# taz.de -- Feminismus bei Trans-Kämpfen: Selbstverständlich unsere Sache
       
       > Die Bewegung für geschlechtliche Selbstbestimmung ist Teil des
       > Feminismus. Es geht ihr um dieselben Anliegen. Körperliche Integrität zum
       > Beispiel.
       
 (IMG) Bild: Fahrraddemo für FLINTA (Frauen, Lesben, Inter, Non-Binary, Trans, Agender) am Frauen*kampftag
       
       Was macht mich zu einer Frau? Ist es meine Gebärmutter? Oder die Tatsache,
       dass ich zwei Kinder auf die Welt gebracht habe? Sind es meine Fingernägel,
       die ich gern rot lackiere, oder meine Röcke? Ist es meine Erfahrung mit
       geschlechtsspezifischer Diskriminierung und sexueller Belästigung?
       
       Macht mich zu einer Frau, dass ich in meinem Haushalt für die Wäsche
       zuständig bin? Oder ist es mein Wissen darüber, wie abhängig eine Person
       von staatlicher Willkür sein kann – etwa, wenn sie abtreiben möchte oder
       eine gewalttätige Ehe beenden? Macht mich mein Begehren zur Frau oder das
       Begehren anderer? [1][Oder mein Name, mein Körper, meine Chromosomen, mein
       Habitus?]
       
       Je länger ich darüber nachdenke, desto weniger Antworten habe ich.
       Gesellschaftlich gesehen ist die Antwort ohnehin irrelevant. Denn wichtiger
       ist die Frage, weshalb ich im Gegensatz zu anderen Menschen gefährdeter
       oder weniger selbstbestimmt leben muss. Die Frage, warum gesellschaftliche
       Verhältnisse dazu führen, dass manche Menschen für die gleiche Arbeit
       unterschiedlich bezahlt werden oder häufiger von häuslicher Gewalt
       betroffen sind.
       
       Diese Verhältnisse zu benennen und zu überwinden, ist zentrales Anliegen
       des Feminismus, der verschiedene Vorstellungen umfassen kann, aber als
       Bewegung doch immer die Emanzipation zum Ziel haben sollte. Nun wird aber
       seit geraumer Zeit feministisches Vokabular gerade nicht zur Offenlegung
       und Bekämpfung von Diskriminierung, Pathologisierung und Entmündigung
       genutzt, sondern zu deren Verstärkung. Anlass ist das von der neuen
       Bundesregierung angekündigte Selbstbestimmungsgesetz, [2][welches das in
       Teilen verfassungswidrige Transsexuellengesetz (TSG) ersetzen soll].
       
       ## Ein Erfolg für den Feminismus
       
       Dieses TSG ist lange veraltet, weil es pathologisiert und demütigt. Es geht
       da keineswegs um Kleinigkeiten. Noch bis 2008 wurden Menschen zur
       Annullierung ihrer Ehe gezwungen und bis 2011 zur Sterilisation – weil sie
       ihren Vornamen und ihren Geschlechtseintrag ändern wollten. Beides
       unzumutbare Eingriffe in die Freiheit und körperliche Integrität von
       Individuen, die heute noch auf Kompensation warten. Die Überarbeitung des
       TSG drängt seit Jahren, wenn nicht Jahrzehnten. Untätig blieb dagegen die
       Politik, die lieber zusah, wie das Bundesverfassungsgericht das bestehende
       Gesetz nach und nach auseinandernahm. Der Journalist und Jurist Ronen
       Steinke beschrieb es in der Süddeutschen Zeitung einmal wie folgt:
       „Siebenmal nahmen es Betroffene auf sich, ihre Probleme mit den Hürden
       durch alle Instanzen bis zum Bundesverfassungsgericht zu tragen. Siebenmal
       antwortete das Bundesverfassungsgericht schulterzuckend, dass sich für die
       jeweilige Hürde in der Tat keine vernünftige Rechtfertigung finden lasse.“
       Der Einsatz von trans Menschen und nicht-binären Personen war hier
       entscheidend. Dass mittlerweile ein Selbstbestimmungsgesetz angekündigt
       ist, ist ihr Verdienst.
       
       Man könnte meinen, man hätte es hier mit einem Erfolg für den Feminismus
       als Ganzem zu tun – dessen Forderung ja immer war, Menschen nicht aufgrund
       ihrer körperlichen Merkmale zu kategorisieren und zu bevormunden. Dennoch
       kommt die scharfe Abwehr gegen das Selbstbestimmungsgesetz auch von solchen
       Personen und Organen, die sich als feministisch begreifen. Zuletzt auch
       während der Vorbereitungen zum feministischen Kampftag, die teils
       überschattet waren von Desinformation zum Selbstbestimmungsgesetz – auch
       von vermeintlich feministischer Seite.
       
