# taz.de -- Flucht ausgegrenzter Menschen: Ein Shuttle für die Vergessenen
       
       > Menschen, die ohne europäischen Pass aus der Ukraine flüchten, haben es
       > schwer. Aktivist*innen haben für sie Busse nach Hamburg organisiert.
       
 (IMG) Bild: Für People of Color oft unerreichbar: Warteschlange vor einem Bus für Geflüchtete in Medyka
       
       Hamburg taz | Die erste Tour machten die Aktivist*innen Anfang März.
       Mit mehreren Bussen holten sie nach eigenen Angaben rund 120 Menschen aus
       Warschau ab. Fast alle von ihnen People of Color (PoC), viele ohne
       [1][europäischen Pass], einige ganz ohne Papiere.
       
       „Als wir wieder in Hamburg waren, haben wir die Menschen verteilt“, erzählt
       ein Aktivist, der sich Erich nennt. „Ein Teil der Leute wollte gleich
       weiter zum Bahnhof, nach Berlin, Würzburg oder Augsburg. Ein anderer Teil
       hatte hier Freund*innen und Verwandte. Wirklich wenige hatten nichts.“
       Die Menschen ohne Kontakte wurden zunächst privat untergebracht.
       
       Hinter den Fahrten steckt ein Zusammenschluss antifaschistischer und
       anarchistischer Gruppen, die mit Organisationen wie „Asmaras World“
       zusammenarbeiten. „[2][Asmaras World]“ ist ein Hamburger Verein, in dem
       sich Black, Indigenous und People of Color (BIPoC) selbst organisieren und
       Menschen ganz konkret zum Beispiel bei Asylverfahren unterstützen.
       
       Ziel des neuen Zusammenschlusses ist es, besonders marginalisierte
       Personengruppen wie PoCs, Menschen mit Behinderung, Sinti*zze und
       Rom*nja, die vor dem Krieg in der Ukraine fliehen, [3][nach Deutschland zu
       holen]. „In Polen stehen die PoCs in der Schlange immer ganz hinten – wenn
       sie überhaupt in die Schlange gelassen werden“, erzählt Erich.
       
       Auch in Deutschland zeigt sich in den Augen einiger Aktivist*innen
       aktuell wieder der weit verbreitete [4][Rassismus]. Wo es jetzt zahlreiche
       Wohnraumangebote für Geflüchtete aus der Ukraine gäbe, mussten Menschen aus
       Syrien oder Afghanistan in der Vergangenheit immer wieder Angst haben, dass
       ihre Unterkünfte angezündet werden, bewerten die Aktivist*innen die
       Situation.
       
       Keine zwei Tage nach der ersten startete die nächste Fahrt der
       Aktivist*innen – dieses Mal nach Krakau. „So auf Verdacht mit
       Reisebussen hinfahren ist scheiße“, erzählt Erich. Deshalb arbeitet die
       Gruppe mit Aktivist*innen und Strukturen vor Ort zusammen – darunter
       auch Menschen aus dem Raum Hamburg. „In Krakau sind wirklich gute Leute“,
       erzählt Erich. „Die haben vorher mit den Menschen gesprochen, haben ihnen
       Ort und Uhrzeit genannt und erklärt, dass der Bus sie nach Hamburg bringt.“
       Dank der guten Vorbereitung seien die Busse vor Ort innerhalb von zwanzig
       Minuten voll gewesen.
       
       Finanziert werden die Fahrten vor allem durch Spenden. Seit Anfang des
       Monats haben die Aktivist*innen sechs Fahrten aus Polen organisiert,
       zwei davon für BIPoC gemeinsam mit „Asmaras World“. Die Fahrten scheinen
       gut organisiert zu sein. „Es sind große Teams, viele Fahrer. Wir haben eine
       Krankenschwester dabei, einen Arzt und auch Dolmetscher fahren mit“,
       erzählt der Aktivist.
       
       Bei der Ankunft in Hamburg werden Gruppen von Geflüchteten mit Kleinbussen
       zum Bahnhof gebracht. Andere warten auf Medikamente, die Aktivist*innen
       für sie organisieren. Übersetzer*innen sprechen mit den Geflüchteten
       und stellen sicher, dass sie verstehen, was passiert. Es stehen Getränke
       und Brezeln bereit.
       
       Mittlerweile unterstützen die Aktivist*innen auch andere Gruppen bei
       der Organisation der Fahrten, die wohl teilweise weit weniger strukturiert
       vorgehen. In Hamburg hat sich ein Umfeld gebildet, das über reine
       Antifa-Organisierung hinausgeht und Unterstützung für Ankommende
       organisiert. Menschen ohne Kontakte werden so zum Beispiel in Hostels
       untergebracht.
       
       „In den Erstaufnahmen gibt es die gleichen Probleme wie 2015“, erklärt eine
       Aktivistin, die damals in einer Hamburger Erstaufnahme geholfen hat. Für
       Menschen mit Behinderung oder Senior*innen mit Pflegestufe gäbe es
       bisher keine offizielle Lösung, erzählt sie. „Wir bekommen immer wieder
       Anrufe und Nachrichten, dass die Menschen an der Erstaufnahme nicht
       angenommen werden und abends dann dort stehen – auch Familien.“
       
       ## Repressionen der polnischen Polizei
       
       Aktuell werden die Fahrten immer schwieriger. Die Repression gegen die
       Busfahrten und Strukturen in Polen hat in den letzten zehn Tagen massiv
       zugenommen. Ein Aktivist in Krakau, der sich Martin nennt, erzählt am
       Telefon, Polizist*innen würden sie häufig kontrollieren. Die Polizei
       behaupte, ihnen würden Registrierungen fehlen, um Menschen mit Bussen
       wegzubringen. Die gebe es aber nirgends.
       
       Während die Freiwilligen bis vor zwei Wochen problemlos Fahrten am Bahnhof
       anbieten konnten, ist das jetzt fast unmöglich geworden. Die polnische
       Polizei werfe ihnen Menschenhandel vor und habe ihnen deswegen schon
       gedroht, das Hotel zu stürmen, erzählt Martin. Dabei könnten sie noch immer
       jeden Tag einen Bus nach Deutschland füllen.
       
       Für die Aktivist*innen in Hamburg bleiben vor allem die Menschen ohne
       Papiere weiterhin ein Thema. Aber auch die politische Perspektive ist den
       organisierten Antifaschist*innen wichtig. „Die Leute da raus zu holen
       und befristet unterzubringen ist eine Sache, aber der zweite Teil ist: Was
       machst du weiter?“, fragt Erich. Dafür braucht es aus Sicht der
       Aktivist*innen vor allem Sozialarbeiter*innen.
       
       29 Mar 2022
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] /Kein-Durchkommen-an-daenischer-Grenze/!5836715
 (DIR) [2] https://asmaras-world.de/
 (DIR) [3] /Krieg-in-der-Ukraine/!5839619
 (DIR) [4] /Schwerpunkt-Rassismus/!t5357160
       
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 (DIR) Jannis Große
       
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