# taz.de -- Rosengarten statt Versöhnergebäude: Dicht an dicht
       
       > Zwischen Garnisonkirchturm und Rechenzentrum soll in Potsdam ein drittes
       > Gebäude entstehen. Über dessen Sinn stritt man bei einem
       > Diskussionsabend.
       
 (IMG) Bild: Zwischen Rechenzentrum und dem Turm der Garnisonkirche wäre noch Platz
       
       In Potsdams Innenstadt stehen architektonisch DDR-Moderne und deutscher
       Barock ganz nah beieinander. Natürlich gewachsen ist das Ensemble nicht;
       der Garnisonkirchturm, 1945 ausgebrannt und 1968 vom SED-Regime gesprengt,
       wird seit 2017 wieder aufgebaut. Das Projekt ist höchst umstritten: [1][Der
       Turm, vor dem 1933 der historische Handschlag zwischen Hindenburg und
       Hitler den Beginn der Naziherrschaft markierte,] sollte eigentlich mittels
       Spenden wiederauferstehen, doch letztendlich wird ein Großteil aus
       Steuergeldern finanziert.
       
       Praktisch ist zwischen Garnisonkirchturm und dem in der DDR gebauten
       Rechenzentrum wenig Platz. Dort soll nun jedoch ein weiteres Gebäude, ein
       dritter Ort, entstehen, der die bereits bestehenden miteinander verbindet.
       Der Architekt Philipp Oswalt, der sich jahrelang gegen den Bau des
       Kirchturms eingesetzt hat, hält das für eine gute Idee. „Der Kirchturm hat
       keinen Nutzwert, dieses bauliche Symbol braucht daher einen Kommentar“,
       meint er und fürchtet: Bliebe die Fläche frei, so würde die Diskussion
       darüber, ob nicht auch noch das Kirchenschiff wiederaufgebaut werden solle,
       niemals enden.
       
       Oswalt lehrt in Kassel Architektur und hat seine Studierenden zu einer
       Exkursion nach Potsdam eingeladen. Die haben sich in ersten Entwürfen
       ausgemalt, wie ein drittes Gebäude aussehen könnte. Die Pläne haben keine
       Verbindlichkeit, und so träumen einige groß. Manche der Entwürfe muss man
       so als Provokation verstehen. So geht der „Wolkenbügel“ etwa von einem um
       den Kirchturm gelegten Rundweg aus, der dessen Erscheinungsbild optisch
       klar entgegenwirken würde.
       
       Auf Grundlage dieser Entwürfe, die im Rechenzentrum ausgestellt sind, hat
       Oswalt am Donnerstag zu einer Debatte darüber eingeladen, wie ein dritter
       Ort mit dem Arbeitstitel „Haus der Demokratie“ das Gebäudeensemble ergänzen
       könnte. Was darin abgesehen von einem Plenarsaal für Abgeordnete Platz
       finden soll, ist noch unklar.
       
       ## Geschichtsrevisionismus in dritter Runde
       
       Die Historikerin Agnieszka Pufelska ist strikt gegen den Bau. [2][Der
       Wiederaufbau des Garnisonkirchturm zeuge von Geschichtsrevisionismus, indem
       man die Episode des preußischen Militarismus bewusst ausblende.] Das
       Rechenzentrum zeuge jedoch von ähnlicher Verdrängung, da die DDR-Regierung
       mit dem Bau 1971 bewusst einen Schlussstrich unter die Nazizeit setzte. Ein
       drittes Gebäude versuche, eine große Versöhnungsgeste zwischen die
       verschiedenen Aspekte der Potsdamer Geschichte zu setzen, so Pufelska. „Die
       Auseinandersetzung mit Geschichte ist damit aber nicht abgeschlossen.“
       
       Die Historikerin Miriam Rürüp wiederum befürwortet die Idee eines dritten
       Gebäudes. Rürüp verfolgt in Hamburg [3][den Wiederaufbau der
       Bornplatzsynagoge] kritisch, der der Diskussion in Potsdam aber auch in
       Berlin [4][in der Angelegenheit des Berliner Schlosses] ähnelt. Pufelska
       setzt schließlich auf ein praktisches Argument: Bauschutt sei für 50
       Prozent unseres Mülls verantwortlich, sagt sie. Würde man statt eines
       Gebäudes etwa einen Rosengarten anlegen, würden Potsdamer:innen den Ort
       vielleicht tatsächlich freiwillig aufsuchen.
       
       Die Fronten in dem Streit sind verhärtet, das wird bereits spürbar in einer
       Debatte, bei der eigentlich alle auf der selben Seite stehen sollten:
       Letztlich wollen alle den Erhalt des Rechenzentrums, der als Kreativzentrum
       genutzt wird, sicherstellen. Ein dritter Ort, so vermutet Philipp Oswalt,
       mache den Erhalt für Potsdamer Garnisonkirch-Begeisterte tragbarer.
       
       Dass früher oder später ein Kompromiss auf dem geschichtsträchtigen Gelände
       (ent)stehen muss, macht Oberbürgermeister Mike Schubert (SPD) deutlich. Es
       gebe einen Stadtverordnetenbeschluss, der den Abriss des Rechenzentrums
       festlege, sagt er. Wenn keine Einigung entstünde, müsste dieser umgesetzt
       werden.
       
       29 Apr 2022
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] /Architektur-und-Erinnerungspolitik/!5687916
 (DIR) [2] /Pfarrer-mit-Kriegserfahrung/!5778107
 (DIR) [3] /Wiederaufbau-der-Bornplatz-Synagoge/!5750291
 (DIR) [4] /Autor-ueber-das-Berliner-Schloss/!5782539
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Julia Hubernagel
       
       ## TAGS
       
 (DIR) Potsdam
 (DIR) Preußen
 (DIR) Garnisonkirche
 (DIR) Schwerpunkt Nationalsozialismus
 (DIR) DDR
 (DIR) Architektur
 (DIR) Potsdam
 (DIR) Hohenzollern
 (DIR) Garnisonkirche
 (DIR) Garnisonkirche
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
 (DIR) Neues Museum in Potsdam: Widersprüchliche Stadt
       
       In Potsdam hat das Minsk, ein Museum für Kunst der DDR, eröffnet. Endlich
       eine Wertschätzung der Ostmoderne oder der gnädige Wink eines Mäzens?
       
 (DIR) Historiker Malinowski über Hohenzollern: „In der Sichtachse Hitlers“
       
       Wie braun waren die Hohenzollern wirklich? Ein Gespräch über die
       Zerschlagung der Weimarer Republik und die Rolle des preußischen
       Königshauses dabei.
       
 (DIR) Rechenzentrum in Potsdam: Für den Erhalt der DDR-Architektur
       
       Weniger DDR, mehr Preußen: Gegen diese Umwandlung Potsdams richtet sich die
       aktuelle Debatte um den Abriss des Rechenzentrums.
       
 (DIR) Pfarrer mit Kriegserfahrung: Mehr als nur Symbolik
       
       Die Initiative „Lernort Garnisonkirche“ hat die kirchliche Tradition der
       Kirche untersucht. Die Aussagen einiger Pfarrer machen sie sprachlos.