       Was hält manche davon ab, die geschlechtliche Selbstbestimmungsbewegung als
       Teil des Feminismus zu begreifen? Eine Erklärung liegt in einer irrigen
       Vorstellung davon, was der Feminismus selbst sein kann. Die Philosophin
       Amia Srinivasan hat dies in einem Instagram-Talk mit der Autorin und
       Journalistin Teresa Bücker anlässlich der deutschen Veröffentlichung ihres
       Buches „Das Recht auf Sex“ sehr eindrücklich erklärt: Die Erfahrung, als
       Frau ständig Situationen ausgeliefert zu sein, in denen man sich nicht
       sicher und aufgehoben fühle, führe zu einem Bedürfnis nach sicheren,
       homogenen Räumen, in denen alle die gleichen Probleme und Anliegen teilten.
       
       Diese „berauschende Gleichheit“, wie Srinivasan es nennt, kann ein
       bestärkendes und befreiendes Potenzial bergen. Doch wenn dieses Bedürfnis
       als politisches Instrument gegen andere Menschen eingesetzt wird, die sich
       in der Mehrheitsgesellschaft ebenfalls weder sicher noch aufgehoben fühlen,
       wird es zu einer Machtdemonstration, die zu Ausschluss und Diskriminierung
       führt. In ihrem Buch resümiert Srinivasan deshalb: „Ein Feminismus, der als
       Zuhause betrachtet wird, betont das Gemeinsame, ehe es erreicht wurde, und
       schiebt all jene beiseite, die das heimelige Idyll stören könnten. Eine
       wirklich inkludierende Politik ist eine unbequeme Politik ohne
       Geborgenheit.“
       
       ## Gefängnis Geschlecht
       
       Nun führen jene, die sich im Namen des Feminismus gegen das
       Selbstbestimmungsgesetz aussprechen, zweierlei Behauptungen ins Feld: Zum
       einen seien Frauen und Kinder bedroht, zum anderen seien trans Menschen
       selbst bedroht. Beides beruht darauf, dass trans Menschen nicht als trans
       Menschen wahrgenommen werden, sondern als Angehörige ihres zugewiesenen
       Geschlechts. Was sie selbst fühlen und sagen, wird als krankhaft und
       verwirrt dargestellt, wissenschaftliche Erkenntnisse als abwegig abgetan.
       
       Bittere Konsequenz ist, dass das zugewiesene Geschlecht zum biologischen
       Gefängnis gemacht wird. Zu einem Gefängnis, aus dem der Feminismus doch
       eigentlich herausführen wollte. Und auch bitter, dass heute im Namen des
       Feminismus und zum vermeintlichen Schutz der Frau eine androzentrische
       Medizin verteidigt und der Staat als Kontrollinstanz beschworen wird.
       
       In der Dokumentation [3][„Ab heute“], die aus Interviews mit trans und
       nicht-binären Menschen besteht, sagt der Psychotherapeut Hagen Löwenberg,
       der seit dreißig Jahren therapeutisch mit trans Menschen arbeitet und der
       fast 600 TSG-Gutachten erstellt hat: Er glaube nicht, dass es diese
       Gutachten brauche. Löwenberg findet, hinter der Abwehr gegen das
       Selbstbestimmungsgesetz stünden in erster Linie nicht etwa medizinische
       Bedenken, sondern politische Motive. Dies führe dazu, dass Themen
       debattiert würden, die „gar nicht existieren“ und [4][„Kinder vor etwas
       geschützt werden, wodurch sie gar nicht bedroht sind.“] Wie dringlich
       erscheint da die Frage des spanischen Philosophen Paul B. Preciado: „Wer
       tritt ein für die Rechte des Kindes, das anders ist?“
       
       Doch wohl hoffentlich der Feminismus?
       
       Es geht nicht darum, Geschlechter abzuschaffen, sondern endlich gelebte
       Realitäten anzuerkennen – auch sozial und juristisch. In den Anliegen und
       Kämpfen von queeren Menschen steckt keine Bedrohung, sondern ein Weg zu
       einer gerechteren Gesellschaft für alle.
       
       13 Mar 2022
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] /Antisemitismus-beim-Frauenkampftag/!5836637
 (DIR) [2] /Anne-Spiegel-ueber-Ampelplaene/!5821001
 (DIR) [3] https://www.abheute-doku.com/
 (DIR) [4] /Transgender-Kinder-und-Jugendliche/!5798327
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Asal Dardan
       
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