# taz.de -- Neues Album von Freejazzer Rolf Hansen: Die Axt ohne Klischees
       
       > Der dänische Freejazz-Gitarrist Rolf Hansen veröffentlicht „Tableau“, ein
       > Album, mit dem er das Klangspektrum seines Instruments kreativ erweitert.
       
 (IMG) Bild: Däne mit Russenmütze: Gitarrist Rolf Hansen
       
       Mal kreischt sie, mal hüpfen ihr die Töne flummiartig von den Saiten. Was
       die E-Gitarre leider stärker symbolisiert als das schier endlose
       Klangspektrum, das man ihr entlocken kann, sind die Projektionen, die das
       Instrument auf sich zieht.
       
       Oft fetischisiert, gilt „die Axt“ vielen als rockgewordene Rebellion; oder
       sie steht sinnbildlich für rückwärtsgewandtes Mackertum. Dass das Problem
       nicht die E-Gitarre an sich ist, sondern allenfalls die Posen, die mit ihr
       vollführt werden, führt „Tableau“ vor: Ein Album, auf dem durch E-Gitarren
       erzeugte Soundwelten abseits von Klischees zu entdecken sind.
       
       In seiner Reduktion erinnert Rolf Hansen nicht zuletzt an den Gitarristen
       Derek Bailey. Der 2005 verstorbene Brite hat seit den 1960ern an einer
       freien Improvisationsmusik gearbeitet, die aus dem Schatten von Free Jazz
       heraustrat und sich in Richtung Neuer Musik, später dann auch zur
       Elektronik öffnete. Bailey spielte nicht nur die Saiten und das Griffbrett,
       sondern benutzte auch den Korpus, um damit Sounds zu erzeugen.
       
       ## Vom Folk zum Jazz
       
       Mit „Tableau“ schreibt der dänische Gitarrist Rolf Hansen die
       Klangforschung fort, die der 46-Jährige mit dem Album „Elektrisk Guitar“
       (2019) begonnen hat: Er schreitet Richtung Avantgarde. „Elektrisk Guitar“
       war Hansens erste Veröffentlichung unter bürgerlichem Namen.
       
       Zuvor hatte sich der Kopenhagener Il Tempo Gigante genannt und war als
       Sänger und Gitarrist auf folkigem Terrain in der Indie-Szene unterwegs.
       Veröffentlicht hat beide Gitarren-Alben das Label Karaoke Kalk, das gerade
       seinen 25. Geburtstag feiert. Wohlklang und Experiment finden bei dem
       anfangs in Köln, mittlerweile in Berlin beheimateten Garant für schöne
       Nischenmusik oft zusammen.
       
       Mit der Band März und dem Album „Love Streams“ feierte Karaoke Kalk bereits
       2002 internationale Erfolge, wie auch mit dem Düsseldorfer Popduo Donna
       Regina; und auch der mit präpariertem Klavier arbeitende, später als
       Filmkomponist zu Weltruhm gekommene Hauschka (Volker Bertelmann) brachte
       seine Frühwerke auf [1][Karaoke Kalk] heraus. In einem Interview anlässlich
       des Jubiläums erklärte Labelbetreiber Thorsten Lütz dem Online-Magazin Das
       Filter, warum er anfangs keinesfalls Gitarrenmusik herausbringen wollte –
       und wieso sich das inzwischen geändert hat.
       
       ## Gitarren dürfen stattfinden
       
       „Ich war zwar auch Indie-mäßig sozialisiert. Plötzlich war ich aber nur
       noch auf Techno- und House-Partys unterwegs. […] Auf keinen Fall durften
       Gitarren stattfinden. Das habe ich genau zwei Jahre durchgehalten. Weil ich
       in der Zwischenzeit gemerkt habe, was für Quatsch diese Haltung eigentlich
       ist.“
       
       In dem hörenswerten Mix [2][„Filter Tapes 046 – 25 Years of Karaoke Kalk“],
       einem eklektischen Ritt durch die Labelgeschichte (zu hören auf
       Soundcloud), ist nun mit dem romantisch verspielten „Vand“ auch ein Track
       von Rolf Hansen zu hören. Eine Sehnenscheidenentzündung, so erzählte der
       Künstler unlängst bei einem Konzert in der Berliner Galiläakirche, hatte
       ihn bei der Arbeit an „Tableau“ dazu gezwungen, die Gitarre vor sich auf
       den Tisch zu legen.
       
       Entsprechend anders waren die Techniken, mit denen er seinem bei jedem
       Track unterschiedlich gestimmten Instrument Klänge entlockte; eingefangen
       hat er die mikrotonalen Verschiebungen mit Raum-Mikrofonen.
       
       ## Kühler Wind mit Ambient
       
       Man kann dadurch en détail hören, wie Hansen sein eigentlich vertrautes
       Instrument neu entdeckt. Mal zupft er aus ungewohntem Winkel an den Saiten,
       dann wieder bearbeitet er sie mit einem Werkzeug. Gleich beim
       Eröffnungstrack „Begyndelse“ begnügt er sich mit nur einem Melodieton, der
       Ambient-Flächen rhythmisch strukturiert, die den Song wie ein kühler Wind
       durchwehen.
       
       Der dräuende Track „Kiastisk“ weckt Assoziationen an einen
       Hornissenschwarm, während im darauf folgenden „Ambolt“ der Klang eher
       perlt. Nicht nur Hansen erschließt sich neue Klangwelten, auch die
       Hörer:in ist eingeladen, Erwartungen immer wieder zu justieren.
       
       „Tableau“ ist spröder geworden als sein Vorgänger, erweist sich jedoch als
       nachhaltig befriedigend, wenn man sich aufs Lauschen einschwingen mag. Den
       fast unmerklichen Verschiebungen in den Stücken nachzuhorchen – bei denen
       die stillen Pausen ebenso wichtig sind wie die Töne – versetzen die
       Hörer:in zwangsläufig in einen meditativen Zustand.
       
       24 Jun 2022
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] /Karaoke-Kalk/!577897/
 (DIR) [2] http://dasfilter.com/sounds/filter-tapes-046-25-jahre-karaoke-kalk-von-strobocop
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Stephanie Grimm
       
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