# taz.de -- Auslieferung von Julian Assange: Das Verfahren gehört eingestellt
       
       > Zurecht verurteilt der Westen fehlende Medienfreiheit in Russland. Aber
       > überzeugender wäre er, wenn Wikileaks-Gründer Julian Assange frei wäre.
       
 (IMG) Bild: Wikileaks-Gründer Julian Assange kämpft in London gegen seine Auslieferung an die USA
       
       Die [1][Entscheidung in Großbritannien], Wikileaks-Gründer Julian Assange
       im Streit um seine Auslieferung an die USA den Gang zum Obersten
       Gerichtshof zu verwehren, ist noch nicht das Ende der juristischen
       Auseinandersetzung. Ein schwerer Rückschlag für den 50-Jährigen ist es
       dennoch.
       
       Denn die Obersten Richter*innen entziehen damit Assanges
       erfolgversprechendster Argumentationslinie der letzten zwei Jahre den
       Boden: Dass nämlich seine psychische Gesundheit durch eine Auslieferung
       derart gefährdet sei, dass ein Suizid in US-Haft wahrscheinlich wäre.
       
       Auf dieser Basis hatte im Januar 2021 eine untergeordnete Instanz
       [2][entschieden], dass Assange nicht ausgeliefert werden dürfe. Die USA
       reichten daraufhin diverse Versprechen einer sicheren und humanen
       Behandlung ein, woraufhin der High Court im Dezember [3][die Entscheidung
       widerrief]. Assanges Versuch, das gleiche Argument nunmehr vor dem Supreme
       Court entscheiden zu lassen, ist mit dessen Ablehnung, den Fall mangels
       überzeugender Rechtsgründe überhaupt zu verhandeln, gescheitert.
       
       Das ist schlecht für Assange, aber womöglich gut für all die Werte und
       Prinzipien, die mit dem Fall verbunden sind. Denn auch wenn die
       Gerichtsentscheidung gegen die Auslieferung vom Januar 2021 erst einmal
       aufatmen ließ – eigentlich waren es die [4][vollkommen falschen Gründe].
       Jetzt hingegen wird Assanges Verteidigung zweifellos die zunächst vor
       unteren Instanzen vorgebrachten und gescheiterten Argumente wieder
       aufnehmen, die allein die 18 von den USA vorgebrachten Anklagepunkte gegen
       Assange als politisch motivierten Versuch der Mundtotmachung eines
       unbequemen Publizisten brandmarken.
       
       ## Fall wieder da, wo er hingehört
       
       Damit wäre der Fall wieder da, wo er hingehört: In der politischen
       Auseinandersetzung um Pressefreiheit und deren Grenzen.
       
       Zur Erinnerung: Im Kern geht es um Wikileaks-Veröffentlichungen geheimer
       US-Dokumente aus den Jahren 2010 und 2011, die diverse Kriegsverbrechen der
       USA und der damaligen irakischen Sicherheitskräfte gegen Zivilbevölkerung
       belegen. Die Dokumente waren von Chelsea Manning an Wikileaks
       weitergereicht worden – Manning saß daraufhin ab 2010 in Haft, wurde aber
       vom damaligen Präsidenten Barack Obama schließlich 2017 begnadigt.
       
       Das Verfahren gegen Assange hingegen, dem die USA vorwerfen, die Dokumente
       nicht nur veröffentlicht – und dadurch Menschenleben und
       US-Sicherheitsinteressen in Gefahr gebracht – sondern Manning aktiv beim
       Datenklau geholfen zu haben, wurde nie eingestellt. Sogar Chelsea Manning
       kam erneut in Beugehaft, um von ihr Assange belastende Aussagen zu
       erzwingen.
       
       ## Verfahren gehört eingestellt
       
       Es ist ein Zufall, dass die Nachricht über die Richterentscheidung gegen
       Assange zusammenfällt mit dem [5][Video] des Anti-Kriegs-Protestes der
       Mitarbeiterin Marina Owsjannikowa im staatlichen russischen Ersten Kanal. 6
       Sekunden lang konnte sie ein Anti-Kriegs-Plakat in die Live-Kamera halten,
       dann wurde weggeblendet und sie selbst verhaftet.
       
