# taz.de -- Doku „Zum Teufel mit den Barrieren“: Bewegende Bilder gegen Barrieren
       
       > In der Bremer Dokumentation „Zum Teufel mit den Barrieren“ schildern
       > Menschen mit Behinderungen, ob die Gesellschaft für sie inklusiver
       > geworden ist.
       
 (IMG) Bild: Wem wird der Stempel Behinderung aufgedrückt? Der Film geht mit dieser Frage behutsam um
       
       Können wir wissen, ob andere Menschen sich durch unser Handeln und unsere
       Worte verletzt oder ausgegrenzt fühlen? Können wir nicht auch mit guten
       Intentionen diskriminieren? Florian Grams erlitt bei seiner Geburt einen
       Hirnschaden, der seinen Bewegungsapparat beeinflusste. In der Dokumentation
       „Zum Teufel mit den Barrieren“ erzählt er davon, dass er als Kind auf der
       Straße oft von Fremden angesprochen wurde, die ihm sagten, wie traurig und
       schlecht sein Leben doch sei, und die ihm dann zum Teil Geld gaben oder für
       ihn beten wollten.
       
       Grams war aber ganz zufrieden mit seinem Leben und erlebte diese
       Begegnungen als ausgrenzend und verletzend. Dies ist ein gutes Beispiel für
       die Vermittlung von Erfahrungswissen, und der Film ist immer dann am
       stärksten, wenn die Protagonist*innen so persönlich ihre eigenen
       Erfahrungen schildern.
       
       So spricht eine Autistin davon, wie sie in der Schule gemobbt und von einer
       Lehrerin drangsaliert wurde. Heute ist sie selber Dozentin und
       Sozialarbeiterin. Eine andere Frau war aus der Religionsgemeinschaft der
       Zeugen Jehovas ausgestiegen und wurde dadurch so traumatisiert, dass sie
       psychisch erkrankte. Die schlimmste Barriere für sie war die fehlenden
       Akzeptanz bei ihrem Versuch, in ein gesundes Leben zurückzufinden.
       
       Der Filmemacher und Dozent für Behindertenpädagogik Jürgen J. Köster macht
       in Bremen schon seit den frühen 1980er-Jahren integrative Filmarbeit. Der
       von ihm inszenierte Spielfilm [1][„Erden und Tschüss!“] war ein auf allen
       Ebenen inklusiver Film in dem Sinne, dass nicht nur die
       Protagonist*innen Menschen mit und ohne Beeinträchtigungen waren,
       sondern sie auch im Filmteam gleichberechtigt miteinander arbeiteten und
       etwa das Drehbuch gemeinsam entwickelten.
       
       „Zum Teufel mit den Barrieren“ wurde vergleichsweise konventionell gedreht.
       Zusammen mit der Produzentin Elizabeth Dinh ist Köster für den Dreh, die
       Montage und Postproduktion verantwortlich. Die Protagonist*innen hatten
       allerdings ein Mitspracherecht, und so erklären sich die vielen idyllischen
       Stadtansichten, etwa von der Böttcherstraße oder dem Bremer Rathaus.
       
       Köster will mit „Zum Teufel mit den Barrieren“ dokumentieren, wie es um die
       [2][Inklusion] in der Stadt Bremen steht. Er beginnt den Film mit einem
       historischen Prolog, bei dem in einer fiktiven Tagebuchnotiz geschildert
       wird, wie Patienten im Jahr 1975 in „irgendeinem Landeskrankenhaus“ mit
       hohen Dosen von Beruhigungsmitteln ruhiggestellt oder im Bett dauerfixiert
       wurden. Köster arbeitete damals selber als Pfleger unter solchen
       Bedingungen, der von ihm geschriebene Text ist also autobiografisch.
       
       Nach diesem persönlichen Beginn tritt Köster als Filmemacher konsequent in
       den Hintergrund, denn der Rest des Films ist betont kunstlos gemacht. Er
       besteht aus Gesprächspassagen, also sogenannten „talking heads“, in denen
       neben den persönlichen Erinnerungen auch viele gesellschaftspolitische
       Analysen und Kommentare formuliert werden.
       
       Der Landesbehindertenbeauftragte der Freien Hansestadt Bremen, Arne
       Frankenstein, spricht etwa lange und fundiert darüber, wie „die
       Behindertenbewegung seit den 1970er-Jahren schon ein ganzes Stück des Weges
       gegangen“ ist. Aber er tritt im Film als reiner Funktionsträger auf. Alle
       persönlichen Informationen werden ausgespart, und dies geht so weit, dass
       Köster ihn nur in der immer gleichen Einstellung, einem „Brustbild“,
       gefilmt hat, man also nur indirekt an einer Kopfstütze erkennen kann, dass
       Frankenstein Rollstuhlfahrer ist.
       
       Auch sonst werden die Behinderungen der Protagonist*innen nur dann
       thematisiert, wenn sie selber sie ansprechen. Köster vermeidet also auch
       filmisch den Blick von außen auf die Menschen und ihre Behinderungen.
       
       ## Film als Teil der Bewegung
       
       Stattdessen zitiert er sich oft selber mit Ausschnitten aus eigenen Filmen,
       durch die entweder das Gesagte illustriert wird, oder in denen etwa
       Isabelle Gersiek selber als Schauspielerin auftritt. Und Köster scheint
       auch immer mit der Kamera dabei gewesen zu sein, wenn Menschen mit
       Behinderungen in Bremen auf die Straße gingen, um für ihre Rechte zu
       demonstrieren. Da zündet sich bei einer Straßenperformance eine namenlos
       bleibende Aktivistin ihren Arm an, die Straßenkehrer des Blaumeier Ateliers
       spielen in ihren Masken aus Pappmaché auf dem Bremer Marktplatz und die
       Musikerin Hanna Buhr singt Protestlieder.
       
       Schon der Titel „Zum Teufel mit den Barrieren“ macht deutlich, dass Köster
       kein um Objektivität bemühter Dokumentarist ist, sondern den Film selbst
       als Teil der Bewegung versteht. Und so feiert er sie dann auch mit starken
       Protagonist*ìnnen und Bildern, die Mut machen sollen. Die Premiere
       findet am 24. Mai im Bremer City 46 statt. Und das ist selbstverständlich
       ein barrierefreies Kino.
       
       24 May 2022
       
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