# taz.de -- Bundestagsdebatte zur Impfpflicht: Parteipolitischer Schlagabtausch
       
       > Mehrere Stunden debattierten die Abgeordneten über eine allgemeine
       > Impfpflicht. Dabei ging es natürlich auch um Parteipolitik.
       
 (IMG) Bild: Guter Zuhörer: Gesundheitsminister Karl Lauterbach während der Orientierungsdebatte im Bundestag
       
       Berlin taz Bei dieser Debatte ist vieles anders. Zwischenfragen sind nicht
       erlaubt. Es gibt keine Gesetzesvorlage, die debattiert wird. Die
       Meinungsbildung ist für viele noch nicht abgeschlossen, heißt es.
       
       Allerdings steht das schon im Widerspruch zu der forschen Ansage der SPD,
       dass [1][das Gesetz zur Impfpflicht] schon in drei Wochen im Bundestag
       debattiert werden soll. Diese Orientierungsdebatte ist ein Zwitter – eine
       Art demokratisches, offenes brainstorming und dann doch – Parteipolitik.
       
       Den Sound gibt gleich zu Beginn der gesundheitspolitische Sprecher der
       Unionsfraktion, Tino Sorge (CDU), vor. Er mahnt eine bessere Datengrundlage
       an – eine Kritik, die er eigentlich an seinen CDU-Kollegen Jens Spahn
       adressieren müsste. Sorge hält „Boostern ohne Ende nicht für die Lösung“ –
       sagt aber nicht, was er oder die Union anstelle dessen will. Es gibt, so
       das von der Ampel vorgegebe Verfahren, Gruppenanträge.
       
       Das Gros von SPD und Grünen ist für die allgemeine Impfpflicht, die
       [2][FDP-Fraktion gegen die Impfpflicht] und eine von Grünen und Liberalen
       unterstützter Antrag votiert für die Impfpflicht für über 50-Jährige. Die
       Union hat indes am Tag dieser Debatte entschlossen, als Fraktion eine
       Antrag einzubringen. Inhalt? Bislang unbekannt. Die Union will, auch wenn
       sie noch so viel weiß, auf jeden Fall Opposition sein.
       
       ## Opposition kritisiert
       
       Sorge wirft der Ampel vor, das Thema taktisch zu behandeln. Das kann man so
       sehen. Denn die Ampel hätte keine eigene Mehrheit für eine Impfpflicht,
       daher wählte Scholz den Weg der Gewissensfrage. Andrea Lindholz (CSU) und
       Fraktionsvize wirft der Bundesregierung vor, keinen Gesetzentwurf
       vorzulegen und „planlos und destaströs“ zu agieren. Sie habe keine Haltung
       zum Impfregister, betreibe Arbeitsverweigerung und „missachte die
       Opposition.“ Was man eben so sagt, wenn man die Regierung kritisiert.
       
       Die Union macht genau das, was sie der Ampel vorwirft: taktieren. Wenn
       Machtpolitiker Machtpolitikern Machtpolitik vorwerfen, ist das nur bedingt
       erkenntnisfördernd. „Wir werden einen Kompromiss finden“, sagt Sorge. Ob
       mit „Wir“ das Parlament oder die Unionsfraktion gemeint ist, bleibt unklar.
       Die Union träumt offenbar davon, bei der Impfpflicht die gespaltene Ampel
       vorführen zu können.
       
       Kirsten Kappert-Gonther, grüne Gesundheitspolitikerin, [3][plädiert für
       eine allgemeine Impfpflicht]. Im EU-Vergleich sei Deutschland bei der
       Impfquote nur Mittelmaß. Dabei, so die Bremerin, zeige Bremen, dass es
       anders geht, wenn sich der Staat richtig kümmert. Ein Argument, das auch
       Linksparteipolitiker betonen – in Bremen gibt es eine engagierte linke
       Gesundheitssenatorin.
       
       Die Impfpflicht für Ältere hält Kappert-Gonther für unbrauchbar, weil dann
       die Impfwilligkeit von Jüngeren sinke. Auch Heike Baehrens (SPD) votiert,
       wie die SPD-Mehrheit, für eine auf drei Impfungen begrenzte Pflicht.
       „Stimmen Sie für die allgemeine Impfpflicht“ ruft sie ins halb besetze
       Plenum des Bundestages.
       
       ## AfD wie immer
       
       Die AfD poltert wie immer. Fraktionschefin Alice Weidel behauptet, dass die
       ganze Debatte schon ein Zivilisationsbruch sei – bei Historikern ist das
       ein Synonym für den Holocaust. Das ist auch angesichts der immer steilen
       AfD-Rhetorik ein bemerkenswerter Fehlgriff. Fraktionschef Tino Chrupalla
       findet, es werde beim Impfen „durchregiert.“ Angesichts des Durcheinanders
       in der Impfpflicht-Debatte ein bizarrer Vorwurf.
       
       Das Meinungsbild in der Linksfraktion ist recht vielfältig. Matthias W.
       Birkwald argumentiert gegen die Impfpflicht. Bußgelder seien ja unsozial,
       weil sie Ärmere und Reiche gleichermaßen bezahlen müssten. „Die Impfpflicht
       ist eine autoritäre Illusion“. Zudem habe Ex-Kanzlerin Merkel versprochen,
       es werde sie nicht geben. Nach dieser Logik hätte man auch nicht aus der
       Atomkraft aussteigen dürfen.
       
       Gregor Gysi hält die geringe Impfquote für einen Versagen der Regierung.
       Anderswo sei sie schließlich höher. Gysi zweifelt, das man elf Millionen
       Ungeimpfte so eines Besseren belehren könne. Ein bestes Argument gegen die
       Impfpflicht lautet: „Eine Pflicht ohne Sanktion ist keine Pflicht.“ Und man
       werde ja niemand deswegen einsperren. Seine Linkspartei-Kollegin Kathrin
       Vogler sieht das genau umgekehrt. Die Alternative zur Impfpflicht sei
       faktisch eine Durchseuchung, die aber angesichts der Opfer unethisch sei.
       
       Wolfgang Kubicki (FDP) hält die Impfpflicht für falsch und plädiert dafür,
       die Gegner der Impfpflicht, die keineswegs alle Rechtsradikale oder
       Coronaleugner seien, nicht als unmoralische Parias zu behandeln. Da
       applaudiert die AfD von Herzen.
       
       FDP-Justizminister Marko Buschmann ist einer der wenigen, die bekennen,
       noch unentschlossen zu sein. Er hofft auf wirksame Medikamente und dass die
       Variante, nur Ältere zu impfen, weniger Widerstand provoziere. Die Debatte,
       lobt er, sei „nicht von der Logik der Macht, sondern von der des
       Argumentes“ bestimmt. Das ist aber recht rosafarbene Deutung einer Debatte,
       bei der parteipolitischen Kalküle deutlich durchscheinen.
       
       26 Jan 2022
       
       ## LINKS
       
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