müssen die zuständigen Behörden mit weniger Geld rechnen.
       
 (DIR) Erster Bevölkerungsschutztag: Preppen als Volksfest
       
       Ohne Ehrenamt ist der Einsatz bei Bränden oder Hochwasser unmöglich.
       Innenministerin Faeser will mit Härte gegen Gewalt gegen Rettungskräfte
       vorgehen.
       
 (DIR) Bundesweiter Warntag: Vor dem Sirenengeheul
       
       Am Donnerstag wollen Bund, Länder und Kommunen üben, wie die Bevölkerung im
       Katastrophenfall gewarnt werden kann. Die Erwartungen sind hoch.
       
 (DIR) Tote nach Unwettern in Westeuropa: Stürme treffen Toskana und Korsika
       
       Westeuropa wird von Unwettern erschüttert, mindestens 13 Menschen sterben.
       In Frankreich werden Sturmböen bis zu 220 Kilometer die Stunde schnell.
       
 (DIR) Rechte Proteste wegen Energiekrise: Hoffen auf das Horrorszenario
       
       Führt die Energiekrise zu sozialen Unruhen von rechts? Thüringens
       Verfassungsschutzpräsident warnt vor einem Zusammenbruch des öffentlichen
       Lebens.
       
 (DIR) Frauenbildungsstätte nach der Flut: Eine Katastrophe nach der anderen
       
       Sturm, Lockdown und dann noch die Flut: Das Kollektiv lila_bunt hat seit
       der Übernahme der Frauenbildungsstätte nur Krisenjahre erlebt.
       
 (DIR) Erster Jahrestag der Flutkatastrophe: Normal ist noch immer nichts
       
       An Ahr und Erft haben die Menschen den über 180 Opfern der Flut von 2021
       gedacht. Mit dabei: Erfolgsgeschichten, aber auch Frust.
       
 (DIR) Steinmeier im Ahrtal: Leuchttürme und Schlammreste
       
       Der Bundespräsident besucht das Ahrtal am Jahrestag der Flutkatastrophe. Er
       trifft auf Hoffnung und bittere Enttäuschung.
       
 (DIR) Betroffene über Fluthilfe in der Eifel: „Die Handwerker fehlen“
       
       Die Betroffenen der Flut vor einem Jahr haben viel Hilfe erhalten, sagt
       Petra Schmidt. Doch in ihr Haus in der Eifel kann sie noch immer nicht
       zurück.
       
 (DIR) Erster Jahrestag der Flutkatastrophe: Die Angst vor dem Regen
       
       Ein Jahr nach der Flutkatastrophe im Ahrtal lebt Familie Ataoğlu weiter in
       einem winzigen Haus. Viele kämpfen bis heute mit dem Trauma. Ein Besuch.
       
 (DIR) Ein Jahr nach dem Ahrtal-Hochwasser: Leben nach der Flut
       
       Am 14. Juli 2021 wurde das Ahrtal überflutet. Besonders hart traf es den
       Ort Schuld. Nun kämpfen sich die Menschen zurück in den Alltag.