# taz.de -- Musikfestival in Kopenhagen: All that Jæzz
       
       > Der improvisatorischen Neuerfindung groove-basierter Musik sind keine
       > Grenzen gesetzt, das zeigt das Copenhagen Jazz Festival. Und das ganz
       > ohne große Namen.
       
 (IMG) Bild: Spielte im Kunstforeningen am Gammel Strand: Das August Rosenbau Trio.
       
       Mit dem Vijay Iyer Trio, der momentan meist beachteten und gefeierten Band
       des aktuellen Jazz, eröffnete am Freitag das 34. Copenhagen Jazzfestival.
       Das überfüllte Nachmittagskonzert im Staatlichen Kunstmuseum, der
       bedeutendsten Institution für bildende Kunst in Dänemark, ist eine der
       vielen Festivalproduktionen, bei denen der Eintritt frei ist.
       
       Rhythmische Transformationen erfüllen den Raum, Beats, die sich scheinbar
       verdoppeln, melodisch-harmonische Kippfiguren, die sich bei Heatwaves „The
       Star Of A Story“ und Michael Jacksons „Human Nature“ bedienen und ein
       Grundprinzip des Jazz untermauern: dass nämlich der improvisatorischen
       Neuerfindung groove-basierter Musik keine Grenzen gesetzt sind.
       
       In einem thematischen Abstecher nach Detroit ehrt der New Yorker Musiker
       Iyer auch den Erfinder des Minimal-Techno, Robert Hood, und gewährt
       zugleich Einblicke in die Arbeitsweise und den Verfügungsreichtum aktueller
       Improvisationskunst.
       
       Sympathisch entspannt ist die Atmosphäre, in der das Festival beginnt –
       vergessen sind die Erinnerungen an das große Unwetter, in dem es im
       vergangenen Jahr zu ertrinken drohte. Das damals geflutete JazzHouse, der
       wichtigste dänische Jazzclub, konnte erst vor wenigen Tagen wiedereröffnet
       werden, er gehört nun direkt dem Jazzfestival, das dort mit einem Konzert
       des 29-jährigen afroamerikanischen Trompeters Ambrose Akinmusire beginnt.
       
       Seine Komposition „Regret (No more)“, ein Duo mit dem jungen Pianisten Sam
       Harris, gerät zu einem der Glanzstücke des Abends. In aller Kürze wird das,
       was auf der Trompete sinnvoll erscheint, verifiziert: virtuos,
       experimentell, bescheiden, stark. Das Konzert des vom US-Jazzmagazin Down
       Beat zum Trompeter des Jahres ernannten Musikers eröffnet zugleich einen
       der Themenschwerpunkte des Festivals: „21st Century Jazz“.
       
       ## Weniger Masse, mehr Qualität ist das Ziel
       
       Nach Sonny Rollins und Keith Jarrett im Vorjahr seien dem Festival die
       großen Namen ausgegangen, erklärt Signe Lopdrup in ihrem temporären Büro in
       einem der zahlreichen Kulturhäuser Kopenhagens – sie leitet das Festival
       seit zehn Jahren.
       
       Neben Wayne Shorter programmiert sie nun auch World Music von Anoushka
       Shankar, ihr Festival solle fortan nicht mehr in der Masse, sondern in der
       Programmqualität und Publikumsentwicklung wachsen. Mit 1.200 Konzerten in
       zehn Tagen ist Copenhagen Jazz das größte Musikfestival der dänischen
       Hauptstadt.
       
       Das offizielle Budget des Nonprofitunternehmens liegt bei umgerechnet 1,2
       Millionen Euro, jeweils ein Drittel davon stammt aus staatlicher
       Subventionierung und privatem Sponsoring. Besonders die Zuwendungen aus dem
       Haushalt der Kommune zielen auf möglichst viele Open-Air-Konzerte in den
       Wohnbezirken, das Festival findet auf über 100 verschiedenen Bühnen in der
       Stadt verteilt statt.
       
       Dazu gehört auch der Jazz Club in Christiana, deren Besetzer nach
       jahrzehntelangen Kämpfen und Gerichtsprozessen seit dem 1. Juli ordentliche
       Besitzer und Mieter ihres Stadtteils sind.
       
       Lopdrup betont die besondere Struktur, die das dänische Festival im
       weltweiten Vergleich so einzigartig macht. 180 Konzerte produziert das
       Festival selbst, der Rest kommt von anderen lokalen Veranstaltern, die
       jeweils umgerechnet 800 Euro dafür zahlen, dass ihre Konzerte als Teil des
       Festivals beworben werden. Das bedeute allerdings auch, dass die jeweilige
       Qualität für Außenstehende unberechenbar sei.
       
       ## Beispielhaftes Musikgesetz
       
       Beispielhaft ist auch das dänische Musikgesetz, nach dem Clubs für die
       Programmierung von rhythmisch orientierter Musik und Jazz staatliche
       Förderung beantragen und erhalten können.
       
       Das Jazzhus Montmartre, auch unlängst an historischer Stätte
       wiedereröffnet, steuert damit ein eigenes Standardprogramm mit Paolo Fresu
       und Mulgrew Miller bei. Die Tageszeitung Politiken hat extra eine
       achtköpfige Redaktion abgestellt für die täglich erscheinende
       Festivalzeitung Jazz Live. In der ehemaligen Druckereihalle der Zeitung
       finden jetzt Konzerte, unter anderem mit dem brasilianischen Popstar Milton
       Nascimento statt.
       
       Und auch das gehört zum Copenhagen Jazz Festival: In der Vor Frue Kirke,
       der Kathedrale mit Thorvaldsens berühmten Marmorstatuen, die bereits bei
       königlichen Hochzeiten und Taufen zugegen waren, tritt am Eröffnungsabend
       ein Avantgarde-Chor mit improvisierter elektronischer Musik von Dodebum aka
       Henrik Sundh auf, zur gleichen Zeit baden beim Open-Air-Konzert des
       Kulturhuset Islands Brygge die ersten Festivalgäste im klaren Kopenhagener
       Hafenwasser.
       
       [1][Copenhagen Jazz Festival], noch bis 15. Juli
       
       11 Jul 2012
       
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