       Vollkommen zu Recht schließen westliche Regierungen, Menschenrechts- und
       Medienorganisationen die Reihen in der Verurteilung staatlicher russischer
       Propaganda und mangelnder Medien- und Berichterstattungsfreiheit. Die
       [6][extreme Einschränkung] von Berichten über den Angriffskrieg in der
       Ukraine, der nicht einmal „Krieg“ genannt werden darf, ist dabei ja nur die
       Zuspitzung einer medialen Gleichschaltung, die seit Jahren im Gange ist.
       
       Aber wie viel überzeugender könnte der Westen argumentieren, wenn nicht
       gleichzeitig jemand, der massivste Kriegsverbrechen der Führungsmacht eben
       dieses Westens öffentlich gemacht hat, [7][mit 175 Jahren Haft bedroht]
       würde. Es bleibt dabei: Das Verfahren gegen Assange gehört eingestellt. Er
       muss endlich freigelassen werden, und zwar sofort.
       
       15 Mar 2022
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] /Verfahren-gegen-Wikileaks-Gruender/!5841947
 (DIR) [2] /Urteil-zu-Julian-Assange/!5741224
 (DIR) [3] /Gericht-kippt-Ablehnung-von-US-Antrag/!5821667
 (DIR) [4] /Londoner-Urteil-zu-Julian-Assange/!5741252
 (DIR) [5] https://www.youtube.com/watch?v=VMkzNFa6jyU
 (DIR) [6] /Unabhaengige-Medien-in-Russland-gesperrt/!5838944
 (DIR) [7] /Auslieferung-von-Julian-Assange/!5736388
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Bernd Pickert
       
       ## TAGS
       
 (DIR) Whistleblower
 (DIR) USA
 (DIR) Schwerpunkt Pressefreiheit
 (DIR) Whistleblower
 (DIR) Wikileaks
 (DIR) Julian Assange
 (DIR) Auslieferung
 (DIR) IG
 (DIR) Schwerpunkt Pressefreiheit
 (DIR) Schwerpunkt Pressefreiheit
 (DIR) Julian Assange
 (DIR) Julian Assange
 (DIR) Julian Assange
 (DIR) Julian Assange
 (DIR) Julian Assange
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
 (DIR) Whistleblowerin Chelsea Manning: „Wir werden es überleben“
       
       Chelsea Manning informierte über US-Kriegsverbrechen und saß dafür
       jahrelang im Gefängnis. An eine bessere Welt glaubt sie weiterhin.
       
 (DIR) Wikileaks-Gründer in Großbritannien: Auslieferung von Assange bewilligt
       
       Großbritanniens Regierung genehmigt die Auslierung des Wikileaks-Gründers
       Julian Assange an die USA. Der hat nun 14 Tage Zeit, um Berufung
       einzulegen.
       
 (DIR) Günter Wallraff über Julian Assange: „Ein Tod auf Raten“
       
       Günter Wallraff sieht starke Parallelen zwischen dem Wikileaks-Journalisten
       Julian Assange und dem russischen Dissidenten Alexei Nawalny.
       
 (DIR) Drohende Auslieferung von Assange: Das Schweigen der EU
       
       Die Justiz ist durch mit dem Fall Assange. Nun muss die europäische Politik
       Farbe bekennen zum Schutz von ihm und anderen Whistleblowern.
       
 (DIR) Beschluss der britischen Justiz: Assange darf ausgeliefert werden
       
       Ein britisches Gericht erlaubt formal die Auslieferung des
       Wikileaks-Gründers Julian Assange an die USA. Dort droht ihm eine
       lebenslange Haftstrafe.
       
 (DIR) Verfahren gegen Wikileaks-Gründer: Doch keine Berufung für Assange
       
       Der Wikileaks-Gründer darf doch nicht vor höchstem britischen Gericht gegen
       Auslieferung in die USA klagen. Ein weiterer Einspruch ist jedoch möglich.
       
 (DIR) Auslieferung des Wikileaks-Gründers: Hoffnungsschimmer für Assange
       
       Julian Assange hat einen juristischen Erfolg erzielt und darf seine
       Auslieferung in die USA anfechten. Nun entscheidet das oberste britische
       Gericht.
       
 (DIR) Auslieferung des Wikileaks-Gründers: Assange darf Berufung einlegen
       
       Im Rechtsstreit um seine Auslieferung an die USA darf Julian Assange
       Berufung einlegen. Damit geht das Tauziehen vor dem höchsten britischen
       Gericht weiter.